Wolf-Dieter Storl: "Pflanzen der Kelten"

"Das hält man doch nicht für möglich! Diese Weißen wissen nichts, aber auch gar nichts! Sie erkennen weder die alte Großmutter, die tief unter der Erde die Geister der Tiere und Pflanzen hütet, noch die Kraft des heiligen Beifußes. Sie können sich kaum nach den vier Himmelsrichtungen orientieren; mit den Tieren und Geistern können sie nicht reden. Wie haben sie überhaupt überlebt?"


Mit dieser Aussage eines alten Indianers beginnt das Buch, und umso weiter der Leser in die Materie vordringt, desto bewusster wird, dass der moderne Mensch das Leben im Einklang mit der Natur verlernt hat.

Im Kapitel "Auch wir waren einmal Indianer" lernen wir unsere Wurzeln und damit die Kultur der Kelten näher kennen. Der Leser wird mit der keltischen Gesellschaft bekannt gemacht, erfährt von der damals bereits praktizierten Arbeitsteilung, der Entstehung der Bauerntänze und Reigen, und dass die ländlichen Spruchweisheiten großteils keltischen Ursprungs sind.

Das Kapitel "Keltische Heilkunde" macht uns mit der Heilkunst der Kelten vertraut und lässt uns erkennen, dass vieles davon auch heute in der europäischen Volksmedizin angewandt wird, wie z.B. Kräutertees und Bäder. Gerade die Kräuterbäder sind vor allem durch Sebastian Kneipp wieder interessant geworden, der vermutlich ohne es zu wissen die altkeltischen Traditionen dadurch aufleben ließ. Der Leser erfährt Erstaunliches über die Signaturen der einheimischen Pflanzen und deren Verwendungsmöglichkeiten. Aber auch die druidischen Sammelrituale bleiben nicht unerwähnt. Der Leser lernt die ätherische Welt der Elfen kennen, erfasst voller Staunen, dass in der Anderswelt, in der Welt der Elfen und Toten alles umgekehrt und entgegengesetzt ist. Sagen klären uns über wichtige Aspekte des Kräutersammelns sinnbildlich auf und fordern den Leser geradezu auf offen zu werden, nach außen und nach innen, sich Zeit zu nehmen, die Pflanzen zu betrachten, zu beschnuppern, zu betasten und in sie hineinzuhören, so wie die Kräuterkundigen der Kelten dies einst getan haben. Schmerzhaft wird dabei manchem klar werden, wie wenig wir unsere einheimischen Pflanzen kennen und welch wertvolles Wissen und Erkennen jahrelang brach gelegen sind.

Ein Kapitel ist dem keltischen Jahreskreis und dem Baumkalender gewidmet. Die Kelten betrachteten die Zeit als Kreis und die Monate als Kreise innerhalb des Jahreskreises. Es werden die Feste und Bräuche der Kelten beschrieben, so wie auch Halloween. An diesem Abend hebt sich der Nebel und die Menschen haben die Möglichkeit, die Eingänge zu den Feenhügel zu finden, was für mich eine grandiose Vorstellung bedeutet.

Die Kelten teilten die Bäume in Häuptlingsbäume und Bauernbäume ein, wobei für das Fällen, vor allem von Häuptlingsbäumen, drastische Strafen verhängt wurden. Jeder Baum war einem spirituellen Prinzip zugeordnet, einige dieser Bäume werden im Kapitel "Jeder Baum eine Gottheit" vorgestellt. Aber kaum ein Baum war so mit Zauberei verbunden wie die Eberesche, die für die Kelten das siegreiche Lebensprinzip verkörperte. Die keltischen Magier verwendeten die Eberesche gern, wenn es notwendig war, lebensfeindliche Dämonen zu bezwingen oder zu bannen. Aber auch das Jungvieh wurde beim ersten Weideaustrieb mit einer Ebereschenrute "gequickt", was soviel bedeutet wie die Kraft der Eberesche auf die Tiere zu übertragen.

Das Buch endet mit dem Kapitel "Keridwens Kessel der Transformation", welches ein zentrales keltisches Motiv darstellt. Der erste Kessel der Transformation ist der Bauch der Mutter, wo ein Geistwesen in einen leiblichen Menschen umgewandelt wird. Die im Kessel zubereitete Pflanzenmischung für die Transformation soll eine äußerst giftige Mischung gewesen sein, aus welcher lediglich ein Druide die Weisheitsessenz herausfiltern konnte.

Dieses Buch, das uns mit der Kultur der Kelten und deren Heilkunde wieder vertraut macht, das uns Geschichten von Druiden, Zauberern und der Kraft der Magie erzählt, ist ein sehr lehrreiches Buch. Es bewirkt im Leser die Motivation, sich mit seinen Wurzeln zu beschäftigen, die Natur wieder besser kennen zu lernen und bei kleineren Wehwehchen doch wieder auf die Kraft der Heilpflanzen zu vertrauen.

Der Autor Wolf-Dieter Storl wurde in Sachsen geboren und ist in den Staaten aufgewachsen. Er ist Ethnobotaniker und Kulturanthropologe. Er lehrte an verschiedenen Universitäten in den USA, in Indien und Europa. Seit 1988 lebt er mit seiner Familie als freischaffender Schriftsteller im Allgäu/Deutschland. Mit diesem Buch ist es ihm sicherlich gelungen, die Leser zu einem respektvolleren Umgang mit der Natur zu motivieren und die Kultur der Kelten mit all ihren altüberlieferten Heilmitteln und Heilanwendungen wieder populär zu machen.

(margarete; 05/2002)


Wolf-Dieter Storl: "Pflanzen der Kelten"
AT-Verlag, 2000. 366 Seiten.
ISBN 3-85502-705-6.
ca. EUR 25,90
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