Robert Merle: "Noch immer schwelt die Glut"


Teil 1 der Romanfolge "Fortune de France" - die Adelsfamilie Siorac im Jahrhundert der Religionskriege

Robert Merle beginnt in seinem Roman "Noch immer schwelt die Glut" im Jahre 1572, als der Protagonist Jean de Siorac glücklich auf das Schloss seines Vaters im Perigord zurückkehrt, nachdem er als Hugenotte der Schlächterei an den Seinen durch die Katholiken in der Bartholomäusnacht entronnen ist - (siehe Robert Merle "Die gute Stadt Paris"). Zwei Jahre lang bleibt er hinter den schützenden Mauern des väterlichen Schlosses, während in ganz Frankreich die Hugenotten verfolgt werden. Dies ändert sich erst mit dem Tod Karl des IX., als danach sein Bruder als Heinrich der III. den französischen Thron besteigt. Selbst einer Minderheit angehörend - der Regent Frankreichs ist schwul - hat er keine rechte Lust die Hugenotten zu verfolgen, schon gar nicht die Inquisition einzuführen. In dieser Zeit des durch blöden Glaubenseifer angefeuerten Bruderkrieges tritt ein wenig Entspannung ein, und Jean de Siorac wird als Doktor der Medizin und Schüler der berühmten Universität von Montpellier an den Hof des Königs nach Paris gerufen.

An seiner Seite kommt mit ihm seine Frau Angelina nach Paris. Nach vielen Jahren des Wartens wurde es ihm, durch die entspannte politische Lage und durch das Ableben des streng papistischen Eiferers und Beichtvaters von Angelinas Vater, möglich, seine geliebte Angelina an den Traualtar zu führen, obwohl diese Katholikin war. Jean geht seinen Geschäften als Medicus nach, wird in den Stand eines Chevaliers erhoben, und Angelina zieht die gemeinsamen sechs Kinder groß. So ziehen zehn Jahre ins Land, bis sich die politische Lage wieder zuspitzt und eine Liga streng religiöser Eiferer unter der Führung des Prinzen von Guise gegen den König konspiriert.

Jean de Siorac erweist sich, wie schon dazumal sein Vater, als treuer Gefolgsmann seines Königs und macht sich so die Liga zu seinem Feind. Eines Tages bekommt er ein Billet von der Schwester des Guisen, in dem sie ihn bittet, in ihr Palais zu kommen. Sein treuer Diener Miroul, mit einem blauen und einem braunen Auge, rät ihm ab. Als Jean trotzdem zu gehen beschließt, versteckt der Diener ihm einen Dolch nach italienischer Sitte in seinem Rücken. Kurze Zeit später steht Jean de Siorac vor der Prinzessin "Hinkefuß", so genannt, weil sie ein kürzeres Bein hat, was ihrer Schönheit aber keinen Abbruch tut. In einem von der List dirigierten Gespräch versucht jeder von dem anderen Genaueres über die Absichten seines Lagers zu erfahren. Jean gelingt es, die Prinzessin glauben zu machen, er würde seinem König nicht so sehr ergeben sein, wie diese vermute. Und tatsächlich lässt sich die Prinzessin von Guise überzeugen und beschließt ihren Besucher nicht umbringen zu lassen. Statt dessen verlangt die nach Männern so lüsterne Frau, er möge mit ihr den Beischlaf vollziehen, jedoch nur so, dass er sich auf sie lege und sie stumm gewähren lasse. Jean ist sich dessen klar, dass eine Weigerung einem Todesurteil gleich käme, und da die Prinzessin, wie schon erwähnt, auch sehr attraktiv ist, willigt er ein. Während sie sich nun ihrer Lust zügellos hingibt und Jean nicht so recht weiß, was er von dem Ganzen halten soll, sieht er ein Schriftstück ihres Bruders zwischen den Polstern, das als Beweis für dessen Intrigen mit dem spanischen König dient.

Solche und noch mehr Abenteuer muss Jean de Siorac bestehen, um seinem König treu zu dienen. Er geht sogar über den Kanal nach England, um als Geheimagent des 16. Jahrhunderts mit der Königin Elisabeth Geheimverhandlungen zu führen. Das Buch steuert seinem Höhepunkt zu, als der Prinz von Guise dem König von Frankreich immer mehr Terrain abgewinnt, und so die Gefahr eines drohenden Bruderkrieges gegen die Hugenotten immer größer wird. In dieser Stunde größter Not treten die Getreuen des Königs zusammen und planen das Ende des Guisen.

Robert Merle ist ein Meister der Sprache und zugleich ein Historiker, wenn er versucht, sich so genau als möglich an die Tatsachen der Geschichte zu halten. Die Eloquenz seiner Sprache erreicht in diesem Buch nahezu ihren Höhepunkt, denn bedingt durch seine Reife traut er sich dort ordinär und vulgär zu werden, wo es die Sprache der damaligen Zeit sicherlich auch war, behält aber trotzdem die Eleganz seiner Formulierungen bei. Wie in allen neun der bereits in Deutsch im Aufbau-Verlag erschienen Bücher, gelingt es ihm auch in "Noch immer schwelt die Glut" ein lebendiges Bild der damaligen Zeit zu zeichnen, die Spannung zwischen den Lagern der Hugenotten und der Katholiken darzustellen, den religiösen Wahn der Vertreter beider Lager aufzuzeigen, der in nichts anderem als Mord und Totschlag endete, und den Kampf weniger besonnener Zeitgenossen gegen diesen Irrsinn zu schildern. Ein Genuss von der ersten bis zur letzten Seite, der nur noch von der Lektüre in der Originalsprache überboten werden kann.

(Hans-Peter Oberdorfer)


Robert Merle: "Noch immer schwelt die Glut"
Aus dem Französischen von Christel Gersch.
Aufbau-Verlag. 533 Seiten.
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