1. 's war einer von Eisen, hat wütend getanzt,
Dann mit 'm Gefrornen sich beim offnen Fenster auf'pflanzt,
Is g'rennt und g'sprengt zu die Amouren in Karriere,
Spielt und trinkt d' ganze Nacht, er weiß vom Bett gar nix mehr.
Nach zehn Jahren is d' Brust hektisch, homöopathisch der Mag'n,
Er muß im Juli flanellene Nachtleib'ln trag'n
Und extra ein' wattierten Kaput, sonst war's z' kühl -
Ja, die Zeit ändert viel.

2. 's hat einer a Braut, steckt den ganzen Tag dort,
Wenn die Dienstleut' ins Bett schon woll'n, geht er erst fort;
Dann bleibt er noch drunt', seufzt aufs Fenster in d' Höh',
Erfrört sich die Nasen vom Dastehn im Schnee.
A halb's Jahr nach der Hochzeit rennt er ganze Täg' aus,
Kommt spät auf die Nacht oder gar nit nach Haus;
Dann reist er nach Neapel, sie muß in die Brühl -
Ja, die Zeit ändert viel.

3. A Sängerin hat g'sungen wie Sphärenharmonie,
Wann s' der Schnackerl hat g'stoßen, war 's Feenmelodie.
Diese Stimm', die is was Unerhörtes gewest,
Aus Neid sein die Nachtigall'n hin wor'n im Nest;
Silberglocken war'n rein alte Häfen gegen ihr;
Sechs Jahr' drauf kriegt ihr' Stimm' a Schneid wie 's Plutzerbier.
Jetzt kraht s' nur dramatisch, frett't sich durch mit'm Spiel -
Ja, die Zeit ändert viel.

4. Ah, das is a lieber Knab', artig und nett
Und schön und bescheiden und gar so adrett,
Er is still, bis man 'n fragt, nacher antwort't er drauf,
Wo man 'n hinnimmt, da hebt man a Ehr' mit ihm auf;
's machen d' Herren und die Frauen mit dem Knab'n a Spektakl!
Nach zehn Jahren is der Knab a großmächtiger Lackl,
A Löllaps, der keck in alles dreinreden will -
Ja, die Zeit ändert viel.

5. A Schönheit hat dreizehn Partien ausgeschlagen,
Darunter waren achte mit Haus, Ross' und Wagen,
Zwa Anbeter hab'n sich an ihr'm Fenster aufg'henkt,
Und drei hab'n sich draußen beim Schanzel dertränkt,
Vier hab'n sich beim Dritten
Kaffeehaus erschossen.
Seitdem sein a sieb'nzehn Jahrln verflossen,
Jetzt schaut s' keiner an, sie kann sich au'm Kopf stell'n, wenn s' will -
Ja, die Zeit ändern viel.

6. Hat einst einer über ein' sein' Schöne was g'sagt,
Pumsti, hat er a eiserne Ohrfeigen erfragt,
Nach der Klafter haben s' kämpft, und gleich auf Tod und Leben!
Alle Daum'lang hat's blutige Fehde gegeben.
Jetzt nehmen die Liebhaber das nit a so,
Machen über ihr' Schöne selbst scharfe Bonmots,
Für ihr'n Bierhauswitz nehmen s' d' Geliebte als Ziel -
Ja, die Zeit ändert viel.


(aus dem "Talisman" von Johann Nestroy)
Buch bestellen