Igor Torkar: "Wenn der Tod Ferien macht.
Tragikomische Halluzinationen während einer existenziellen Ebbe"

Geschichten an der Gezeitengrenze


In Gestalt der literarischen Figur des Schriftstellers Valentin unternimmt der am 13. Oktober 1913 geborene Igor Torkar eine Rückschau auf sein bewegtes Leben, die er zwischen Prolog und Epilog eingebettet hat. Diese Umrahmung bildet das Märchen "Der bitt´re Tod und Thomas", dessen Ausgangspunkt folgender ist: Der Winzer Thomas sperrt die durstige Frau Tod (die bitt´re Tödin) in ein Weinfass, woraufhin auf Erden nichts und niemand mehr sterben kann ...

Mit Valentins Befindlichkeit steht es nicht zum Besten: Schlaflosigkeit und Verdruss gären in seinem Inneren. Der müde, alte Körper mit seinen Wehwehchen macht den Alltag beschwerlich. Valentin kann/will sich weder dem Leben zu-, noch endgültig davon abwenden, "Körper und Geist schwelgen im lauen Nebel der Willenlosigkeit".
Eines Nachts sitzt Morana, die Tödin, im weißen Gewand, mit der Sense auf der Schulter, auf seinem Bettrand. Sie ist ob der global anhaltend reichen Ernte erschöpft, und Valentin rät ihr, die Sense aus ökonomischen Gründen gegen einen Rasenmäher einzutauschen, sich zu einer schwarzhaarigen Schönheit zu klonen und
einfach einmal Urlaub zu machen. Die Tödin geht auf seinen Vorschlag ein, und sie handeln einen Aufschub seiner letzten Stunden um 13 Jahre aus.

Doch bereits an Valentins nächstfolgendem Geburtstag sucht ihn Morana abermals auf - um nachzuschauen, ob der einzelgängerische Schriftsteller die vereinbarten 13 Jahre überhaupt durchhalten könne und um seine Literaturkenntnisse zu prüfen!

Dazwischen berichtet Torkar/Valentin überaus unterhaltsam - nämlich ironisch mit zartbitterem Beigeschmack - von der Urlaubsreise, die Frau Tödin und Herrn Teufel, (der ebenfalls dringend Erholung, und zwar vom Gräberschaufeln, benötigt), jeweils in menschlicher Gestalt, ans Meer führt und in deren Verlauf die beiden mit sterblichen Partnern Freud und Leid von Liebe, Beischlaf, Eitelkeit, Eifersucht, Lüge und Betrug erfahren müssen, wobei sie allerdings als gestandene Problembeseitiger den Normalsterblichen haushoch überlegen sind... Für tragikomische Turbulenzen sorgen immer wieder die Machenschaften von Norina, der Göttin der Narrheit, die bemüht ist, Menschen durch Verblendung ebenso glücklich wie lächerlich zu machen, und deren Wortmeldungen ein wiederkehrendes Stilmittel darstellen, zumeist an die Enden der Kapitel gesetzt.

Die Tödin zieht sich in ein Blockhaus am Waldrand zurück und bringt eine Tochter zur Welt, währenddessen bei den Menschen das blanke Chaos regiert: Überbevölkerung, Siechtum, Hungersnöte. Niemand kann mehr sterben! Auch Selbstmord ist unmöglich. Das macht den Teufel in der Tat fuchsteufelswild und er erläutert Morana eindringlich die Notwendigkeit des Todes, woraufhin sie ihre Tochter im Sensenschwingen unterweist, ihrerseits mit Maschinengewehr und Rasenmäher loszieht und der Teufel sich ans Gruben Ausheben macht.

Valentin schreibt unterdessen an seiner "Chronik eines taumelnden Sterns", seinem Tagebuch, dem Roman "Wenn der Tod Ferien macht" und verfasst Beiträge für eine europäische Anthologie mit Balladen über den Tod. In den Ebenen zwischen Wach- und Traumzustand gewinnt er Erkenntnisse, durchlebt abermals traumatische Situationen und wird von seinem jüngeren Ich zum In-Worte-Fassen derselben gezwungen. Langsam kann Valentin wieder Tritt in seinem Dasein fassen, und letzten Endes besiegt die Kraft des Lachens - zwar kaum den Tod - jedoch die existenzielle Ebbe.

Torkar bedient sich gekonnt unterschiedlichster Stile, was bei dem Gesamtumfang dieses seines Romans ebenso beachtlich wie außergewöhnlich ist und das Lesen kurzweilig macht: Bühnenstückartige Passagen, Gedichte, politische, filosofische und historische Betrachtungen, autobiografische Details, versetzt mit einem tüchtigen Schuss inneren Monologes seiner Hauptfigur schaffen Abwechslung, geben einmal Anlass zum tiefsinnigen Grübeln und einmal zum herzhaften Schmunzeln. Ein weises Buch, keineswegs mit dem erstarrten Trotz oder Zorn des Alters geschrieben!

(Felix; 12/2001)


Igor Torkar: "Wenn der Tod Ferien macht.
Tragikomische Halluzinationen während einer existenziellen Ebbe"
(Originaltitel: "Smrt na pocitnicah. Tragikomicne halucinacije v oseki bivanja" Aus dem Slowenischen von Sonja Wakounig)
Drava Verlag, 2001. 256 Seiten.
ISBN 3-8543-5344-8.
ca. EUR 19,50.
Buch bestellen