Siegfried Obermeier: "Sappho"


Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben.

Sappho wird im siebenten vorchristlichen Jahrhundert auf der Ägäisinsel Lesbos in eine Familie hineingeboren, die auch Mädchen eine gewisse Bildung zukommen lässt. So ist es ihr gestattet, am Unterricht ihrer Brüder teilzunehmen, und dadurch regt sich bereits früh ihr Interesse für Dichtung. Unter Anleitung ihrer Lehrerin Abanthis erweitert Sappho nicht nur ihren musikalischen, dichterischen und tänzerischen Horizont, sondern sie erkennt auch ihre Verbundenheit mit der Göttin Aphrodite. Als die Zeit ihrer Verheiratung gekommen ist, die nach Landessitte von den Eltern arrangiert wird, führt sie ein letztes Gespräch mit Abanthis. Diese lässt Sappho nicht unvorbereitet in die Ehe gehen und erspart ihr damit ein lustloses Leben an der Seite eines Gatten, der die Frau des Hauses in erster Linie als Mutter und Hausfrau sieht. Ihre Ehe verläuft enttäuschend, und als eines Tages ihr Gatte verschwindet, lebt sie fortan als Witwe. Von der Muse Erato geleitet, tritt sie den Beweis an, dass Dichtung auch Frauensache ist und wird bereits zu Lebzeiten weit über ihre Heimat hinaus berühmt. Teilweise geht das Leben ziemlich rau mit ihr um. Die ganze Familie wird verbannt, und Sappho lebt gemeinsam mit ihrer Tochter einige Zeit bei Verwandten. Als die Familie begnadigt wird, kehrt sie in die Heimat zurück und eröffnet eine Schule für Mädchen. Sappho vertritt die Ansicht, dass Mädchen ebenso auf den Ehestand vorbereitet werden sollen, wie dies für Burschen seit jeher geschieht und durch einen Mentor vollzogen wird.

Mit der Gründung ihrer Schule revolutioniert sie das ganze Bildungssystem, was nicht nur Befürworter findet. Doch Sappho lässt sich nicht beirren, und so steht neben Lesen, Schreiben, Rechnen und Geschichte vor allem die Vorbereitung auf das Erwachsenendasein - auch in sexueller Hinsicht - auf dem Stundenplan. Sappho schafft es, das Frauenbild ihrer Zeit zu revolutionieren und tritt als Mentorin der Mädchen auf. Die Schülerinnen werden zu selbstständigen Frauen erzogen, die ihren Männern gute Gefährtinnen in jeglicher Hinsicht sein können und dabei selbst nicht zu kurz kommen. Durch derart intensive Erziehung entwickeln sich immer wieder tiefe Bindungen zu einzelnen Schülerinnen, die weit über das Lehrer-Schüler-Verhältnis hinausgehen. Gefühlen dieser Art gibt Sappho in ihrer Dichtung Ausdruck und so erfahren wir von Liebe, Leidenschaft, Sehnsucht, Wehmut und Hingabe. Doch trotz all ihrer Toleranz und Fortschrittlichkeit verwehrt sie ihrem Bruder die Zustimmung, eine Hetäre (eine Art Nobelprostituierte) zu seiner Frau zu machen und damit den Ruf ihrer Familie zu schädigen. Als ihr Bruder ihrem Rat folgt und ein von ihr ausgewähltes Mädchen ehelicht, entwickelt sich zwischen Sappho und der ehemals Geliebten ihres Bruders eine Freundschaft, die ihr oft Kritik einbringt.

Dieser spannende Roman zeichnet das Bild einer feinfühligen Frau und Dichterin, die es sich zur Aufgabe macht, das Frauenbild der Antike mit Herz und Geduld positiv zu verändern ohne das Männerbild zu beschneiden. Ihr Nachruhm in der gesamten griechischen Welt trug ihr letztendlich den Titel der zehnten Muse ein. Eine bemerkenswerte Frau, deren Geschichte auch heute zu faszinieren vermag.

