Heinz Schmitz: "Die falsche Hand"

Das Geheimnis des Genter Altars


Der Frühling des Jahres 1432. Die Stadt Gent plant Feiern zu verschiedenen Anlässen. Zum einen soll Kardinal Beaufort den jungen Sohn des Fürsten taufen, und dann möchte Jodocus Vijd gerne Bürgermeister der Stadt werden, weswegen er der Kirche einen wunderschönen neuen Altar gestiftet hat, der am gleichen Tag geweiht werden soll. Diese beiden Feierlichkeiten sind eigentlich das Ende der vorliegenden Geschichte.

Jodocus hatte schon zuvor beim Bruder von Jan von Eyck - dem wesentlich talentierteren Hubert - einen Altar in Auftrag gegeben, doch der Hussit wurde kurz vor der Fertigstellung tot aufgefunden, und die einzelnen Altartafeln waren verschwunden. Das war zu diesem Zeitpunkt eventuell auch gar nicht so ungünstig, denn anscheinend hatte Hubert einige seiner hussitischen Überzeugungen allzu deutlich auf den einzelnen Tafeln zum Ausdruck gebracht. Und so muss die Arbeit noch einmal von vorne begonnen werden, woran Jan sich voller Enthusiasmus macht. Dabei helfen ihm sein Lehrling und der neu eingestellte Franz, der in der Werkstatt van Eycks vor allen Dingen Botendienste verrichtet und Farben anrührt. Nebenbei versucht er sich als Maler auszubilden, indem er immer wieder die gleiche tote Ratte malt, die seltsamerweise nie verwest und nach einiger Zeit sogar anfängt, mit ihm zu sprechen.

Aus Franz' Perspektive wird diese besondere Geschichte erzählt. Der junge Mann sieht die Bemühungen seines Meisters und beginnt sich gleichzeitig für den Verbleib des ursprünglichen Altars zu interessieren, ein Interesse, das - als es bekannter wird - allerlei unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und so sieht sich Franz bald in einen dunkeln Brunnen geschubst und eingeschlossen, von seltsamen Gestalten verfolgt und von einem Basilisken bedroht, der in der Stadt angeblich schon mehrere Menschen getötet und ihre Körperteile in die Reien geworfen hat. Hierbei werden sich Leserinnen und Leser hinterher die Frage stellen müssen, ob die Einwohner der Stadt nicht wesentlich unruhiger geworden wären - und sie werden schon so reichlich unruhig -, wenn sie gewusst hätten, woher diese Leichenteile wirklich stammen.

Was gibt es noch? Bezüge zu den Templern, einen geheimnisvollen Ring, einen ermordeten Schreiner, dem nach seinem Tod ein Stück vom Finger weggeschnitten wird, einen namenlosen Mönch, einen Mann auf einer Jahrzehnte währenden Rachemission, eine schöne junge Frau und auch sonst genug Stoff, um die Geschichte entweder länger zu erzählen oder auf mehrere Bücher zu verteilen. Und genau das ist das Manko dieses Romans, denn es wird hier versucht, mehrere Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen, die eigentlich nur sehr wenig direkte Berührungspunkte haben, so dass das Lesen hohe Aufmerksamkeit erfordert und man am Ende nicht wirklich befriedigt aus der Lektüre heraus kommt.

Schön sind aber auf jeden Fall die Darstellungen der Lebensumstände im Gent und Brügge des 15. Jahrhunderts, und auch die Ausführungen zur Gestaltung des fraglichen Altars zusammen mit den Abbildungen am Ende des Buches sind durchaus interessant. Und wer immer mal eine kurze Erklärung der Gefährlichkeit der Lehren von Jan Hus haben wollte, wird hier auch gut bedient.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2003)


Heinz Schmitz: "Die falsche Hand"
Emons, 2002. 336 Seiten.
ISBN 3-89705-245-8.
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