"Die Lehren des Rumi"
Weisheiten des Herzens hrsg. von Andrew Harvey



Jalal od-Din Rumi (1207-1273) ist eine einzigartige Erscheinung der Geistesgeschichte - Mystiker, Gelehrter, Sufimeister und Dichter, der sowohl auf religiösem als auch literarischem Gebiet Herausragendes geschaffen hat. Der Stammvater des Mevleviordens der tanzenden Derwische hinterließ uns neben kleineren Prosatexten (Abhandlungen und Briefen) mehr als 1000 Oden und sein Hauptwerk, das mystische Epos "Masnawi".

Der Sufismus ist ein prächtiger Zweig des Islam, der großen Wert auf direkte Gotteserfahrung jenseits jeder Dogmatik und enggefasster Konfession legt, und dabei neben üblichen Methoden wie Gebet und Meditation auch auf unüblichere wie extremes Fasten und - wie schon angedeutet - Musik und Tanz setzt.
Bei Rumi freilich findet die Gotteserfahrung auch im Wort mannigfaltigen und beredten Ausdruck. Mit großer poetischer Kraft beleuchtet er eindrücklich verschiedene Aspekte und Wirkungsweisen Gottes, Stufen
auf dem Weg und Gefahren des sich zu ihm befindlichen Menschen. Wenn er interessante und oft unorthodoxe Kommentare und Interpretationen zu Koran-Stellen, anderen Heiligen-Überlieferungen oder auch Alltagsgeschehnissen abgibt, sprüht ein starker, freier Intellekt, der bei seinen Lesern wohl schon manch überraschende Einsicht ausgelöst haben wird. Hymnisch mit einer stark sinnlichen Metaforik wird er, wenn er beschreibt bzw. feiert, auf welche Arten er selbst das Göttliche erfährt. Seine Grundeinstellung hierbei ist die eines ekstatisch hingebungsvoll Liebenden, dessen Sinnen und Trachten einzig danach geht, ein würdiger Becher göttlichen Weins zu sein, jederzeit göttliche Liebe auszudrücken und weiterzugeben, und der den Schmerz als besten Lehrmeister hierzu ebenso hingebungsvoll willkommen heißt.

Mit diesem knapp 200 Seiten umfassenden Taschenbuch bietet Andrew Harvey eine repräsantive (ausgewogene Mischung aus dem Masnawi, den Oden, Prosa und Berichten des ersten Rumi-Biografen Aflaki) wie übersichtliche Auswahl aus dem Schaffen Rumis - wenn die Texte auch bedauerlicherweise eine Weiterübersetzung aus dem Englischen sind (eine grobe Unsitte), eignen sie sich desungeacht bestens für ein erstes Kennenlernen dieses großen Mystikers.

(stro)


Andrew Harvey: "Die Lehren des Rumi. Weisheiten des Herzens"
dtv, 2001. 185 Seiten.
ca. EUR 9,50. Buch bestellen

Ergänzende Literatur:

Annemarie Schimmel: "Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik"
Die wandernden und tanzenden Derwische sind die augenfälligsten Vertreter des Sufismus, der sich im 8. Jahrhundert aus islamischen Wurzeln entwickelte und bis heute in zum Teil international organisierten Orden und Bruderschaften fortlebt. Annemarie Schimmel führt in die zentralen Begriffe der islamischen Mystik ein und schreitet die Stationen der Sufis auf ihrem Weg zu mystischer Gottesliebe und Gotteserkenntnis ab. Sie stellt die bedeutendsten Sufi-Heiligen sowie die wichtigsten Werke der klassischen Sufiliteratur vor und eröffnet ungeahnte Einblicke in die faszinierende Welt des Sufismus. (C.H. Beck)
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Ulrich Holbein: "Dies Meer hat keine Ufer. Sufi-Weisheiten"
Seit mehr als eintausend Jahren wird jeder offizielle Islam von mystischen Dimensionen durchströmt, verfeinert, vertieft, abgewandelt, auch unterlaufen. Merkwürdige Derwische, Scheiche, Asketen, mystische Dichter, Ekstatiker, Qalandare (Wanderderwische), Theologen, Denker und Ketzer trugen zwischen 800 und 1300 n. Chr. zur Blütezeit des Islam bei. Von sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten wurden Anekdoten, Biografien, Aussprüche, Verse überliefert, hier nach Themengruppen sortiert und pro Kapitel chronologisch dargeboten. Ausgegraben aus vergriffenen, abgelegenen Quellen, zusammengetragen, großenteils neu übersetzt bis nachgedichtet, vieles erstmals auf Deutsch, mit ausführlichem Nachwort, Namensindex, Tabelle persisch-arabischer Fachausdrücke, Literaturverzeichnis. (Marixverlag)
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