Günter Seufert, Christopher Kubaseck: "Die Türkei. Politik - Geschichte - Kultur"

Ein interessanter Band, dessen Erscheinungsdatum nicht besser gewählt sein könnte.


Diesem herrlich informativen Buch gelingt es, all den widersprüchlichen Assoziationen im Hinblick auf die Türkei auf den Grund zu gehen. In Zeiten, in denen die mögliche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei immer wieder für Aufregung sorgt und alle publizierten Umfragen deutlich belegen, dass seitens vieler EU-Staaten eine große Abneigung besteht, die Türkei als Teil Europas anzuerkennen, gewinnt diese Neuerscheinung an Bedeutung.

Die Türkei, der jahrelang der Ruf anhaftete, ein Polizei- und Folterstaat zu sein, wurde von der möglichen Aufnahme in die EU geradezu beflügelt, Reformen in Richtung liberaler Politik durchzuführen. So wurden politische Freiheiten ausgeweitet sowie Rechtsstaatsgarantien verstärkt, und auch die türkische Wirtschaft befindet sich im Aufschwung.

Das vorliegende Werk beschäftigt sich aber nicht nur mit der Gegenwart und den innenpolitischen Problemfeldern, sondern beschreibt die vielfältige Geschichte dieses Landes vom Sultanat bis zur Demokratie. Neben der aktuellen politischen Lage gelingt es den Autoren auch, einen Überblick über die Gesellschaft und das kulturelle Erbe des Landes an der Schnittstelle von Orient und Okzident zu skizzieren. Mit einer Fläche von 770.000 km² ist die Türkei dreimal so groß wie Deutschland, wobei 97 Prozent der Gesamtfläche auf das asiatische Anatolien entfallen und nur 3 Prozent den europäischen Teil ausmachen.
Gerade diese gigantische Größe und die Tatsache, dass die Türkei als Teil der islamischen Welt gesehen wird, verstärken die Vorurteile und Ängste in Hinsicht auf einen Beitritt zur Europäischen Union. Die NATO-Mitgliedschaft und die nahe Beziehung zu Israel verstärken das außenpolitische Spannungsfeld.

Bleibt nur zu hoffen, dass diese ausführliche Lektüre einen Beitrag dazu leisten kann, dass in Hinkunft nicht Vorurteile und Ängste im Vordergrund stehen, wenn es um den Einlass in die Europäische Union geht, sondern vielmehr die Frage: Will die Türkei als Staat wie Nation und möchten die Türken selbst die Werte, auf denen sich das säkulare Europa humanistisch gründet, übernehmen?

Dr. Günter Seufert und Christopher Kubaseck ist mit diesem Band ein für all jene, die sich hinsichtlich Politik, Geschichte und Kultur der Türkei auf den neuesten Stand bringen möchten, unentbehrliches Werk gelungen.

(Margarete Wais; 10/2004)


Günter Seufert, Christopher Kubaseck: "Die Türkei. Politik - Geschichte - Kultur"
C. H. Beck, 2004. 238 Seiten; 10 Abbildungen und 5 Karten.
ISBN 3-406-51110-4.
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Günter Seufert, Dr. phil., arbeitet als Autor und Journalist in Istanbul und lehrt als Gastprofessor an der Cyprus University in Nikosia. Sein bei C. H. Beck erschienenes Buch "Café Istanbul" wurde als "das beste deutsche Buch zum Verständnis der Türkei von heute" gelobt ("Der Tagesspiegel")
Christopher Kubaseck lebt als Journalist und Übersetzer in Istanbul.

Noch ein Buchtipp:

Günter Seufert: "Café Istanbul. Alltag, Religion und Politik in der modernen Türkei"

Günter Seufert fängt die Weltsicht der türkischen Gesellschaft in ihren unterschiedlichen Denkmustern ein, deckt ihre Widersprüche auf und geht der Frage nach, warum der politische Islam zu einer Zeit in höchster Blüte steht, da westliche Kultur über Medien und Moden, Lebensstile und Produkte stärker im Land vertreten ist als je zuvor. Das Buch informiert aktuell und fundiert über die Rückkehr des Islam in die politische Arena der Türkei.
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