148. Untersuchung
Die Gaumensucht

Feststellungen

1. Ist die Gaumensucht Todsünde?

Wenn jemand ungeordneter Gaumengier wegen nach Überlegung der Vernunft etwas unterließe, was im göttlichen Gesetz geboten ist, so würde er einer Todsünde schuldig werden.

Dritter Artikel
Ist die Gaumensucht die größte der Sünden?

Aus der Abhandlung. Ich antworte: Die Schwere einer Sünde kann in dreifacher Hinsicht angesehen werden. Erstens und hauptsächlich dem Stoffe nach, in welchem man sich versündigt. Demgemäß sind die Sünden im Bereich der göttlichen Dinge die größten. Von daher ist somit das Laster der Gaumensucht nicht das größte; es hält sich nämlich im Bezirk dessen, was auf die Erhaltung des Leibes geht. Zweitens aber von Seiten des Sündigenden. Und hienach wird die Sünde der Gaumenlust eher leichter als schwerer: sowohl wegen der Notwendigkeit des Speisennehmens, als auch wegen der Schwierigkeit, zu entscheiden und abzumessen, was hierin das Rechte ist. - Drittens aber von Seiten der Folgewirkung. Und danach hat das Laster der Gaumensucht eine gewisse Größe, insofern aus ihm verschiedene Sünden veranlasst werden.

Feststellungen

4. Werden richtig die Arten der Gaumensucht unterschieden?

Mit Recht werden die Arten der Gaumenlust nach folgenden Bedinglichkeiten unterschieden: zu früh, zu kostbar, zu viel, zu gierig, zu leckerhaft.

5. Ist die Schlemmerei ein Hauptlaster?

Da es das Laster der Genusssucht mit den Freuungen des Gefühlssinnes zu tun hat, die die hauptsächlichsten von allen sind, so wird es mit Recht den Hauptlastern zugezählt.

6. Werden richtig fünf Töchter der Genusssucht bezeichnet?

Alberne Ausgelassenheit, Possenreißerei, Schmutzigkeit, Vielrederei und Stumpfheit der Geisteskräfte sind die fünf Töchter der Genusssucht.


 

(aus der "Summe der Theologie" von Thomas von Aquin: 1225-1274)
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