Magdalen Nabb: "Nachtblüten"

Guarnaccias zwölfter Fall
(Kriminalhörspielrezension)


"Mitten aus dem Quell der Freude, steigt ein bitterer Geschmack auf, an dem wir ersticken, selbst im schönsten Blumenduft."

Magdalen Nabbs Krimis liefern bekanntlich nicht nur spannende Lektüre, sondern sind - wie Donna Leons Bücher (diese für Venedig) - aufgrund detailfreudiger Schilderungen und intensiver Recherchen der Autorin überdies als der Orientierung vor Ort dienliche Touristenführer verwendbar. Die Kriminalromane aus der Feder Magdalen Nabbs sind allerdings niemals vorrangig derart blutrünstig wie beispielsweise jene von Karin Slaughter; sie widmen sich in eher gemäßigtem Tempo der Aufklärung einzelner Verbrechen, vergleichbar mit den Episoden des Fernsehermittlers "Columbo", und Nabbs Protagonist wird bisweilen mit Georges Simenons "Maigret" verglichen.
Die Autorin wurde am 16. Jänner 1947 in Church (Lancashire) geboren. Sie arbeitete als Lehrerin und Keramikerin. In Manchester hatte sie an der Kunsthochschule studiert und dann angefangen zu schreiben. Ihren ersten Krimi ("Tod eines Engländers") verfasste sie im Jahr 1981.

Ein brütend heißer Sommer in Florenz
Maresciallo Salvatore Guarnaccia, der brummige, einen schwerfälligen Eindruck machende Polizeibeamte mit dem goldenen Herz, ohnedies infolge von Ermittlungen im Zusammenhang mit albanischen Prostituierten überlastet, wird von Sara Hirsch, einer alten jüdischen Dame, die sich bedroht fühlt und ihn um Schutz und Hilfe ersucht, in seinem Büro im Palazzo Pitti angesprochen: Wiederholt sei jemand in ihre Wohnung eingedrungen, während sie ausgegangen war und habe auch ein Küchenmesser herausgelegt. Überdies sei ihr ein Drohbrief ungefähr folgenden Inhaltes zugegangen: "Da wir nun wissen, wo Sie wohnen, werden wir Ihnen einen Besuch abstatten. Und dann haben Sie nichts zu lachen."
Guarnaccia führt die Schilderungen der Dame überwiegend auf deren blühende Fantasie zurück, vermutet allerhöchstens einen Hausherrn, der die Altmieterin vertreiben möchte, als Drahtzieher der Ereignisse. Er vertröstet die Verängstigte auf den nächsten Tag, rät ihr, einen Rechtsanwalt zu konsultieren und lässt die Sache damit vorerst auf sich beruhen.
Freilich müssen der Maresciallo und sein Vorgesetzter, Capitano Maestrangelo, am folgenden Tag anderen beruflichen Pflichten nachkommen: Aus der Villa des englischen Kunstsammlers Sir Christopher Wrothesly wurden silberne Haarbürsten gestohlen ...

Eine fatale Fehleinschätzung der Prioritäten seitens der Polizeibeamten, wie sich rasch herausstellt, denn Sara Hirsch wird zuhause in ihrem eigenen Blut liegend tot aufgefunden. Maresciallo Guarnaccia beginnt, von Gewissensbissen geplagt, mit schweißtreibenden (schließlich spielt der Krimi mitten im Sommer) Ermittlungen und bringt langsam aber sicher Licht ins Dunkel eines Netzes von vorerst undurchsichtigen Beziehungen, deren Ursprung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu finden ist. Die anfangs unübersichtlich verlaufenden Erhebungen betreffen betuchte Herrschaften, nach und nach entwirrt der behäbige Ermittler, gesprochen von Thomas Thieme, die Fäden. Es geht um die ausständige Rückgabe von während der Nazizeit geraubten Kunstwerken, der Maresciallo rekonstruiert Lebenslauf und Stammbaum der ermordeten Sara Hirsch, die in jungen Jahren vor den Nazis geflohen war.
Ein weiterer Todesfall ereignet sich: Diesmal ist es Sir Christopher Wrothesly, der aus dem Leben geschieden ist. Aus seiner Sammlung waren mehrmals Gemälde gestohlen worden. Klebt etwa an den Händen eines Bediensteten des Verblichenen Blut? Ist womöglich ein aus Albanien stammender Einwanderer ein Dieb und Mörder? Wie hängen ein wertvolles Seerosengemälde von Monet und der Mord an Sara Hirsch zusammen? Welche Verbindung bestand zwischen der Ermordeten und dem Kunstsammler? Wer profitiert vom Ableben der Beiden?

Fragen über Fragen also, wie es sich für einen ordentlichen Krimi gehört, und ein mehr oder minder offener Schluss garantieren spannende Unterhaltung, und dies sowohl in der Lese- als auch in der Hörfassung, die übrigens nicht mit italienischen Ausdrücken geizt.

