Liza Marklund: "Nobels Testament"


Der neue Roman von Liza Marklund setzt die Erfolgsgeschichte dieser außergewöhnlichen Kriminalschriftstellerin fort. Wie schon in ihren früheren Büchern verknüpft sie einen genialen Spannungsaufbau mit einer Geschichte, die ihr erlaubt, in guter schwedischer Krimitradition (Sjöwall/Wahlöö, Leif GW Persson u.a.) Degenerationserscheinungen der lange so vorbildlichen schwedischen Demokratie aufzuzeigen.

Der Schauplatz der aktuellen Geschichte ist das berühmte Karolinska-Institut, in dem nicht nur geforscht wird, sondern in dem u.a. die Auswahl für die jährliche Vergabe des Medizin-Nobelpreises getroffen wird. Obwohl alles an dieser außerordentlich spannenden Geschichte erfunden ist, gibt Liza Marklund einen gut recherchierten Einblick in den Wissenschaftsbetrieb, den gnadenlosen Konkurrenzkampf unter Wissenschaftlern um die Fördergelder und die besten Forschungsbedingungen, das gegenseitige Misstrauen, die Sucht nach Erfolg und Anerkennung sowie die extreme Abhängigkeit der Grundlagenforschung von den großen Pharmakonzernen dieser Welt.

Die aus den anderen Büchern bekannte Journalistin Annika Bengtzon, Redakteurin des "Stockholmer Abendblatts", freut sich auf einen schönen Abend: Sie soll einen Bericht von der Verleihung des Medizin-Nobelpreises liefern, der am 10. Dezember im festlich geschmückten Stadthuset in Stockholm dem Preisträger, einem Forscher aus Israel, überreicht wird. Am Ende des Abends tanzt Annika mit einem Kollegen vom Konkurrenzblatt, der ihr gut gefällt und für den sie schwach werden könnte, als ihr zunächst eine Frau auf den Schuh tritt. Für Sekundenbruchteile nimmt Annika diese Frau wahr; kurz danach fallen zwei durch Schalldämpfer kaum hörbare Schüsse, und unmittelbar neben Annika werden die Präsidentin des Nobelkomitees erschossen und der diesjährige Preisträger aus Israel schwer verletzt.

Kommissar Q, auch er für Annika und ihre Stammleser schon bekannt, verbietet ihr darüber zu schreiben und sorgt dafür, dass sie für ein halbes Jahr beurlaubt wird. Doch Annika verfolgt mit ihren eigenen Methoden in dieser Zeit den Fall - zu genau ist ihr in Erinnerung geblieben, wie Caroline von Behring, das Opfer, sie in ihren letzten Lebenssekunden anschaute, so als habe sie mit diesem Attentat gerechnet und wüsste genau Bescheid.

Die Polizei ist auf der Spur jordanischer Terroristen, die sich sofort gemeldet hatten und den Verdacht nahe legten, der jüdische Preisträger sei das hauptsächliche Ziel des Anschlags gewesen.

Liza Marklund schildert nun unter anderem die schnelle, für einen Rechtsstaat sehr bedenkliche Abschiebung eines vermeintlichen Terroristen durch die US-Amerikaner und weckt damit Erinnerungen an verblüffende Parallelen zu Vorgängen in der letzten Zeit in Deutschland.
Auch die heftigen Diskussionen, die Annika mit ihrem im Justizministerium beschäftigten Ehemann über notwendige Befugnisse der Polizei zur Bekämpfung der Terroristen führt, kommen deutschen Lesern sehr bekannt vor.
So mischt Liza Marklund in gewohnter Weise die Themen, indem sie es wie bei den Vorgängertiteln auch versteht, aktuelle Debatten aufzugreifen, ohne dass sie dozieren würde. Und es gelingt ihr noch besser als anderen Autoren, das Privatleben ihrer Protagonistin zum das ganze Buch durchziehenden Subthema zu machen, ohne dass es lästig wäre.
So ist "Nobels Testament" nicht nur ein toller aktueller Krimi, sondern auch ein Buch über das Zusammenleben zweier erfolgreicher berufstätiger Eheleute und ihren täglichen, manchmal verzweifelten Versuch, über all dem beruflichen Engagement und dem persönlichen Ehrgeiz die Liebe, die Familie und die Kinder nicht aus den Augen zu verlieren. Man ist schon jetzt auf das nächste Buch gespannt, um zu erfahren, wie diese Geschichte weiter gehen wird.

