Martin Walser: "Ein fliehendes Pferd"


Die 1978 erschienene und hochgelobte Novelle spielt am Heimatsee Martin Walsers, am Bodensee. In dem Buch ist er auch der Urlaubssee zweier Paare, zum elften Mal für Sabine und Helmut Halm, zum dritten Mal für Helene und Klaus Buch. Die beiden mittvierzigjährigen Männer, ehemalige Schulkollegen, die einander seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben, treffen einander, das erste Mal zufällig, dann ununterbrochen an den folgenden Tagen, immer in Begleitung ihrer Frauen, was zur Folge hat, dass sich an dem Beziehungsgeflecht der Personen, vor allem an der starken Gegensätzlichkeit und Midlifecrisisgeplagtheit der Männer, ein hohes Maß dramatischer Energie aufbaut, welches sich schließlich spektakulär auf dem Bodensee entlädt.

Der die Handlung weitgehend bestimmende Gegensatz ist der zwischen Geist (Helmut) und Natur (Klaus). Dem intellektuellen Helmut, Oberstudienrat an einer Stuttgarter Eliteschule, der viel liest, raucht und schwere Weine trinkt, wenig mit seiner Frau spricht und mit anderen am liebsten gar nicht, bzw. der ein Ideal darin sieht, für andere möglichst undurchschaubar zu bleiben, steht ein ganzkörperlich durchtrainierter Klaus gegenüber, ein mineralwassertrinkender Verfasser von Büchern über gesunde Ernährung, ein Freund der Vielrednerei und des Nervenkitzels. Die beiden Frauen schwimmen mehr oder weniger im Fahrwasser ihrer Gefährten, versuchen innerhalb dessen die weibliche Seite zu bilden, und tragen innerhalb des Buches dazu bei, dass der Vergleich der Prinzipien mit Leben und Realismus geführt wird. So ist es auch ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Entwürfen, mit Arbeit, der Sexualität oder mit dem Druck der öffentlichen Meinung umzugehen, und eine Herausforderung für den Leser, zu den aufgeworfenen Möglichkeiten selbst Stellung zu beziehen.

Zu erwähnen ist außerdem, dass zwar durchgehend in der dritten Person erzählt wird, nichtsdestotrotz eine deutliche Sympathie der Figur des Helmut gegenüber vorhanden ist und dem auch die eine oder andere psychologische Unausgewogenheit und erzählerische Ungereimtheit entspricht. So kann je nach Veranlagung des Lesers dem Autor Mangel an Wahrhaftigkeit vorgeworfen wie auch darüber gerätselt werden, inwieweit der Held autobiografisch ist, alter ego des Autors oder ihn verbirgt.

(fritz)


Martin Walser: "Ein fliehendes Pferd"
suhrkamp tb
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