Doris Lessing: "Das Leben meiner Mutter"
Gekürzte Lesung. Sprecherin: Katharina Thalbach
(Hörbuchrezension)


Der Literaturnobelpreis 2007 ging an die in Rhodesien (Simbabwe) geborene britische Schriftstellerin Doris Lessing. Diese verfasste "Das Leben meiner Mutter", im Original "My mother’s life", bereits 1985. Hierbei handelt es sich nicht um ein für den Nobelpreis relevantes Buch, sondern in erster Linie um ein sehr persönliches, autobiografisches Werk.

Doris Lessing erinnert sich in diesem Buch an ihre Kindheit in den Dreißiger Jahren, an die Lebensumstände, die eigene familiäre Situation - und eben an ihr Verhältnis zu ihrer Mutter. Zentral bei diesem Titel ist laut Klappentext "eine Geschichte gegenseitiger Verletzungen. Die Tochter versuchte alles, um nicht so zu sein, wie die Mutter sie sich wünschte. Eine nachdenkliche und berührende Auseinandersetzung mit zwei eigenwilligen Frauen."

Vermutlich liegt es an der enorm gekürzten, ursprünglich bereits 2004 produzierten und 2007 vom DAV neu veröffentlichten Fassung mit dem Umfang von einer CD und gerade einmal achtzig Minuten Laufzeit, dass dieses von Katharina Thalbach gelesene Hörbuch in seiner möglichen Wirkung gänzlich versagt.

Was der Hörer vorgelesen bekommt, ist die Geschichte einer Heranwachsenden, wie sie überall auf der Welt tagtäglich vor sich geht. Sicherlich, die Umgebungsbeschreibungen sind in diesem Fall besonders erwähnenswert, wird doch auch ausführlich Lessings Erleben der politischen Situation, der Unterdrückung der Schwarzen vor allem, beschrieben. Darüber hinaus jedoch bietet Lessings Biografie im Rahmen dieses Hörbuches schlicht nichts Besonderes, und es gibt keine zugespitzten Situationen oder deutliche Eskalationen, was letztlich auch bedeutet, dass dem Hörbuch jede Spannung fehlt.

"Das Leben meiner Mutter" ist eine Geschichte aus den Dreißiger Jahren in Rhodesien, darüber hinaus aber die Beschreibung einer ganz normalen Mutter-Tochter-Beziehung, bei der beide Generationen unterschiedliche Vorstellungen vom Leben haben, die Mutter der Tochter den ihrer Ansicht nach besten Weg weisen will und die Tochter aus heranwachsendem Prinzip heraus genau diesen ablehnt.

Hierbei ist allerdings festzuhalten, dass die mangelnde Spannung und die Tatsache, dass der Inhalt des Hörbuches schnell wieder beim Hörer in Vergessenheit gerät, an den vorgenommenen Kürzungen festzumachen ist, jedenfalls nicht an der Sprecherin Katharina Thalbach, die souverän aus Lessings Sicht einen Einblick in dieses autobiografische Werk gewährt.

Wer sich für diesen Titel interessiert, vielleicht weil er sich näher mit Doris Lessing beschäftigen will, sollte auf jeden Fall zum Buchtitel greifen, wenn schon. Das Hörbuch ist in diesem Zusammenhang leider keine allzu gute Wahl und kann daher geflissentlich übergangen werden.

(Tanja Thome; 12/2007)


Doris Lessing: "Das Leben meiner Mutter"
Gekürzte Lesung. Sprecherin: Katharina Thalbach.

Der Audio Verlag, 2007. 1 CD; Laufzeit ca. 80 Minuten.
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Doris Lessing wurde am 22. Oktober 1919 als Doris May Taylor, Tochter eines britischen Offiziers in Persien, geboren. Sie wuchs auf einer Maisfarm in Rhodesien (heute Simbabwe) auf und übersiedelte 1949 nach England. Mit ihrem umfangreichen, sozial engagierten Werk gehört sie seit langem zu den modernen Klassikern. Im Jahr 2007 erhielt Doris Lessing den Nobelpreis für Literatur: "der Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat".
Doris Lessing starb am 17. November 2013 im Alter von 94 Jahren.