Andrej Kurkow: "Ein Freund des Verblichenen"


Der arbeitslose Tolja lebt in den Tag hinein und kann dem Leben im Großen und Ganzen nicht besonders viel abgewinnen. Er treibt vor sich hin, und seine Frau ist ihm immer mehr entfremdet, sodass es ihn noch nicht einmal sonderlich stört, als er mitbekommt, dass sie ihn mit einem ihrer Arbeitskollegen betrügt. Tolja sieht einfach keinen besonderen Sinn mehr in seinem Leben und lässt sich durch seinen ehemaligen Klassenkameraden Dima einen Killer vermitteln, der ihn von seinem Leben erlösen soll. Innerhalb einer Woche ist alles vorbereitet, und nun hat Tolja noch etwa zwei Tage zu leben und bereitet seine Abgang vor.

Doch dann geschehen verschiedene Dinge. Durch eine gut bezahlte Falschaussage in einem Scheidungsprozess kommt Tolja zu Geld, das er zum Teil in eine junge Prostituierte namens Lena investiert, die ihm allerdings schnell ans Herz wächst - und er ihr auch. Als überdies noch seine Frau zu ihrem Liebhaber umzieht, erscheint ihm das Leben plötzlich wieder lebenswert, und er muss sich auf die Suche nach einem weiteren Killer machen, der ihn vor seinem primären Auftragnehmer rettet, was schließlich auch gelingt. Das Leben ist plötzlich wieder interessant, aber sehr schnell empfindet Tolja Schuldgefühle gegenüber der Witwe und dem Kind des Killers, dessen Tod er zu verantworten hat, und er beschließt, sich um die beiden zu kümmern.

Nach und nach beginnt er das Leben "seines" Killers anzuziehen, wie einen bequemen alten Pantoffel und kommt der Witwe dabei immer näher, während er gleichzeitig eine Menge heißer Liebesnächte mit Lena verbringt. Bis er mit dem Neujahrsfest - das in Kurkows Romanen ja immer einen wichtigen Wendepunkt darstellt - beschließt, bei Marina, der Witwe, einzuziehen. Wenig später findet er in einem Postfach des Getöteten einen neuen Mordauftrag und steht nun vor der Frage, ob er auch dessen berufliches Leben übernehmen soll oder nicht.

Kurkow beweist auch in diesem Roman, dass das Leben immer voller Zauber und seltsamer Zufälle ist, auch wenn man sich deutlich auf der dunklen Seite desselben bewegt. Dies stellt er in seinem gewohnten Stil mit der vertrauten fröhlichen Naivität des Hauptprotagonisten dar, die man auch in seinen anderen Romanen findet, wobei er gleichzeitig ein interessantes Bild der neuen postkommunistischen Realitäten in Osteuropa zeichnet.

Andrej Kurkow wurde am 23. April 1961 in St. Petersburg geboren, lebt aber seit seiner Kindheit in Kiew. Er absolvierte das Kiewer Fremdspracheninstitut (neben Englisch und Japanisch spricht er noch neun weitere Sprachen) und wollte Diplomat werden, was ihm aber mangels Beziehungen nicht gelang. Nach dem Studium folgte der Militärdienst, den er als Gefängniswärter im Gefängnis von Odessa ableistete. Seit 1996 ist er freier Mitarbeiter bei Radio und Fernsehen und freier Schriftsteller. Nach seinen Drehbüchern wurden bisher 17 Filme gedreht, neben vielen Erzählungen, die in Literaturzeitschriften abgedruckt waren, hat er auch einige Kinderbücher und Romane veröffentlicht, die jedoch nicht alle auf Deutsch vorliegen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2003)


Andrej Kurkow: "Ein Freund des Verblichenen"
(Originaltitel "Milyj drug, tovarischè pokojnika")
Aus dem Russischen von Christa Vogel.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2001. 141 Seiten.
ISBN 3-257-06239-7.
ca. EUR 16,90.
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Taschenbuch:
Diogenes, 2003. 142 Seiten.
ISBN 3-257-23367-1.
ca. EUR 7,90.
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Hier geht es zu einem Interview mit Andrej Kurkow