(margarete; 12/2003)


Siegfried Obermeier: "Sappho"
Gebundene Ausgabe:
Nymphenburger, 2001. 446 Seiten.
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Taschenbuch:
dtv, 2003. 446 Seiten.
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Siegfried Obermeier wurde 1936 in München geboren. Er war Redakteur der Kunstzeitschrift "Artis", arbeitete am großen "Meyers Lexikon" mit, schrieb Erzählungen, Essays, Glossen und veröffentlichte rund dreißig Romane und Sachbücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Historische Themen und Biografien bilden den Hintergrund für die sorgfältig recherchierten Werke.

Ergänzende Buchtipps:

Zuallererst wären natürlich die Verse der Dichterin selbst zu empfehlen:
"Strophen und Verse. Sappho"

Herausgegeben und übersetzt von Joachim Schickel.
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Michael Schroeder: "Sappho von Lesbos"
Porträt eines geheimnisvollen Lebens vor 2500 Jahren - nachgezeichnet und nachempfunden
Recht wenig weiß man über sie, denn schließlich lebte die frühgriechische Lyrikerin Sappho von Lesbos vor über zweieinhalb Jahrtausenden. Zahlreiche Biografen haben versucht, Sapphos Leben zu erfassen, berichten unter anderem von ihrem Frauenkreis, von ihrer Fahrt ins Exil nach Sizilien ...
Michael Schroeder rekonstruiert, wie alles gewesen sein könnte: Wie verlief denn diese Kreuzfahrt durchs Mittelmeer? Wie lange dauerte sie? Was mag damals in Sappho vorgegangen sein?
Seine Biografie der Sappho von Lesbos ist eine ungewöhnliche Betrachtung, ein spannendes Lebensbild der ersten Dichterin Europas - so fantasievoll wie nötig und so quellengetreu wie nur möglich. (Patmos)
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Und auch einige weitere historische Romane von Siegfried Obermeier:
"... und baute ihr einen Tempel"