(Franka Reineke; 12/2004)


Magdalen Nabb: "Nachtblüten"
(Originaltitel "Some Bitter Taste")
Sprecher: Uta Hallant, Thomas Thieme u.a.
Bearbeitung, Regie: Christoph Dietrich.
Produktion: DeutschlandRadio Berlin.
Der Audio Verlag, 2004. 1 CD; Laufzeit 59 Minuten.
ISBN 3-89813-353-2.
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Magdalen Nabb starb am 18. August 2007 in Florenz. Sie war eine emsige Krimischreiberin, deren Bücher in deutschen Übersetzungen bei Diogenes erschienen sind, darunter:

"Tod im Palazzo"
Mord, Selbstmord oder Unfall? Wenn es in einer der ältesten Adelsfamilien von Florenz einen Toten zu beklagen gibt, kann es nichts Anderes als ein Unfall gewesen sein. Ein Selbstmord würde den Ruf der Familie ruinieren und den Verlust der dringend gebrauchten Versicherungssumme zur Folge haben. Guarnaccia glaubt aber nicht, dass das, was im Palazzo Ulderighi geschehen ist, ein Unfall war ... (Aus dem Englischen von Matthias Fienbork.)
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"Geburtstag in Florenz"
Dass Celia Carter, eine bekannte britische Schriftstellerin, ausgerechnet an ihrem Geburtstag tot in der Badewanne einer Villa in Florenz aufgefunden wird, macht nicht nur ihre Freunde misstrauisch. Auch Maresciallo Guarnaccia glaubt nicht an einen Unfall. Er merkt, dass Celias Mann, der von der Polizei sturzbetrunken im Schlafzimmer entdeckt wurde, Angst hat ... (Aus dem Englischen von Christa E. Seibicke.)
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"Das Ungeheuer von Florenz"
Als Kind war er rundlich, langsam und in sich gekehrt - und das hat sich bis heute kaum geändert. Beim neuesten Auftrag fühlt sich Maresciallo Guarnaccia vollkommen überfordert: Stapel von Unterlagen sollte er studieren, zu acht Mordfällen, die alle demselben voyeuristischen Triebtäter angelastet werden: dem Ungeheuer von Florenz, einem Mann, der Liebespaare nicht nur umbrachte, sondern auch noch ihre Leichen grausam schändete. Der Hauptverdächtige - seit Jahren wegen eines anderen Verbrechens hinter Gitter - muss aus Mangel an Beweisen freigelassen werden. Wird jetzt das Morden weitergehen? Dies zu verhindern sowie Beweismaterial zu suchen ist Aufgabe einer Sonderkommission, der auch der Maresciallo angehört. Dabei quält ihn nicht nur die enorme Verantwortung, sondern auch der Zweifel, ob dieser Mann überhaupt das Ungeheuer ist - eine Frage, die sich Presse und Staatsanwalt überhaupt nicht stellen, sensationslüstern wie sie sind, und die er selbst nicht beantworten kann, solange er nicht alle Unterlagen kennt. Doch wie soll ein gemütlicher Mensch, der auch noch gestohlenen Handtaschen von alten Damen nachrennen und einem Freund bei einem kunsthistorischen Problem behilflich sein muss, wie soll ein Ehemann und Vater, der seine Familie nicht vernachlässigen will, so viel Arbeit bewältigen? Doch ein langsamer Carabiniere kann durchaus ein gewitzter Denker sein. Abseits vom Rampenlicht, ohne die Hilfe der neusten Technologien, verfolgt Maresciallo Guarnaccia überraschende Spuren. (Aus dem Englischen von Silvia Morawetz.) 
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"Cosimo"
Von außen betrachtet sind sie das perfekte Paar: der 46jährige Filippo mit den großen rauchgrauen Augen, der aus einer der besten Florentiner Patrizierfamilien kommt, und die blutjunge, völlig unerfahrene Francesca, schön wie ein Engel von Leonardo da Vinci. Francesca meint ihren Traumprinzen gefunden zu haben, doch kaum verheiratet, kümmert sich Filippo nicht mehr um seine Frau und ist immer häufiger auf Geschäftsreisen im fernen London. Francesca fühlt sich in dem alten Florentiner Haus wie lebendig begraben. Sie gerät nach der Geburt ihres ersten Sohnes, Cosimo, von einer Depression in die andere, was von Filippos Familie nur mit dem Hinweis auf eine Nervenanstalt quittiert wird. Francesca verzweifelt an sich, denn an wem sollte es sonst liegen, dass ihr Mann sich kaum in ihrer Nähe aufhält? Doch eines Tages macht sie eine Entdeckung, die viel erklärt, aber alles noch viel komplizierter macht. (Aus dem Englischen von Ursula Koesters-Roth.)
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"Tod einer Verrückten"
Warum sollte jemand Clementina ermorden wollen, jene liebenswerte Verrückte, die jeder kennt im Florentiner Stadtviertel San Frediano? Wie sie in ihrem abgetragenen Kleid vor sich hin schimpfend immer vor der Bar mit dem Besen herumfuhrwerkte - das war ein allen vertrautes Bild. Erst als Clementina tot ist, wird klar, wie wenig man eigentlich von ihr weiß. Guarnaccia steht ohne einen Hinweis auf ein Tatmotiv da, in der brütenden Augusthitze. Bis er beginnt, Clementinas Vergangenheit zu erkunden und zu den traumatischen Ereignissen vordringt, die das Leben der alten Frau so nachhaltig beeinflussten ... (Aus dem Englischen von Irene Rumler.)
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"Alta moda"
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