Leonardo Padura: "Labyrinth der Masken"

Dieser Roman ist der dritte Band von Paduras "Havanna-Quartett", das die vier Jahreszeiten in der kubanischen Hauptstadt aus kriminalistisch-narrativer Sicht beleuchten soll.


In "Labyrinth der Masken" bietet der Sommer die Bühne. Wie in den beiden ersten Bänden ("Ein perfektes Leben", "Handel der Gefühle") der Reihe steht auch hier der Teniente Mario Conde im Mittelpunkt der Geschehnisse.
Nach einem emotionalen Einstieg in die Atmosphäre des sommerlichen Havanna und die traurigen Erinnerungen an eine wesentlich sorgenfreiere Jugend begibt sich der zur Schreibtischarbeit verurteilte Mario Conde wieder an seine Arbeit, nur um dort einige ungewöhnliche Veränderungen wahrzunehmen. Einige der Kollegen sind verschwunden, und auch die Vorzimmerdame seines Chefs wurde ausgetauscht. Außerdem bietet ihm sein Chef zu seinem Leidwesen keinen guten Kaffee mehr an - dafür aber einen Fall, der ihn auf Grund des Personalmangels vom Schreibtisch zurück auf die Straße bringen soll.

Im Stadtpark wurde in Flussnähe die Leiche eines jungen Transvestiten gefunden, und diese weist einige Auffälligkeiten auf. So hat sich der Ermordete, obwohl er mit einem Schal erwürgt wurde, offensichtlich nicht gegen den Täter gewehrt. Darüber hinaus scheint dieser Transvestit nur ausnahmsweise in Frauenkleidern unterwegs gewesen zu sein und dies ausgerechnet am sechsten August - dem katholischen Feiertag der Verklärung Jesu. Und im seinem After finden sich zwei Pesostücke, obwohl eine sexuelle Handlung nicht nachweisbar ist.

Wie die meisten Kubaner entschieden homophob, muss sich Mario Conde nun mit einem Teil der kubanischen Welt auseinander setzen, der ihm fremd und bedrohlich erscheint und darum zunächst gewaltige Aggressionen in ihm hervorruft. So fesselt ihn vorerst nur die Aussicht auf die Rückkehr an seinen Schreibtisch wirklich an den Fall. Doch im Zuge seiner Ermittlungen erfährt er eine Menge über die homosexuelle Kultur und Transvestiten und ist gegen seinen Willen davon fasziniert. Dies führt jedoch nicht - wie man eventuell erwarten würde - zu einer "Bekehrung", aber immerhin zu einer liebevollen Akzeptanz einer anderen Form der Lebensführung.
Daneben gibt es durch den Mordfall Alexis Arayán auch Bezüge zur literarischen Szene Kubas und dabei speziell zu einem Autor, der in den 1970er Jahren als nicht ausreichend systemkonform galt, eine Erfahrung, die er mit El Conde teilt, der als Redakteur einer Schülerzeitung dem gleichen Urteil unterworfen wurde und seitdem keine Geschichte mehr geschrieben hat. In "Labyrinth der Masken" kommt er wieder darauf zurück, was dem Leser nebenbei noch den Genuss einer ziemlich netten Kriminalkurzgeschichte beschert.

Neben der schönen und interessanten Geschichte, die auch atmosphärisch und philosophisch sehr dicht ist, liefert diese Ausgabe auch eine Kurzbiografie Leonardo Paduras, eine Bibliografie und einen kurzen Essay, in dem sich Thomas Wörtche mit dem Inhalt dieser Geschichte auseinander setzt. Das ist zwar auch interessant, aber nach Meinung des Rezensenten ist die Geschichte angenehmer, wenn man sie ohne das Nachwort genießt, denn manchmal nimmt einem zu viel Information ein wenig den Zauber.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2005)


Leonardo Padura: "Labyrinth der Masken"
(Originaltitel "Máscaras")
Aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Hartstein.
Unionsverlag, 2005. 270 Seiten.
ISBN 3-293-00323-0.
ca. EUR 20,50.

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Leonardo Padura, geboren 1955 in Havanna, schloss 1980 ein Lateinamerikanistik-Studium in Havanna ab und schrieb zunächst für verschiedene kubanische Zeitschriften. Bald gehörten seine Reportagen zu den meistgelesenen in Kuba. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen Romane, Erzählbände, literaturwissenschaftliche Studien sowie Reportagen und Interviews. International bekannt wurde er mit seinem Kriminalromanzyklus "Das Havanna-Quartett". Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt er den Premio Café de Gijón sowie zweimal den spanischen Premio Hammett.

Weitere Bücher des Autors:

"Ein perfektes Leben" (Winter)

Teniente Mario Conde hat noch einen furchtbaren Kater von der Silvesterfeier. Doch als er trotz freien Wochenendes von seinem Chef den Auftrag erhält, ein verschwundenes hohes Tier aus der kubanischen Nomenklatura zu suchen, merkt er bald, dass es sich bei dem Verschwundenen um Rafael Morín handelt, einen Schulkollegen.
Schlagartig kommen die Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit zurück: Der Mann mit der blütenweißen Weste, der zuverlässige Genosse, war schon damals ein Musterschüler, der immer das bekam, was er wollte - auch Mario Condes Freundin Tamara. Aber in Rafael Moríns perfektem Leben gibt es ein paar verdächtige Momente, die genauer zu untersuchen sich lohnt. Dabei muss sich Mario Conde der verlorenen Liebe zu Tamara stellen - und gleichzeitig den Träumen und Illusionen seiner eigenen Generation. (Unionsverlag)
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"Handel der Gefühle" (Frühling)

Ein trockener, heißer Frühlingssturm fegt durch die Straßen, als Teniente Mario Conde der schönen Karina bei einer Autopanne hilft. Karina ist Jazzfan und spielt außerdem Saxofon - und Mario Conde verliebt sich augenblicklich in sie. Doch da wird er mit einer heiklen Untersuchung beauftragt: Eine junge Chemielehrerin von seiner ehemaligen Schule ist ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden worden, in der auch Spuren von Marihuana entdeckt werden. Nicht nur beim Parteikader, sondern auch im Bildungswesen ist die Kriminalität alltäglich geworden; Vetternwirtschaft, Drogenhandel und Betrug blühen. (Unionsverlag)
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"Das Meer der Illusionen" (Herbst)

In einer Herbstnacht am Chivo-Strand in Havanna entdecken Fischer eine brutal verstümmelte Leiche. Der Tote ist Miguel Forcade Mier, der nach der Revolution mit der Enteignung des Kunstbesitzes der kubanischen Bourgeoisie beauftragt war, ein Mann von enormem Einfluss und mit zahllosen Feinden. 1978 war er nach Miami ins Exil gegangen. Kurz vor seiner Ermordung kehrte er nach Kuba zurück, offenbar auf der Suche nach etwas äußerst Wertvollem, von dem nur er Kenntnis hatte. Die Ermittlungen werfen Mario Conde aus der Bahn. Kurz vor seinem sechsunddreißigsten Geburtstag fühlt er, dass ein Abschnitt seines Lebens zu Ende geht und er eine unwiderrufliche Entscheidung treffen muss. (Unionsverlag)
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