Ägypten unter Ramses II. (1279-1212 v. Chr.). Das Land am Nil erlebt seine größte politische und kulturelle Blüte. Gottgleich regiert der "Sohn des Lichts" das Reich und lässt gewaltige Tempel und Paläste errichten, die alles Bisherige in den Schatten stellen. Sich selbst feiert er in unzähligen Monumentalstatuen, Reliefs und Inschriften. Nur eine seiner vielen Frauen darf neben ihm repräsentieren: Nefertari, die Große Königsgemahlin. Ihr zu Ehren soll sein hochgeschätzter erster Baumeister Piay einen Tempel im Süden Ägyptens erbauen, ein steinernes Denkmal für die Ewigkeit. Und Ramses’ Wunsch ist es, dass Merit-Amun, die älteste Tochter des Pharaonenpaars, Piays Arbeit dort überwacht. Aus dieser Begegnung erwächst eine ebenso leidenschaftliche wie hoffnungslose Liebe zwischen Piay und der Sonnentochter. Allein die Augen zu ihr zu erheben, ist Gotteslästerung, wieviel mehr noch, sie zu berühren. Mit jedem Meißelschlag hämmert Piay ihren Namen in den Stein der königlichen Statuen von Abu Simbel, weiht ihn so im stillen der Geliebten. Niemand darf von dieser Liebe erfahren. Doch Missgunst und Intrigantentum herrschen unter den machtbesessenen ägyptischen Würdenträgern und Hohepriestern.
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"Caligula"
"Caligula", das Stiefelchen, wird er genannt, weil er als Dreijähriger mit großen Soldatenstiefeln im Feldlager seiner Vaters herumstolziert war, und als jüngster Sohn des Germanicus hat er nur mit viel Glück die zahllosen Intrigen und Mordanschläge überlebt, denen seine sämtlichen Verwandten zum Opfer gefallen sind. Jetzt, nach dem Tod seiner Beschützerin, der Kaiserinmutter, scheint sein Schicksal besiegelt. Doch der 17jährige Enkel des Kaisers geht nach Capri und schmeichelt sich bei Tiberius ein. Nach und nach macht der misstrauische alte Mann sich mit dem Gedanken vertraut, sein Enkel könnte sein Nachfolger werden.
Endlich, im März des Jahres 37, ist es soweit: Der beinahe Achtzigjährige stirbt (wobei Caligula etwas nachhilft), und Gaius Julius Caesar Germanicus lässt sich zum Gottkaiser ausrufen. Es beginnt die Herrschaft des Lasters, der Folter und grausamer Morde, bis Caligula vier Jahre später einer Verschwörung zum Opfer fällt, die in seiner nächsten Umgebung entsteht.
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"Richard Löwenherz"
Größe und Heldentum einer jugendlich-starken, aber auch rücksichtslosen Epoche spiegelt sich in der legendären Figur des Richard Löwenherz. Viele Jahrhunderte haben den Eindruck, den dieser verwegene, von Unrast getriebene, großherzige und listenreiche König von England auf seine Zeitgenossen machte, nicht auslöschen können.
Siegfried Obermeier vergegenwärtigt in diesem spannenden Buch einen außergewöhnlichen Menschen des europäischen Mittelalters, faszinierend als Charakter, typisch als Vertreter seines Jahrhunderts, der Legende geworden ist.
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"Die Geschichte des Judas"
War Judas wirklich der Mann, der Christus für dreißig Silberlinge verriet und sich danach das Leben nahm? Falls ja, von wem stammt dann dieser Nachlass, dessen Echtheit Siegfried Obermeier im Epilog minutiös nachweist? Nehmen wir trotzdem einmal an, es handelt sich tatsächlich um die Autobiografie des wohl berühmtesten Verräters des Abendlandes. Gemäß dieser hat sich Judas keineswegs das Leben genommen. Wohl zog er in jungen Jahren mit Jesus durch Galiläa und Judäa, doch nach dessen Kreuzestod führt er ein ungebundenes Leben in fremden Ländern und wird zum weitgereisten Historiografen. Er erlebt Athen in kulturellem Glanz und sprühender Lebendigkeit, bildet sich in Alexandria weiter und findet in Ägypten in der Sklavin Susanna die Frau seines Lebens. Schließlich kommt er auf seiner Wanderschaft auch in die Hauptstadt des römischen Weltreiches. Doch das Leben dort wird getrübt von den Wahnsinnstaten des Kaisers Nero.
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"Messalina. Die lasterhafte Kaiserin"
Messalina war süchtig nach Leben, ihre Ausschweifungen in Rom bald in aller Munde. Niemand war sicher vor ihren geschickten, oft tödlichen Intrigen. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit mit Claudius wird der blutrünstige Kaiser Caligula ermordet und ihr Gatte auf den Kaiserthron gehoben. Sie scheint auf dem Höhepunkt ihrer Macht, doch ihre skrupellosen Launen treiben sie immer weiter.
Siegfried Obermeier gelingt es, Messalinas leidenschaftliches Naturell aus ihrer Zeit heraus packend und lebendig zu schildern. Er erzählt von dem prallen, lasterhaften Leben des römischen Weltreichs und zeigt, dass die Faszination des Bösen zu allen Zeiten lebendig war. zur Rezension
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"Das geheime Tagebuch König Ludwigs II. von Bayern"
Ludwig war ein empfindsamer Gefühlsmensch und hat sich bei seinen Äußerungen in Wort und Schrift keinerlei Zwang auferlegt. Allerdings, so rückhaltlos er seine Gefühle in Briefen offenbarte, so wenig verraten sie über seine sexuellen Probleme. Doch auch diese intimsten Empfindungen behielt er nicht für sich, er vertraute sie einem "Tagebuch" an. Es ist ein erschütterndes Dokument über seinen Kampf gegen seine Homosexualität und eine einzige Kette von Selbstvorwürfen, Schwüren, Vorsätzen, Beteuerungen, Gebeten und Anrufungen.
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