Michael Schneider: "Der Traum der Vernunft. Roman eines deutschen Jakobiners"

Die Bedeutung der französischen Revolution für die gesamteuropäische Geschichte ist sicherlich unbestritten, aber die konkreten Auswirkungen dieser Umbruchzeit und ihre einzelnen Schritte sind den meisten von uns doch eher nicht so bekannt. In diesem Zusammenhang ist dieser Roman sicherlich ein wichtiges Hilfsmittel um sich zu informieren. Man sollte allerdings Zeit und einen wachen Geist an das Buch herantragen, denn es verlangt dem Leser und der Leserin einiges ab.


Eulogius Schneider hat nach einer eher unerfreulichen Kindheit und Studienzeit einige Zeit in einem Franziskanerorden verbracht, wo er mit der ihm angeborenen Intelligenz und Redegewandtheit weiter gekommen ist. Begeistert von den Idealen der französischen Revolution, den Schriften von Rousseau und Robespierre schreibt er sich die Revolution auf die Fahnen und predigt diese von der Kanzel und den Tribünen der Öffentlichkeit. Dabei kommt er aus politischen und persönlichen Gründen immer wieder in Schwierigkeiten mit der politischen und kirchlichen Obrigkeit und dem Gesetz. Doch sein überbordender Gerechtigkeits- und Freiheitsdrang treiben ihn immer wieder auf die verbalen Barrikaden.

Schließlich wird er in Strassburg der verlängerte Arm der französischen Revolutionstribunale in der Position des öffentlichen Anklägers. Dabei wird es seine Aufgabe, im Namen von Saint Just, dem französischen Beauftragten im Elsass, mit einer mobilen Guillotine durch die Lande zu ziehen und die Urteile des Revolutionstribunals zu vollstrecken. Diese blutige Tätigkeit entspricht allerdings in keinster Weise seinem Naturell, und so kommt er immer mehr in Gewissenskonflikte und geht nach Meinung seiner Vorgesetzten mit unangemessener Milde vor. Nach einiger Zeit wird er allerdings aus unspezifizierten Gründen verhaftet, genau wie viele seiner Freunde, um den Einfluss der deutschen Jakobiner im Elsass zu unterminieren. Während seiner Haft hört er, wie er vor der Öffentlichkeit und den Anklägern in Paris als ein blutrünstiges Monster gezeichnet wird und alle seine Freunde und Leute, die für ihn aussagen, von der Justiz verfolgt werden. Sogar seine Ehe wird hinterfragt, weil er angeblich seinen Schwiegervater mit Hilfe seiner rechtlichen Machtmittel zur Genehmigung der Ehe gezwungen haben soll.

Zusammengesetzt aus Tagebuchaufzeichnungen des Eulogius und seiner Frau, Berichten eines Freundes und Briefen wird ein Leben im 18. Jahrhundert und sowohl die Lebensumstände als auch die Geschichte dieser Zeit fabelhaft nachgezeichnet. Hinzu kommen Eulogius' "Confessiones", die er im Gefängnis schreibt, wo er zu seinem Entsetzen zusammen mit Aristokraten inhaftiert ist. Doch gerade sein Zellennachbar zeigt ihm, dass Aristokraten durchaus auch Freunde sein können, wenn man Ideologie und Realität voneinander zu trennen beginnt. In den Gesprächen mit seinen Mitgefangenen lernt er - genau wie die Leserinnen und Leser - noch viele weitere Dinge über die französische Revolution, ihre Folgen und über die hinter dieser Revolution stehenden Philosophien sowie auch über die Philosophien, die erst durch sie entstanden. Was mich zum Beispiel dazu gebracht hat, de Sade in meine Wunschleseliste aufzunehmen.

Wer liest, um unterhalten zu werden und zu lernen, wird an diesem Buch sein ästhetisches und intellektuelles Vergnügen finden und sicherlich einige interessante Einsichten gewinnen.

(K-G. Beck-Ewerhardy; 01/2003)


Michael Schneider: "Der Traum der Vernunft. Roman eines deutschen Jakobiners"
Gebundene Ausgabe:
Kiepenheuer & Witsch, 2001. 629 Seiten.
ISBN 3-4620-2968-1.
ca. EUR 24,90.
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Taschenbuch:
Kiepenheuer & Witsch, 2002. 629 Seiten.
ISBN 3-462-03160-0.
ca. EUR 9,90.
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