Anna Maria Sigmund: "Die Frauen der Nazis"

Teil 1


"52jähriger, rein arischer Arzt, Tannenbergkämpfer, mit Siedlungsabsicht, wünscht männliche Nachkommenschaft durch standesamtliche Ehe mit gesundem, altarisch, jungfräulich jungem, anspruchslosem, auch für grobe Arbeit geeignetem, wirtschaftlichem Weibe mit breiten Absätzen, ohne Ohrringe, möglichst ohne Vermögen."

Die weibliche Emanzipation war nach dem Ersten Weltkrieg bereits Thema. Frauen hatten in allen Berufssparten Fuß gefasst, und die unterschiedlichsten Ausbildungen standen ihnen offen. Umso erstaunlicher mutet es an, dass es dem nationalsozialistischen System möglich war, ein Frauenbild zu propagieren, das der Vergangenheit angehörte. Die hochgewachsene, arbeitsame, nordisch-blonde Frohnatur inmitten einer Schar von Kindern am häuslichen Herd stellte das neue Bild der Weiblichkeit dar. Trotz dieser Diskriminierung und Darstellung der Frau als nicht ebenbürtige Partnerin des Mannes waren Frauen von Beginn an Hitlers treue Helferinnen. Sie ebneten ihm den Weg und ermöglichten durch ihre Fürsprache auch finanzielle und politische Unterstützung.

Bei den Sozialdemokraten und Kommunisten bekleideten Frauen einflussreiche politische Ämter. Doch in der NSDAP waren den Frauen politisch wichtige Funktionen verwehrt. Das Frauenbild wurde zwar von Hitler teils modifiziert, aber letztlich nur um Stimmen der Frauen bei den bevorstehenden Wahlen zu erhalten. Offensichtlich bezogen gerade die Frauen, die im Dunstkreis der NS-Elite zu finden waren, diese geradezu frauenfeindlichen Parolen wie z.B. "Der Kochlöffel ist die Waffe der Frau" nicht auf sich selbst. Gedanken, wie den Männern das Recht auf zwei Frauen zwecks Zeugung von Nachkommenschaft einzuräumen, wurden auch von Frauen unterstützt. So erwog man 1943 tatsächlich, dass Frauen bis zu 35 Jahren verpflichtet werden sollten, mit reinrassigen deutschen Männern vier Kinder zu zeugen.

Sehr interessant sind die Porträts der Frauen, die mit der Nazi-Elite verheiratet waren: Durchaus Frauen, die über Bildung verfügten und großteils aus gutsituierten Familien stammten. Für mich erschreckend, dass diese Frauen sich mit den Ideen der NSDAP anfreunden, ja sie geradezu fanatisch unterstützen konnten. Für mich blieb während der kompletten Lektüre dieses Buches die Frage offen: Was hat an der Person Hitlers so fasziniert, dass diese Frauen ihm und seinen Ideen geradezu verfallen waren und nahezu nie ein kritischer Gedanke Raum fand?

So stammte die erste Frau Görings aus Schweden, war also keineswegs Deutsche, und erlag trotzdem der Faszination Hitlers und den Ideen seiner Partei. Sie teilte auch den Antisemitismus mit ihrem Mann. Hitler war für Carin Göring ein Genie voller Liebe zur Wahrheit, und sie zweifelte trotz aller Rückschläge nie am Sieg seiner Bewegung.

Auch Magda Goebbels, deren Stiefvater Jude war und ihr stets wie ein leiblicher Vater zur Seite stand, teilte als Gattin des nationalsozialistischen Propagandaministers Dr. Joseph Goebbels fünfzehn Jahre lang sein Leben und trug seine Ideen mit, was für mich unvorstellbar erscheint.

Auch die Einblicke in das Leben von Emmy Göring, Leni Riefenstahl , Gertrud Scholtz-Klink, Geli Raubal, Eva Braun und Henriette von Schirach enthalten interessante Details.

Das Buch von Anna Maria Sigmund, welches einen sehr guten Einblick in die Lebensweise der Frauen der Nazi-Elite erlaubt, hat bei mir Schaudern hervorgerufen, Bedauern, Erschrecken und Wut. Immer und immer wieder habe ich mir die Frage gestellt, warum keine dieser Frauen, die sicherlich einen gewissen Einblick in die Ungeheuerlichkeiten dieser Zeit hatten, Initiativen ergriffen hat, um eine Wende zu erreichen. Hat der angenehme Lebensstandard sie eingelullt, sie blind gemacht für das Leid der Menschen? Warum waren all diese Frauen bereit, ein derartig grausames Regime zu unterstützen, letztendlich sogar sich und die Kinder wie im Fall Goebbels zu opfern?

Für mich jedenfalls ein Aufruf, wachsam zu sein, sein Gewissen zu prüfen, nicht die Augen zu verschließen, hellhörig zu werden. Eine Vermutung hat dieses Buch in mir wachgerufen, nämlich dass die Verhaltensweise oder auch Ignoranz dieser Frauen gegenüber dem menschenverachtenden Regime, welches sie unterstützten, nicht ein Phänomen der Nazi-Zeit war, sondern in jeder Epoche möglich wäre, und wir alle aufgerufen sind, eine derartige Verhaltensweise kein zweites Mal zuzulassen.

(Margarete Wais; 09/2002)


Anna Maria Sigmund: "Die Frauen der Nazis. Teil 1"
Gebundene Ausgabe:
Ueberreuter, 1998. 240 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Heyne, 2000. 351 Seiten.
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