Thomas Montasser "Die verbotenen Gärten"

"Das Glück und das Unglück deines Lebens werden dir widerfahren in den verbotenen Gärten. Leben und Tod werden dir begegnen in den verbotenen Gärten".


Diese am Anfang getätigte Prophezeiung wird sich im Laufe des Romans erfüllen. Der Garten, der im Islam und in den Ländern des Orients eine bedeutende Rolle spielt, nämlich als Schicksal des Menschen schlechthin - der aus dem Garten Eden kommt und dorthin am Ende wieder zurückkehren wird - begleitet unseren Helden durch den Roman.

Thomas Montasser, geboren 1966, studierte Rechtswissenschaften und schrieb zahlreiche Sachbücher. Der Autor lebt mit seiner Familie in München und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Kunst und Kultur des Orients und vor allem Persiens. Das Buch "Die verbotenen Gärten" ist der erste Roman des Autors.

Der französische Ritter Jean d´Eron und der moslemische Dichter und Gelehrte Saadi sind die Hauptdarsteller in diesem außergewöhnlichen Roman. Im Jahr 1252 macht sich Jean d´Eron auf seinen Freund Saadi in dessen Heimatstadt Schiraz in Persien zu besuchen. Er findet seinen Freund schweigend vor und muss von dessen Frau und Tochter erfahren, dass der Gelehrte schon seit Wochen kein Wort gesprochen hat. Jean d´Eron gibt sich damit aber nicht zufrieden und bringt seinen Freund durch seine Beharrlichkeit wieder zum Sprechen. So wird das Wiedersehen der beiden Freunde zu einem Fest der Erinnerung an gemeinsam und einzeln verlebte Zeiten.

Der Franzose befindet sich auf dem Weg ins Heilige Land, geprägt von christlichen Vorurteilen. Durch eine unglückliche Verwechslung gelangt er in Kerkerhaft und trifft dort auf den moslemischen Gelehrten Saadi, der ebenfalls seine Haftstrafe verbüßt. Sie verbringen Wochen in einem nahezu dunklen Verließ unter menschenunwürdigen Bedingungen und dadurch gelingt es Saadi, viele von den christlichen Vorurteilen des jungen Ritters abzubauen. Der Franzose der mit dieser Situation nur schwer zurecht kommt, erkennt durch das Verhalten von Saadi, dass es möglich ist, sogar diesem Loch etwas abzugewinnen. Saadi erklärt dem Franzosen, dass durch diese Dunkelheit und Kargheit der Blick des Auges geschärft würde, das Herz sich öffnet und der Franzose wie ein Lichtstrahl in sein Leben getreten ist, der ihm draußen im grellen Licht verborgen geblieben wäre. Jean d´Eron beginnt den Ungläubigen, wie er ihn anfangs bezeichnet hat zu bewundern und vor allem sich für dessen Religion und Gebräuche zu interessieren.

Der Autor versteht es wunderbar dem Leser die blumige Sprache der Araber näherzubringen und das Interesse für den Koran zu wecken. Die beiden Helden retten sich in dieser trostlosen Zeit gegenseitig das Leben und schaffen es schließlich gemeinsam der Kerkerhaft zu entrinnen. Diese Wochen legen den Grundstein für eine Freundschaft, die trotz unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse und Auffassungen ein Leben lang halten wird. Eine Freundschaft, die das Leben der beiden Männer bereichern wird und erkennen lässt, dass gegenseitige Anerkennung, Toleranz und Achtung keine Frage der Konfession oder Nationalität ist.

Rückblickend erzählen die beiden Freunde von ihrem abenteuerlichen Leben und ihren Reisen durch den halben Orient, die teils einzeln und auch gemeinsam erfolgten und von ihrer gemeinsamen Zeit am Hof des Sultans von Damaskus. Die Beschreibung des Orients mit seinen heiligen Stätten, den Basaren, den Häusern mit ihren paradiesischen Gärten, den unterschiedlichsten Menschen, den Festen und Gebräuchen ist mitreißend und erweckt im Leser den Wunsch diese Pracht und das pulsierende Leben kennenzulernen. All die Menschen denen Jean d´Eron begegnet, sind auf ihre Weise interessant und trotz der bestehenden Ressentiments gelingt es immer wieder Anschluss und sogar Freunde und Weggefährten zu finden. Obwohl es zwischen Saadi und dem jungen Ritter auf einer der Reisen ein Zerwürfnis gibt, bleibt die Freundschaft bestehen und letztendlich wird die Familie des Gelehrten zur Heimat für den Franzosen.

Doch bevor er endgültig seine Heimat findet, die wie er erkennen muss nicht im Burgund, dem Ort seiner Geburt liegt, erfährt er die große Liebe. Er lebt einige Zeit in einer jüdischen Familie, deren Ziehtochter seine Frau wird und deren Familie ihn aufnimmt wie einen Sohn. Hier erhält der Leser Einblick in das Leben der jüdischen Familien dieser Zeit. Durch den Tod seiner geliebten Frau und seines Sohnes, der im Teich eines der paradiesischen Gärten ertrinkt, erfüllt sich zum ersten Mal die Weissagung. Jean d´Eron, der sich im Paradies wähnte, erfährt dadurch großes Unglück aber letztendlich wird es wieder ein Garten sein, indem er sein Glück findet.

Thomas Montasser ist es gelungen ein mitreißendes Buch zu schreiben, das das Interesse für andere Kulturen und Religionen wecken soll und es vermag etliche Vorurteile über Bord zu werfen. Dieser Roman ist gerade im Moment ein Muss für unsere immer intoleranter werdende Gesellschaft. Er ist eine Aufforderung an den Leser sich mit anderen Kulturen und deren Menschen auseinanderzusetzen, dazuzulernen, das Leben bunter zu machen, und plötzlich erahnen wir den betörenden Duft der verbotenen Gärten, den Duft der Aufklärung und erkennen am Ende, genauso wie Jean d´Eron "Wie gütig das Leben doch sein kann, wenn Gott einem sein Lächeln schenkt".

(Margarete; 02/2002)


Thomas Montasser: "Die verbotenen Gärten"
Roman. Claassen, 2001. 383 Seiten.
ISBN 3-5460-0276-8. ca. EUR 20,95.
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