Leonardo Padura: "Handel der Gefühle"

Das Havanna-Quartett: "Frühling"


"Handel der Gefühle" lautet der Titel des zweiten Bandes von Paduras Havanna-Quartett.
Mario Conde wird zu einem überaus unangenehmen Fall gerufen. Eine junge - und anscheinend sehr beliebte - Chemielehrerin des Gymnasiums, an dem auch El Conde einst seinen Abschluss gemacht hat, wird vergewaltigt und ermordet in ihrer Wohnung vorgefunden. Neben Resten von Marihuana im Bad finden sich in den Schränken ihrer kleinen Wohnung auch viele Kleider, die nicht aus kubanischer Herstellung zu stammen scheinen, und auch sonst einige ungewöhnliche Erwerbungen. In der Wohnung scheint eine Fete stattgefunden zu haben, die wohl irgendwie aus dem Ruder gelaufen ist.

Kurz darauf begegnet El Conde der jungen Karina, einer Saxofon-Spielerin, an deren Wagen er mehr schlecht als recht einen Reifen wechselt, woraus schnell Einiges mehr entspringt als zuvor, so dass Mario Conde zum ersten Mal, seit die Leser ihm begegnet sind, zufrieden mit seinem Leben sein kann und nicht alles wieder kaputt denkt, was ihm eigentlich Freude bereiten könnte. Dazu kommt noch am gleichen Tag ein wunderbares Essen bei seinem Freund, dem "dünnen" Carlo und dessen Mutter Josefina, so dass er wirklich zu Beginn seiner Ermittlungsarbeit auf allen Wolken schwebt.

Diese Ermittlungen führen ihn aber schnell wieder an einen inneren Ort zurück, der seiner Stimmung wenig zuträglich ist, und er beginnt durch die Auseinandersetzung mit der Situation an seiner alten Schule immer mehr in Depressionen über den Verlauf seines Lebens zu versinken. Nur die gelegentlichen Treffen mit Karina können ihn aufheitern, doch gerade, als seine Ermittlungen in eine heiße Phase eintreten und er mit einem Kollegen vom Amt richtig Ärger anfängt, ist die junge Frau aus ungeklärten Gründen plötzlich verschwunden, und es gelingt ihm neben allen anderen Problemen nicht, wieder Kontakt mit ihr aufzunehmen. Und so beginnt Teniente Mario Condes private - wie auch seine professionelle - Welt immer mehr in ein deprimierendes Chaos zu versinken, bis es schließlich zu einer dringend notwendigen Explosion kommt.

Dieser Roman ist wesentlich emotionaler als der erste Teil dieses Quartetts und zeigt sehr deutlich die Probleme des Machismo, mit dem Mario auf Kuba in seinem Viertel aufgewachsen ist. Außerdem erfährt man eine ganze Menge über seine familiäre Herkunft und wird dadurch besser in die psychologischen Hintergründe dieser Figur eingeführt.

In einem kleinen Aufsatz am Ende dieses Bandes wird von Noemi Madero von der Universidad de la Habana Einiges über das gesamte Havanna-Quartett gesagt. Leser, die sich vom weiteren Verlauf der Geschichte überraschen lassen wollen, sollten diesen Aufsatz aber auslassen, besonders, da es schon deutliche Hinweise auf Opfer und Täter in den Folgebänden gibt. Dass die Tetralogie komplett im Jahr 1989 vorlag, und welche Bedeutung das für die sozialistische Welt und damit auch für Kuba hat, kann ein halbwegs gebildeter Mensch auch ohne diesen Aufsatz sicherlich verstehen.

Sprachlich ist "Handel der Gefühle" - nicht zuletzt auch Dank der gelungenen Übersetzung - ebenfalls wieder ein Genuss und eignet sich darum beinahe besser zum Vorlesen als zum Selbstlesen. Bei gedämpftem Licht, mit nettem Rum und zu zweit mit ruhiger lateinamerikanischer Musik kann man so sicherlich ein oder zwei wunderbare Abende verleben.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2005)


Leonardo Padura: "Handel der Gefühle"
(Originaltitel "Vientos de cuaresma")
Aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Hartstein.
Unionsverlag, 2004. 254 Seiten.
ISBN 3-293-00322-2.
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