Tobias Daniel Wabbel (Hrsg.): "Leben im All"

Positionen aus Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie


Ein Sammelband mit Beiträgen bekannter Naturwissenschaftler, Philosophen und Theologen zu einer unserer fundamentalen Fragen: ob es außer uns noch anderes (vergleichbares) Leben im All gibt. Unser Selbstverständnis als intelligente Wesen steht ebenso auf dem Prüfstand wie unser Gottesbild: "Müssten wir akzeptieren, dass es Lebewesen gibt, die nicht nur intelligenter, sondern auch spiritueller sind? Oder möglicherweise die Religion überwunden haben?" (vgl. Presseinformation). Ebenso wird die grundlegende Frage gestellt, ob Kontakte zu Außerirdischen überhaupt zu unserem Vorteil wären.

Der Physiker Stephen W. Hawking geht der Frage nach, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von Leben andernorts im All ist: Er glaubt, dass es andere Formen intelligenten Lebens gibt, zieht es jedoch vor, nicht mit einer fortgeschritteneren Zivilisation in Kontakt zu kommen. Den Ureinwohnern Amerikas habe beispielsweise der Kontakt mit den Europäern auch eher geschadet. Der Philosoph Jostein Gaarder fragt sich, ob die Entstehung des Bewusstseins ein kosmischer Zufall war - jedenfalls müsse bereits vor dem Urknall eine Art Bewusstsein existiert haben.

Der Herausgeber T. D. Wabbel interessiert sich für die Empfangbarkeit von Radiowellen aus dem All - er räumt allerdings ein: "Die Wahrscheinlichkeit, diese Signale zu entdecken - wenn sie existieren - ist beinahe so erfolgversprechend, wie einen Tropfen Tinte im Atlantischen Ozean nachzuweisen." Allerdings berichtet er von vermeintlichen Frequenzsignalen aus dem All. Der Science-Fiction-Autor und NASA-Berater in Fragen der Astrobiologie David Brin beschreibt sehr plastisch 'Die Gefahren des Erstkontakts' mit Außerirdischen in vielerlei Hinsicht: politisch, militärisch, religiös, epidemisch, kommunikatorisch. Brin befürchtet Panik - Konfusion - Mystik: "Unsere außerirdischen Freunde werden sicher sofort realisieren, welch eine undisziplinierte Spezies wir sind." Freilich! Heureka! Brin macht auch darauf aufmerksam, dass eine außerirdische Botschaft ohne böswillige Absichten unsere Computer schlichtweg überfordern und lahmlegen könnte. Indem Brin davon ausgeht, dass jede außerirdische Intelligenz uns in Wirtschaft und Technik ohnehin überlegen sein dürfte, vertritt er die überraschende These: "Der wahre Reichtum der Menschheit liegt in ihrer Kultur. Mit ihr können wir Handel treiben. Sie ist unser kostbarstes Gut." Das wäre ja eine sehr wertvolle Nebenbei-Erkenntnis! Darüberhinaus könnten die Fragen nach Wiedergeburt und Gottglauben durch weiterentwickelte Außerirdische für viel Verwirrung auf der Erde sorgen. Für Brin ergibt sich aus der Erforschung außerirdischen Lebens zumindest eine beherzigenswerte innerirdische Konsequenz: "Damit kann die Suche nach außerirdischer Intelligenz im Erfolgsfall einen grundlegenden Wandel der religiösen Vorstellungen, eine neuerliche Ausweitung des Toleranzgedankens und ein neues Bewusstsein von der Vielfalt und den Wundern des Universums bewirken. Die Entdeckung fremden Lebens sollte uns zumindest helfen zu verstehen, dass alle Menschen miteinander verwandt sind, trotz unterschiedlicher Hautfarben und Sprachen gleich sind und zur selben Menschenfamilie gehören." So gesehen müsste man sich eine Begegnung mit Außerirdischen möglichst bald herbeiwünschen!

Der Physiker F. David Peat spekuliert: "Es kann gut sein dass die Entwicklung denkender Intelligenz eines der Ziele der kosmischen Evolution ist. Das bedeutet, dass der Kosmos sich seiner selbst bewusst wird." Sehr pointiert seine These, dass wir bei einer möglichen Begegnung mit Außerirdischen feststellen könnten, "dass wir selbst die wahren Aliens (Fremden) sind." Das Schlusskapitel ist der Problematik einer neuen Kosmotheologie gewidmet. Sogenannte Außerirdische könnten über Eigenschaften verfügen, die von uns Menschen üblicherweise Gott zugeschrieben werden. Der Professor für Theologie John F. Haught fragt sich, ob Außerirdische überhaupt "religiös" sind. Er bejaht für sich diese Frage, da alle potenziellen Außerirdischen den gleichen Bedingungen des Kosmos unterliegen wie wir und folglich auch die Sinnfrage stellen werden. Insgesamt ein hochinteressantes Buch, das uns Material an die Hand gibt, unterschiedliche Aspekte eines anzunehmenden Lebens im All zu diskutieren - wobei hier doch ehrlicherweise mehr Fragen gestellt als Antworten in die Zukunft riskiert werden.

(KS; 10/2005)


Tobias Daniel Wabbel (Hrsg.): "Leben im All"
Patmos, 2005. 240 Seiten.
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