"Nobels Testament" ist absolut empfehlenswert.

(Winfried Stanzick; 03/2007)


Liza Marklund: "Nobels Testament"
(Originaltitel "Pirat Förlaget")
Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer.
Hoffmann und Campe, 2007. 448 Seiten.
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Liza Marklund, Jahrgang 1962, arbeitete lange als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender, bevor sie begann, Romane zu schreiben. Mit ihren Annika-Bengtzon-Krimis wurde sie innerhalb kürzester Zeit zur gefeierten Erfolgsautorin. Ihre Romane wurden fürs Kino verfilmt. Lien zur Netzseite der Autorin: http://www.lizamarklund.net/.

Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

"Olympisches Feuer"
Im Mittelpunkt dieses Kriminalromans steht Annika Bengtzon, Redaktionsleiterin der Stockholmer Tageszeitung "Kvällspressen". Sie ist erst seit wenigen Monaten in dieser Position, als ein Bombenattentat die schwedische Öffentlichkeit erschüttert: ein Anschlag auf das Olympiastadion - wenige Monate vor Eröffnung der Spiele. Das Bauwerk ist stark beschädigt, und die Polizei findet in den Trümmern die zerfetzten Teile eines Leichnams. Annika recherchiert die Hintergründe dieses spektakulären Anschlags; sie ist eine erfahrene Reporterin, hat die Verbindungen und Quellen, die sie braucht, und vor allem das Gespür für die politischen Animositäten und Querelen im Hintergrund. Schnell wird klar, dass das Opfer des Anschlags die Leiterin des Olympiakomitees ist: Christina Furhage - einflussreich, mächtig, selbstbewusst. Zur Aufklärung des Attentats muss Annika sich mit dem Leben dieser Frau befassen. Je mehr sie aufdeckt, desto gefährlicher wird es für sie selbst. Als ob sie nicht schon genug Schwierigkeiten hätte, hin und her gerissen zwischen Familie und Redaktion ...
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"Der Rote Wolf"
Ein Mann steigt vor einem Hotel in Luleå aus dem Bus. Nach dreißig Jahren ist er nach Schweden zurückgekehrt, schwer krank. Er ist nach Hause gekommen, um zu sterben. Aber vorher hat er noch einiges zu erledigen: alte Rechnungen begleichen, Beziehungen klären - ein für alle Mal.
Zur gleichen Zeit ist Annika Bengtzon vom Stockholmer Abendblatt in der nordschwedischen Stadt. Die erfolgreiche Journalistin will sich mit einem Lokalreporter treffen, der an derselben Geschichte recherchiert wie sie: Es geht um einen terroristischen Anschlag, der Ende der 1960er Jahre auf die in Luleå stationierte schwedische Luftwaffe verübt und nie richtig aufgeklärt wurde. Doch bevor Annika ihren Kollegen treffen kann, wird er tot aufgefunden. Was anfangs wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich als brutaler Mord. Als kurze Zeit später auch der einzige Zeuge, ein dreizehnjähriger Bub, umgebracht wird, weiß Annika, dass ein kaltblütiger Profi am Werk sein muss. Aber was steckt dahinter? Musste der Journalist sterben, weil er zu viel wusste? Schließlich erfährt Annika, dass der gesuchte Terrorist Ragnvald in seine Heimat Luleå zurückgekehrt ist - nach dreißig Jahren im Exil ...
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