Mira Magén: "Klopf nicht an diese Wand"


Mira Magen, die in den 1950er-Jahren selbst in einem religiösen Moshav in Israel aufgewachsen ist dieser orthodoxen, osteuropäisch geprägten Richtung des Judentums verbunden blieb, hat mit "Klopf nicht an diese Wand" ihren ersten Roman vorgelegt, der in Israel allerdings schon 1997 erschien und dort monatelang in den Verkaufsbestenlisten stand.

Wie auch in ihrem Erzählband "Gut zugeknöpft", der 1994 erschienen ist, beschäftigt sie sich mit dem Leben in bzw. dem Lösen von der Orthodoxie.
Jisca Simon, 25 Jahre alt, genannt Ossi, lebt in einem religiösen Moshav. Sie ist unverheiratet, rastlos, weiß nicht wohin ihr Weg sie führen wird und ist unsterblich in ihren Nachbarn Elischa verliebt, dessen Frau vor zwölf Jahren bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Heda gestorben ist. Elischa ist von Gram gebeugt und unfähig, ein neues Leben zu beginnen, geschweige denn eine andere Frau zu lieben - zumindest ist das Ossis Sichtweise, und sie setzt alles daran, Elischa von seiner vermeintlichen Obsession zu heilen.
Seit sie ein junges Mädchen ist, versucht sie auf jede erdenkliche Art, ihn zu verführen. Dass ihr das nicht gelingt, führt sie allein auf die Tatsache zurück, dass er nach wie vor von seiner toten Frau Alma besessen ist. Also beginnt sie eine akribische Spurensuche, um Almas Mythos zu zerstören, um aus ihr einen Menschen zu machen mit Fehlern und Schwächen, den man eben auch vergessen kann.

Ihre Suche führt sie dabei nach Jerusalem, in die andere, die säkuläre Welt, aus der Alma damals entfloh in den religiösen Moshav. Dort findet sie nicht nur Almas Spuren, sondern schließlich auch ihren eigenen Weg.
Alma hinterließ dort einen Liebhaber, dem sie auch aus dem Moshav noch schrieb, und Ossi beginnt aus einer geradezu krankhaften Sehnsucht, Almas Nähe zu spüren sogar ein Verhältnis mit deren Gynäkologen, dem zynischen Dr. Scheijnfeld. In all den Jahren, in denen sie Elischas Freundschaft und Liebe suchte, lebte dessen kleine Tochter Heda in Ossis Familie, als eine Art kleine Schwester, die wiederum immer Ossis Liebe und Nähe suchte, was sie aber erst jetzt in Jerusalem begreift und - fast zu spät - endlich darauf reagiert.
Elischa, der einem anfänglich aus Ossis Perspektive unnahbar, fast grausam erscheint, gewinnt mit Ossis zunehmendem Loslassen und ihrem Erwachsenwerden immer mehr an Konturen, bis man schließlich, gemeinsam mit ihr, begreift, dass er nicht der ist, für den sie ihn all die Jahre gehalten hat.

Er wusste immer Bescheid über die Schwächen seiner Frau, hat um sie getrauert, sie aber in keiner Weise auf dieses Podest gestellt, auf dem Ossi sie vermutet hat. Und er kann Ossis Liebe erwidern, sie muss nur zuerst lernen, ihre eigene Obsession loszulassen und eine Partnerin werden; keine von ihm und seiner toten Frau geradezu hysterisch besessene, sondern eine, die ihm unbefangen als Frau begegnet und ihm ihre Liebe anbietet, einfach so von Frau zu Mann.
Elischa strahlt mit fortschreitender Lektüre immer mehr Wärme und Herzensweisheit aus. Als auch Ossi dies endlich begreift, weiß sie nicht mehr, ob sie ihn noch will ...

"Klopf nicht an diese Wand" ist ein wunderbares, stilles, dichtes, atmosphärisches Buch, in dem alles, was geschieht, gleich mehrere Ebenen hat. Einerseits die Ebene der Auseinandersetzung zwischen der religiösen, geborgenen aber auch engen Welt des Moshav und der säkulären, schillernden Welt Jerusalems, andererseits die Ebene zwischen Ossis maßlosen Ansprüchen und den Bedürfnissen, die an sie herangetragen werden, die sie aber lange nicht sieht, dann die Ebene der Spurensuche - je näher sie Alma in ihrer Suche rückt, desto weiter rückt sie weg, desto unwichtiger wird sie, bis sie sie schließlich begraben kann und begreift, dass Elischa das schon längst getan hat!
So still die Handlung auch dahinfließt, so ungeheuer spannend ist sie jedoch auch: Immer mehr wird man in das Beziehungsgeflecht zwischen Ossi, Elischa und Heda hineingezogen.
Ein hervorragend geschriebenes, außergewöhnliches Buch, dessen Lektüre man nur empfehlen kann!

(Huberta Schwarz; 12/2001)


Mira Magén: "Klopf nicht an diese Wand"
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler.
dtv. 336 Seiten.
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