Fred Pearce: "Das Wetter von morgen"

Wenn das Klima zur Bedrohung wird


Visionen des Untergangs

"Dieses Buch beschäftigt sich mit kühnen Hypothesen und großartigen Eingebungen, aber auch mit gelegentlichen entsetzlichen Irrtümern. Abgesehen von den verhalten geäußerten Gewissheiten in den IPPC-Berichten stehen wir vor einer wahren Flut von Mutmaßungen und Schreckensszenarien. Ich glaube allerdings, dass wir noch weit mehr derartiger Szenarien brauchen ..."

Brauchen wir das wirklich? Die oben zitierten Aussagen sind des Autors eigene Worte, nachzulesen auf Seite 290 seines neuen Buches "Das Wetter von morgen". Ein Titel, der kaum erahnen lässt, welche Untergangsvisionen Fred Pearce für seine Leser da heraufbeschwört. Der Titel der englischen Originalausgabe lautet denn auch sinnigerweise "The Last Generation" und übermittelt dem Leser natürlich eine völlig andere Botschaft als das nüchterne "Wetter von morgen". Ich frage mich denn auch, was den Verlag wohl bewogen haben mag, in so krasser Weise von der apokalyptischen Aussagekraft des Originaltitels abzuweichen. Und genau so, wie es der Titel des englischen Originals schon andeutet, präsentiert sich auch der Inhalt des Buches: reißerisch, spektakulär, einseitig, Sensations-Journalismus im allerbesten "Bildzeitungsstil". Fred Pearce trägt hier nicht gerade zu einer verantwortungsvoll und sachlich geführten Auseinandersetzung mit dem Thema "Klimawandel" bei. Als Journalist weiß er natürlich, dass schlechte Nachrichten sich in der Regel besser verkaufen lassen als gute Nachrichten. Und Fred Pearce möchte - wie jeder Autor - selbstverständlich auch möglichst viele Käufer für sein Buch finden. Das ist verständlich und legitim. So schickt er seine Leser durch ein Kaleidoskop der unterschiedlichsten Schreckensvisionen und malt das Fanal eines vernichtenden Weltenbrandes an den Horizont zukünftiger Tage. Sein Buch beinhaltet eine wahre Fundgrube an Schrecknissen, empfehlenswert für Science-Fiction-Autoren, die unter einem vorübergehenden Ideenmangel leiden.

Allein schon Formulierungen wie "Rachefeldzug der Natur", "Riesenfürze aus der Tiefe", "Weltvernichtungsmaschine" oder "Methan ist ein Revolverheld" halten den kritischen Leser von Anfang an in skeptischer Distanz zu den "kühnen Hypothesen und großartigen Eingebungen", die der Verfasser uns hier präsentiert. Dabei stellt Pearce die Gefahr plötzlicher, abrupter Veränderungen in den Mittelpunkt seiner düsteren Betrachtungen, die Gefahr der unliebsamen Überraschungen, des Blitzes aus heiterem Himmel. Immer wieder beschwören die von ihm zitierten Wissenschaftler die Gefahr eines abrupten Klimawandels herauf und nicht etwa die übliche Vorstellung von einem schleichenden Prozess. Die Vorschläge zur Schadensbegrenzung oder gar Abwendung der Klimakatastrophe, die der Autor am Schluss dieses Bandes zur Diskussion stellt, muten angesichts der apokalyptischen Szenarien, die er in den vorangehenden Kapiteln entwirft, wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein an.

Gut fand ich Aufbau und Gliederung des Buches, die Themen sind klar voneinander abgegrenzt, der Stoff ist verständlich dargestellt. Nur mit Illustrationen wurde gegeizt, lediglich zwei davon auf über dreihundert Seiten, ein Foto von Schmelzwasser auf dem Grönlandeis und eine schematische Darstellung des marinen Förderbandes, zu dem auch der Golfstrom gehört. Unter dem Foto finden wir den erläuternden Text: "Früher dachten wir, es dauert zehntausend Jahre, bis das Eis von der Oberfläche bis zum Felsgrund abgeschmolzen ist. Wenn das Wasser jedoch in eine Spalte abfließt, dauert es keine zehntausend Jahre mehr, sondern zehn Sekunden." Dies ist nicht etwa ein Druckfehler, denn genau der gleiche Text findet sich auch an anderer Stelle.

Schwerpunkt-Themen des Buches sind unter anderem das Schmelzen der Eiskappen an den Polen; hier hält Pearce im Gegensatz zu den meisten anderen Autoren, die sich mit der Problematik befasst haben, selbst die Verhältnisse in der Antarktis für nicht stabil. Die Rolle, die die Biosphäre auf das Klima ausübt, die Entstehung der Kaltzeiten, das marine Förderband; die Streitfrage, ob nun die Pole oder eher die Tropen hauptverantwortlich für unser Klima sind; die Rolle, die Aerosole und Wolken im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung spielen, das sind andere Hauptthemen des Buches.

Viele Fragen werden von Fred Pearce aufgeworfen, Fragen, die von niemandem schlüssig beantwortet werden können und lediglich Spekulationen zulassen, die bei Pearce aber immer in die Richtung einer Katastrophe gehen. Und dennoch sollten wir es ernst nehmen, was der Autor uns hier an apokalyptischen Visionen auftischt, denn wer weiß schon, was uns und künftigen Generationen noch alles bevorsteht. Trotz der angesprochenen Kritikpunkte halte ich "Das Wetter von morgen" für ein interessantes, lesenswertes Buch.

(Werner Fletcher; 09/2007)


Fred Pearce: "Das Wetter von morgen. Wenn das Klima zur Bedrohung wird"
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Barbara Steckhan.
Antje Kunstmann Verlag, 2007. 336 Seiten.
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