David Lodge: "Ortswechsel"


Die Universitäten von Rummidge (England) und Euphoria (USA) unterhalten schon seit etlichen Jahren einen Austausch für Professoren. Sinn ist es, einen Angehörigen der englischen Fakultät für ein Semester im jeweils anderen "Gewässer" fischen zu lassen. Für Philip Swallow ist es die Gelegenheit, an eine Stätte seiner Jugend zurückzukehren und der ermüdenden Routine von Universitätsleben, Eheleben und dem Regen in England zu entgehen.

Morris Zapp hingegen hat - obwohl ein Spezialist für Jane Austen - niemals die Absicht gehabt, England zu besuchen oder überhaupt die Vereinigten Staaten zu verlassen. Doch eine gewisse Langeweile in seiner momentanen beruflichen Arbeit und häuslicher Ärger haben in ihm schließlich doch den Wunsch nach einer gewissen Distanz aufkommen lassen. Und so sitzt er nun in einem Flugzeug auf dem Weg nach Großbritannien um dort einigen Problemen auszuweichen und auch eventuell durch seine Abwesenheit seine Frau wieder wohlgesinnt zu stimmen. Diese beiden Personen fliegen zur gleichen Zeit in entgegengesetzter Richtung um das Land des jeweils anderen kennen zu lernen.

Nach diesem Einstieg erleben wir, wie sich die beiden Hauptfiguren in ihrer jeweils neuen Umgebung niederlassen, etwas was Philip wesentlich leichter gelingt als Morris, der mit den Lebensumständen eines Englands der späten 1960er Jahre nur schwerlich zurecht kommt. Dies wird auch dadurch nicht leichter, dass er gezwungen ist, im Haus eines irischen Arztes zu wohnen, der sich bei ihm in vielerlei Hinsicht durchschnorrt.

Philip selber geht es da wesentlich besser. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten lernt er die Hippie-Kultur kennen und entdeckt dabei in den Armen einer jungen Frau auch seine eigene Jugend wieder.

Die weiteren Entwicklungen bekommen wir in Briefform serviert, da im nächsten Abschnitt des Buchs verschiedene Briefe der Handlungsfiguren dieses Romans nebeneinander abgedruckt sind. Als sich dann die politische Lage an den beiden Universitäten im Zuge der Studentenbewegungen der ausgehenden 60er Jahre immer mehr verschärft, werden die weiteren Ereignisse dann in Form von Zeitungsausschnitten serviert, die den Lesern zwangsläufig nur ausschnitthaft Informationen vermitteln. Diese werden dann im weiteren Verlauf durch "normalere Darstellungsformen" inhaltlich ergänzt, bevor der Roman durch eine Art abschließendes Drehbuchscript ein mehr oder weniger abschließendes Ende findet.

Lodge hat in diesem Roman sehr viel mit den Darstellungsebenen gespielt, ein Vorgehen, das im Inhalt Widerhall findet durch die Diskussionen, die die Figuren über Literatur und die Qualität guter Prosa führen. Insofern ist "Changing Places" in vielerlei Hinsicht ein Roman, der von einem Akademiker für andere Akademiker geschrieben wurde, vorausgesetzt, diese anderen Akademiker sind auch Literaturwissenschaftler. Aber ich glaube, auch "Normalsterbliche" können an diesem Roman ihre Freude finden, denn er ist nicht nur sehr spielerisch in seinem Umgang mit den literarischen Normen seiner Zeit, sondern auch von seiner Handlung, seinen Themen und seinen Figuren überaus vergnüglich und liebenswert. Wer einige Jahre zuvor Tom Sharpes "Puppenmord" ("Wilt") genossen hat, wird in "Changing Places" die passende Fortsetzung des gleichen Konzepts in etwas erwachsenerer Form finden. Und wer dann auch noch gerne in einem Roman sehen möchte, was man mit Darstellungsformen so alles anstellen kann, für den ist dieser Roman ein absolutes Muss.

Diese Rezension bezieht sich auf eine etwas ältere Ausgabe im englischen Original. Ich habe keinerlei Ahnung, wie eine deutsche Übersetzung dieses Werks aussieht und würde den Lesern auch zunächst einmal die Originalausgabe empfehlen.

(K.-G. Beck; 06/2002) 


David Lodge: "Ortswechsel"
Ullstein TB-Verlag, 2001. 308 Seiten.
ISBN 3-5486-0135-9.
ca. EUR 7,95.
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Englische Ausgabe:
"Changing Places"
Penguin Books, 1979.
ISBN 0-1401-7098-7.
ca. EUR 14,12.
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