Amélie Nothomb: "Attentat"


Amélie Nothomb wuchs als Tochter eines belgischen Diplomaten auf. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Japan und China. Seit sie mit dem Schreiben angefangen hat, kommt es selten vor, dass ihr jeweiliges neues Buch nicht sofort an die Spitze der Verkaufsranglisten in Frankreich saust.
Amélie Nothomb lebt heute in Paris und legt mit großer Regelmäßigkeit fast jedes Jahr ein neues Buch vor in einer Art, wie nur sie es zu schreiben in der Lage ist. Immer wieder verbindet sie die Geschichten und Lebensgeschichten ihrer Protagonisten mit ihrer Kindheits- und Jugendheimat Japan.

Auch in ihrem Roman "Attentat" spitzt sich die Handlung des Buches dramatisch zu, als sich die männliche Hauptfigur einige Tage in einer japanischen Stadt aufhält.
Epiphane heißt dieser Protagonist. Da sich seine Eltern nicht auf einen der Vornamen der drei Weisen aus dem Morgenland einigen konnten, gaben sie ihm den Namen Epiphane. Vielleicht hatten sie damals auch Hoffnungen in Bezug auf die äußere "Erscheinung" ihres Sohnes, doch die sollten sich bald auf das Schrecklichste zerschlagen. Epiphane war ein so hässliches und ungestaltes Kind, dass er schon bald den Spitznamen "Quasimodo" erhielt. Allerdings war diese Figur Victor Hugos eine angenehme Erscheinung im Vergleich mit Epiphanes Äußerem, so beschreibt er es selbst als Ich-Erzähler.

Mit elf Jahren, nach etlichen autoerotischen Versuchen, beschließt er, dass einem so hässlichen Menschen wie ihm so etwas wie Sexualität nicht zusteht. Er kommt in den Genuss einer großen Erbschaft, doch 1996, er ist gerade 29 Jahre alt, ist das Geld aufgebraucht, und er muss sich eine Arbeit suchen. Niemand will einen derart hässlichen und unansehnlichen, für viele regelrecht ekelerregenden Menschen ("... die müssten mich erst mal nackt sehen!") auch nur für die geringste unqualifizierte Tätigkeit einstellen.
Da entdeckt er eine Kleinanzeige, in der für einen "Kunstfilm ein hässlicher Darsteller gesucht" wird. Er bewirbt sich, stellt sich vor und begegnet dabei Ethel, der schönen Hauptdarstellerin eines Films, der sich später als absoluter Flop erweisen wird.

Diese Ethel ist der erste Mensch und erst recht die erste Frau seit Ewigkeiten, der bzw. die nicht auf sein Äußeres reagiert. Epiphane verliebt sich in sie; sie nennt ihn ihren besten Freund. Mit einem Engagement beim Film wird es nichts. Aber mit Ethels Hilfe landet Epiphane einen Coup, der von Amélie Nothomb genial und voll hintergründigem Witz beschrieben wird: Er überzeugt die bekannteste Modellagentur, ihn quasi als Kontrast einzustellen. Durch seine abgrundtiefe Hässlichkeit käme die Schönheit der Mädchen erst richtig zur Geltung, argumentiert er.
In Kürze wird Epiphane berühmt und verdient Riesensummen. Keine Modenschau, keine Veranstaltung ist mehr ohne ihn vorstellbar.

Hier zeigt Amélie Nothomb ihre dialektische Sicht von Schönheit, sie wird sozusagen vollständig dekonstruiert. Was schön ist und was hässlich, verschwimmt.
Epiphane ist mit seinem neuen Leben ganz zufrieden; er beginnt sogar tiefe philosophische Betrachtungen darüber anzustellen, ob das Hässliche quasi genotypisch dem Schönen vorrangig sei, weil das Eine ohne das Andere gar keinen Wert besäße.

Als sich Ethel aber in einen oberflächlichen Künstler verliebt und mit ihm schläft, gerät Epiphane, der sich schon am Ziel seiner Träume wähnte, in eine Krise ...
Wie kann er es anstellen, dass seine Liebe zu Ethel in alle Ewigkeit möglich bleibt ?
Und er findet eine Lösung ...

(Winfried Stanzick)


Amélie Nothomb: "Attentat"
(Originaltitel "Attentat")
Aus dem Französischen von Wolfgang Krege.
Diogenes.
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Ein weiteres Buch der Autorin:

"So etwas wie ein Leben"
Melvin Mapple ist ein übergewichtiger Soldat und kämpft um "so etwas wie ein Leben". Im Briefwechsel mit Amélie Nothomb fühlt er sich wieder als Mensch. Doch auf einmal lässt er nichts mehr von sich hören - ist er verletzt oder gar gefallen?
Amélie Nothomb erhält täglich Dutzende von Briefen, doch Feldpost aus Bagdad war noch nie dabei. US-Soldat Melvin Mapple erzählt ihr, mit welchen Tricks er und seine Kameraden das Grauen zu überleben versuchen. Wenn ihn nachts seine Geliebte besucht, geht es ihm kurzfristig besser, doch das Elend seines Daseins mindert sie nicht. Eine Schriftstellerin weiß: Kunst verleiht Sinn. Amélie schlägt Melvin vor, mit einer Kunstaktion gegen den Krieg zu protestieren. Der Soldat ist begeistert - doch plötzlich bricht der Briefkontakt ab, Melvin Mapple ist verschollen.
Amélie macht sich auf die Suche nach ihm und stellt erstaunt fest, dass sie in  einen Hinterhalt geraten ist. (Diogenes)
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