Andrej Kurkow: "Petrowitsch"

Petrowitsch ist der Name eines Chamäleons
- womit Andrej Kurkow mal wieder seine Vorliebe für ungewöhnliche Haustiere bei seinen Helden zeigt


Nikolai - kurz Kolja - ist gerade in eine neue Wohnung gezogen und findet dort in einem zurückgelassenen Bücherregal eine "Korbsa"-Ausgabe, die innen ausgehöhlt wurde, um darin ein anderes Buch zu verstecken. Und in diesem Buch wiederum findet er am Rande Bleistiftnotizen eines Mannes, der in der Liebe zu einer Frau den größten Patriotismus sah. Fasziniert macht sich der gebürtige Russe und Wahlukrainer in Kiew auf die Suche nach dem Verfasser dieser Zeilen und kommt über den Umweg einer Beerdigung des ihm unbekannten Verfassers der Anmerkungen zu einer Gruppe von Freiluftschachspielern, die ihn wiederum zu einem Toten führen, den er mit Hilfe einiger Obdachloser spät nachts exhumiert, um an ein Manuskript unter dessen Kopf zu kommen. Als die Leiche freigelegt ist, schlagen ihn seine Helfer, die einen wertvollen Schatz vermutet haben, nieder, und er landet im Grab. Als er wieder zu sich kommt, hat er von der Leiche einen seltsamen Zimtgeruch angenommen.

Wenig später wird er bei seiner Arbeit als Nachtwächter für eine Firma, die überlagertes Babymilchpulver eingelagert hat telefonisch bedroht. Er geht auf diese Bedrohungen zunächst nicht ein und mischt sich zur Beruhigung ein wenig von dem Babymilchpulver in seinen Kaffee. Aber dieses "Milchpulver" hat es in sich, und er geht auf einen Trip, von dem er erst drei Tage später wieder runterkommt. Danach fühlt er sich von den seltsamen Anrufern stark bedroht, denen er in diesem Zustand nicht die Tür hat öffnen können und beschließt, sich auf die Suche nach einem ideologischen Schatz zu machen, der nach den Papieren, die er beim Exhumieren gefunden hat, in einem alten Fort in Kasachstan versteckt sein soll. Von unheimlichen Gestalten verfolgt macht er sich auf den Weg, wobei er erst an Bord einer schwimmenden Fischfabrik geht, wo er einiges erlebt und hört, was ihn in Zukunft dazu bringt, jede Fischkonserve sehr gründlich durchzusehen, bevor er ihren Inhalt verzehrt. An Land gebracht macht er sich dann zu Fuß auf den Weg durch die Wüste, wo er zunächst nur durch das Auffinden eines Zelts einen Sturm übersteht, bevor er dann durch ein Nomadenkamel vor dem Tod durch Einsanden gerettet wird. Nach alter kasachischer Sitte wird er von dem Besitzer des Kamels an seine beiden Töchter verschenkt, von denen er sich dann eine aussuchen muss. Mit Gulja, die seine Auserwählte ist, macht er sich dann auf die weitere Reise, bei der er außerdem noch von dem Chamäleon Petrowitsch adoptiert wird.

Dafür, dass es sich um einen Zug durch die Wüste handelt, treffen Gulja und Kolja auf ziemlich viele andere Leute, was sie mal zu Fesslern und mal zu Gefesselten macht. Ab hier überschlagen sich die Ereignisse unentwegt, wobei Drogen, nach Zimt riechender Sand, Waffen, Nationalstolz und Liebe Anteil an den sich entwickelnden Umständen haben. Teilweise wird die Geschichte dadurch etwas unübersichtlich, bevor sie sich am Ende erfolgreich nicht aufklärt. Wie mal gesagt wurde: "Der Vorhang fällt und alle Fragen offen."

Freunde der russischen und ukrainischen Literatur und Mentalität werden an diesem Werk sicherlich ihren Spaß haben, an der Sprache, der naiven Eigensucht des Helden, der großen Liebe für die schönen Dinge des Lebens, die kavalierhafte Einstellung zum organisierten Verbrechen und die pragmatische aber doch sentimental-verträumte Philosophie. 
Russisch - echt russisch.

Andrej Kurkow wurde am 23.4.1961 in St. Petersburg (Leningrad) geboren, lebt aber seit seiner Kindheit in Kiew. Schon als Siebzehnjähriger wurde er mit seinen Kurzgeschichten zum Vorlesen bei Hochzeiten und anderen Festen eingeladen. Er absolvierte das Kiewer Fremdspracheninstitut (neben Englisch und Japanisch spricht er noch neun weitere Sprachen) und wollte Diplomat werden, was ihm aber mangels Beziehungen nicht gelang. Seit 1996 ist er freier Mitarbeiter bei Radio und Fernsehen und freier Schriftsteller.

 (K.-G. Beck-Ewerhardy;02/2003)


Andrej Kurkow: "Petrowitsch"
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2000.  443 Seiten. 
ISBN 3-257-06247-8.
ca. EUR 19,90.
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Taschenbuch:
Diogenes, 2002. 443 Seiten.
ISBN 3-257-23322-1.
ca. EUR 11,90.
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