Arundhati Roy: "Die Politik der Macht"


Eine Sammlung der politischen Essays der indischen Erfolgsautorin Arundhati Roy - unter Anderem mit ihren viel diskutierten Beiträgen zu den Ereignissen in New York und Afghanistan

Nach dem Welterfolg ihres Romandebüts "Der Gott der kleinen Dinge" widmet sich die am 24. November 1961 geborene Arundhati Roy zwei Themen der Politik, die ihr als engagierter Autorin am Herzen liegen: dem umstrittenen Narmada-Staudamm im indischen Bundesstaat Gujarat, einem gigantischen Projekt mit verheerenden humanitären und ökologischen Folgen, und den indischen Atombombenversuchen, die zu einer neuen Eskalation des Grenzkonflikts mit Pakistan geführt haben.

In Deutschland wuchs Arundhati Roys Bekanntheit nach den Ereignissen in den USA am 11. September 2001, weil die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("Ein Kontinent brennt - Warum der Terrorismus nur ein Symptom ist"; "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 28.09.2001) und der "Spiegel" ("Krieg ist Frieden" - die indische Schriftstellerin Arundhati Roy nennt den amerikanischen Bombenkrieg 'nur einen weiteren terroristischen Akt'") zwei Essays der indischen Autorin druckten, die bei der Leserschaft auf Zustimmung stießen.

In "Die Politik der Macht" thematisiert Arundhati Roy die Privatisierung der Indischen Energiewirtschaft. In einer Reihe von Essays stellt sie ebenso die Maßnahmen der Regierung Bush im Rahmen der Terrorbekämpfung  in Frage und kritisiert das Vorgehen in Afghanistan. Arundhati Roy will aufrütteln, zum friedlichen Widerstand veranlassen.
Zimperlich ist sie dabei mitunter nicht, wenn es um Richtigkeit und Vollständigkeit der Darstellung von Fakten oder auch um Formulierungen geht - als Beispiel sei eine Passage zitiert: "Die Millionen zwangsumgesiedelter Menschen existieren nicht mehr ... Zugegeben, sie werden nicht umgebracht oder in Gaskammern geschickt, aber ihre Unterbringung ist schlimmer als in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches."
Ein wahrlich entgleister Vergleich.

Fazit:
Überwiegend stilistisch brillant, büßt "Die Politik der Macht" durch manch inhaltliche Unschärfe an Glaubwürdigkeit bzw. durch unglückliche Bezugssysteme an Sympathie ein und wirkt stellenweise nicht konstruktiv, sondern fanatisch, was angesichts der Brisanz und Aktualität der Themen (Globalisierung, entfesselter Kapitalismus, Machtmissbrauch, Ausbeutung, Unterdrückung, Menschenrechte,...) bedauerlich ist.
Andererseits sind Essays per definitionem Abhandlungen, die eine literarische oder wissenschaftliche Frage in knapper und anspruchsvoller Form behandeln - und pointierte Aussagen beleben bekanntlich die Sinne.

"Wer weiß, vielleicht ist es das, was das 21. Jahrhundert für uns auf Lager hat: die Demontage des Großen. Großer Bomben, großer Staudämme, großer Ideologien, großer Widersprüche, großer Länder, großer Kriege, großer Helden, großer Fehler. Vielleicht wird es das Jahrhundert der kleinen Dinge sein. Vielleicht macht sich gerade jetzt, in diesem Augenblick, droben im Himmel der kleine Gott für uns bereit."

(sandammeer)


Arundhati Roy: "Die Politik der Macht"
Übersetzt von Wolfram Ströle, Mihr VerlagsService, Mathias Fienbork.
btb/Goldmann, 2002. 158 Seiten.
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"Aus der Werkstatt der Demokratie"

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Mit einem Vorwort von Naomi Klein.
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