Stanley Stewart: "Auf den Spuren von Dschingis Khan. Zu Pferd durch die Mongolei"

"Nomaden sind der Schöpfung Gottes näher", schrieb der arabische Historiker und Philosoph Ibn Khaldun im 14. Jahrhundert, "und sie sind unempfänglicher für die tadelnswerten Sitten, welche die Herzen der Ansässigen verdorben haben."


Schon in seiner Kindheit findet der Autor Gefallen an dem Wort "Mongole", mit dem er von seiner Großmutter ob seiner Wildheit immer wieder bedacht wird. Dieses Wort verbindet er mit seinen kindlichen Abenteuern, und die Sehnsucht das Leben der Mongolen kennen zu lernen, verlässt Stanley Stewart nie.

So reift immer stärker der Entschluss, das Land seiner Kindheitsträume per Pferd zu bereisen. Schon der Weg dorthin ist abenteuerlich. Die Reise auf einem Seelenverkäufer von Istanbul nach Sewastopol verwickelt ihn in die persönlichen Angelegenheiten der Belegschaft, obwohl er eigentlich nur die Landschaft genießen möchte. Doch diese Strapaze bringt ihn dem Land des legendären Mongolenfürsten Dschingis Khan näher.

Spannend gestaltet sich auch die Reise mit dem Kasachstan-Express, dessen Ruf einem Albtraum gleicht. Es wird erzählt, dass Reisende regelmäßig betäubt und ihrer Habe beraubt würden. Doch Stanley genießt diesen Abschnitt der Reise, da im Waggon ein altmodischer nachbarschaftlicher Geist vorherrscht. Seine Reiseziele verbreiten sich wie Dorfklatsch im ganzen Zug und als er in Turkestan ankommt, weiß bereits die ganze Stadt Bescheid.

Faszinierend auch seine Beschreibung der Landschaft
aus der Vogelperspektive, wo die Mongolei wie ein Rohentwurf Gottes aussieht und die einzigen Anzeichen von Menschen in gelegentlichen weißen Rundzelten bestehen. Die wenigen Städte in der Mongolei wirken eher abstoßend und haben nicht den gewünschten Effekt erreicht, nämlich skeptischen Hirten die Errungenschaften modernen Lebens nahe zu bringen.

Stewart erweist sich als vorzüglicher Beobachter, der sowohl die Sitten der Brautschau in Erfahrung bringt, die Heldenhaftigkeit der Jeep-Fahrer beschreibt, deren Fahrerlaubnis einem Universitätsdiplom gleicht, und dadurch punktet, dass er wie die Mongolen beschnitten ist.

Aus Stanley, einem Namen der für Mongolen fast unaussprechbar erscheint, wird Stalin. Dieser Name und ein Dolmetscher begleiten ihn auf seiner abenteuerlichen Reise auf dem Rücken verschiedener Pferde durch die unberührte Wildnis der mongolischen Steppe.

Ein packender Reisebericht, dem es gelingt Abenteuerlust hervorzurufen und jeden Leser zu fesseln. Durch die großartige Beschreibung entsteht die Landschaft vor dem geistigen Auge und das Leben der Nomaden erzeugt unglaubliche Faszination. Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen dieser Region bringen immer neue Aspekte des Nomadenlebens zu Tage. Die historischen Hintergründe sorgen für Verständnis, und aktuelle politische Zusammenhänge liefern eine Reihe interessanter Details.

Stewart gelingt es darüber hinaus, den Leser immer wieder mit Erzählungen aus dem Leben der Mongolen zum Schmunzeln zu bringen. So kann nichts einen Mongolen so sehr verstören wie das Eingeständnis, dass Ausländer regelmäßig rohe Blätter verspeisen. Wie das Vieh! Trotz aller Beschwerlichkeiten - oder gerade deswegen - fragt sich der Autor, ob es überhaupt möglich sei, noch glücklicher zu sein als auf dieser Reise. Den Leser jedenfalls motiviert dieses Abenteuer, auch eigene Reisepläne zu verwirklichen und fernab von eingefahrenen Reiserouten Land und Leute kennen zu lernen.

Stanley Stewart wurde in Irland geboren, wuchs in Kanada auf und lebt in London. Er schreibt Reiseberichte und Reportagen für die englischen Zeitungen "Sunday Times" und "Daily Telegraph". Er wurde bereits dreimal als "Travel Writer of the Year" ausgezeichnet sowie zweimal mit dem "Thomas Cook/Daily Telegraph Travel Book Award".

(margarete; 07/2003)


Stanley Stewart: "Auf den Spuren von Dschingis Khan. Zu Pferd durch die Mongolei"
Aus dem Englischen von Fred Schmitz.
Frederking & Thaler, 2003. 320 Seiten, 16 Farb- und s/w-Fotos.
ISBN 3-89405-619-3.
ca. EUR 24,-.
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