Petros Markaris: "Der Großaktionär"

Ein Fall für Kostas Charitos


Wer tötet schon einen Werbestar?

Kommissar Kostas Charitos ist stolz auf seine Tochter, die ihre Promotion auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft mit Bravour abgeschlossen hat. Bevor sie sich um ihre berufliche Zukunft kümmert, will Katerina erst einmal zur Erholung mit ihrem Lebensgefährten verreisen. Die Überfahrt nach Kreta, eigentlich nur ein Auftakt für den Urlaub, wird zu einem tagelangen, zunehmend traumatisierenden Alptraum, denn Terroristen bemächtigen sich des Schiffs. Ihre Identität geben sie lange nicht preis - und überrumpeln schließlich die internationalen Terrorexperten damit, die sich auf Kreta versammelt und allerlei hübsche, aber falsche Theorien entwickelt haben.

Kostas, der sympathische, etwas altmodische Kommissar, muss nicht nur um das Leben seiner Tochter und des Schwiegersohnes in spe bangen, vor allem, als durchsickert, dass sie eine Polizistentochter ist. Denn zu Hause an seinem Arbeitsplatz wartet ein kniffliger Fall auf ihn. Jemand hat den homosexuellen Star aus einem sehr erfolgreichen Werbespot regelrecht hingerichtet, der offensichtlich nicht im "Milieu" beheimatet war und vermutlich auch keine ernst zu nehmenden persönlichen Feinde hatte. Die Tatwaffe ist trotz ihrer Effektivität höchst eigenartig, in Griechenland dürfte es sie eigentlich gar nicht geben, und der Täter wird als großer, bulliger Mann beschrieben, der am Telefon allerdings eine Greisenstimme hat und mit weiteren Morden droht. Kostas muss rasch handeln und zum Teil auf eigene Faust: Als er eine Verbindung zu den Terroristen für möglich hält, die Katerinas Schiff in ihre Gewalt gebracht haben, tun seine Vorgesetzten dies als Spinnerei ab.

Dieser Krimi läuft zunächst sozusagen etwas untertourig an, ohne den im Genre üblichen anfänglichen Donnerschlag. Der Leser, dem die Reihe fremd ist, kann sich so jedoch gut auf den unkonventionellen Athener Kommissar und sein Umfeld einstellen; wer beides kennt, freut sich über Katerinas Fortentwicklung.

Das Familienidyll endet mit der Schiffsentführung und der daraus resultierenden Unsicherheit, und die sich überschlagenden Ereignisse lassen den Leser die Zerreißprobe und den Loyalitätskonflikt zwischen Familie und Dienst - schließlich erfordert die Bearbeitung des Mordfalles, der sich rasch ausweitet, unmittelbar miterleben. Passagen atemloser Spannung wechseln sich mit kurzen, stimmungsvollen Abschnitten voller Lokalkolorit und kauzigem Humor ab. Der nicht zu saloppe, aber angenehm legere Stil passt perfekt dazu. Alle Charaktere sind authentisch und klar gezeichnet, die Orte wurden passend zur Handlung gewählt.

Bei der Auflösung sowohl der nationalen Identität als auch des Motivs für den Mordfall hat sich der Autor Ungewöhnliches und Überraschendes einfallen lassen, doch wirken diese Hintergründe am Ende stimmig und glaubwürdig. Auch hat Petros Markaris die Hilfe von Kommissar Zufall nicht übermäßig bemüht: Kommissar Kostas Charitos besitzt ausreichend Talent, um seinen Fall durch solide Polizeiarbeit zu lösen und dem Leser zum Schluss noch einen Beweis seines für einen Kommissar bemerkenswert "normalbürgerlichen" Denkens und Fühlens zu liefern.

(Regina Károlyi; 03/2007)


Petros Markaris: "Der Großaktionär"
(Originaltitel "Vasikos metochos")
Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2007. 480 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Diogenes, 2008.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Quer durch Athen. Eine Reise von Piräus nach Kifisia"

Petros Markaris nimmt den Leser mit auf eine Reise quer durch Athen. Seit Jahrzehnten in der Hauptstadt von Griechenland sesshaft, hat er eine exzellente Ortskenntnis und ist ein hervorragender Führer durch die Stadt und ihre Geschichte. Mit der alten Stadtbahn, liebevoll "die Elektrische" genannt, geht es von der Hafenstadt Piräus bis nach Kifisia, wo einst das Königshaus seine Sommerresidenz hatte. Er erzählt, wie die Bauphase mit Schulden und Korruption einherging, und er weiß, wo man die letzten antiquarischen Bücher in deutscher Sprache findet, wo die letzten Garküchen liegen und warum zum Kaffee in Athen ein "Unterseeboot" gehört. (Hanser)
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