Klaus Kinski: "Fieber"

Tagebuch eines Aussätzigen


"Das war nicht, weil ich sterben wollte. Das war, weil ich keine Geduld hatte mit meinem Chaos." (Klaus Kinski über seine Selbstmordversuche)

Fieber ist keine Krankheit, sondern eine durch den Körper selbst verursachte Temperaturerhöhung und zeigt an, dass der Körper mit einer Krankheit kämpft. Man spricht von Fieber, wenn die im Mund gemessene Körpertemperatur über 38,5°C ansteigt. Die Körpertemperatur wird vom Hypothalamus geregelt. (Wie auch alle wichtigen vegetativen Aufgaben: Durst, Hunger, Schlafbedürfnis, Konzentrationsfähigkeit und Sexualität.) Fieber kann man im Enddarm (rektal), unter der Zunge oder in der Achselhöhle messen. Die rektal gemessenen Ergebnisse fallen um ca. 0,4°C höher aus als die Werte, die an den anderen genannten Stellen gemessen werden. Ab 40 °C Körpertemperatur leidet die Gehirnfunktion, Verwirrtheit und Krämpfe können die Folge sein. Steigt das Fieber über 42 °C, so werden die Organe zerstört, und der Kranke stirbt, wenn er nicht behandelt wird. In der Regel ist Fieber die Folge einer Infektion mit Viren oder Bakterien. Der Körper setzt nach Kontakt mit den Erregern Stoffe frei, die zu einer Erhöhung der Körpertemperatur führen. Dadurch gehen viele Bakterien und Viren zugrunde.

Fieber ist also eine Art heilsames Chaos im Inneren des Körpers; ein Schwebezustand, der verschiedene Möglichkeiten eröffnet.
Das "Tagebuch eines Aussätzigen" also? Was ein Tagebuch ist, wirft keine Fragen auf; lenken wir also unser Interesse auf die Bezeichnung "Aussätziger": Lepra (Aussatz) ist eine chronische bakterielle Infektionskrankheit der Haut und des Nervensystems, die in zwei Krankheitsbildern auftritt. Im Umgang mit Aussätzigen gab es (auch) in früheren Zeiten kein Pardon, so wurde u.A. empfohlen, die Kranken tunlichst schnellstens aus dem Dorf zu jagen, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, oder aber die Erkrankten waren angehalten, eine hölzerne Klapper zu schwingen und so die Mitmenschen zu gebührendem Verhalten zu veranlassen. (Lächerliche Ansätze angesichts der Tatsache, dass die Bandbreite der Inkubationszeit zwischen drei Monate und vierzig Jahre beträgt!)

Nach diesen Exkursen in das Reich der Interpretationsansätze zurück zur Person Klaus Kinski: Er wurde als Nikolaus Karl Günther Nakszynski am 8. Oktober 1926 in Zoppot (Danzig) geboren und wuchs in Berlin auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er zuerst am Theater und spielte später in zahlreichen Filmen mit. In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden Tonaufnahmen von Texten wesensverwandter Dichter (z. B. François Villon). Einem zahlenmäßig größeren Publikum wurde Klaus Kinski durch Edgar Wallace-Verfilmungen bekannt, die seinen Ruf als intensiver Darsteller extremer (krankhafter, sadistischer, wahnsinniger, neurotischer) Figuren prägten. Der schicksalhaften Zusammenarbeit mit dem Regisseur Werner Herzog, der mit "Ich wage zu behaupten, dass Kinski ein Genie ist", zitiert wird, verdanken wir Filme wie "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972), "Nosferatu, Phantom der Nacht" (1979), "Woyzeck" (1979) und "Fitzcarraldo" (1982). An sein Mitwirken in einer bemerkenswerten Anzahl bestenfalls mittelmäßiger Streifen darf der Vollständigkeit halber ebenso erinnert werden.
Am 23. November 1991 starb Klaus Kinski in Kalifornien.

Was ihn als Schauspieler zu einem herausragenden Ereignis gemacht hat, lässt auch seine Gedichte in ebendiesem besonderen Licht erscheinen: Faszinierende (erotische) Intensität, kantige Sprachführung, lustvoll schwankend zwischen Besessenheit und Ironie, seine - bisweilen hart an der Grenze zur Unerträglichkeit tänzelnde - Sensibilität, sein theatralisch zur Schau gestelltes Anderssein, seine getriebene Ruhelosigkeit, sein Vergnügen an der Provokation, sein trotziger Sturkopf, seine Geltungssucht, sein Buhlen um Bestätigung, sein Pendeln zwischen (un-)menschlichen Extremen, sein abruptes Innehalten, seine enorme Präsenz ...

Lange Zeit lagen Kinskis Gedichte vergessen in einem vergammelten Koffer, und erst die Neugier bzw. Geldgier späterer Generationen holte die Texte - glücklicherweise - aus der Versenkung.

"Fieber. Tagebuch eines Aussätzigen" versammelt bislang unbekannte frühe Gedichte Klaus Kinskis, illustriert mit stimmungsvollen Fotos (einige davon werden in diesem Buch erstmals publiziert!). Immer wieder erstaunlich: Die Anziehungskraft dieser blassen Hungeraugen.

Der Herausgeber Peter Geyer ersteigerte das Manuskript "Fieber" auf einer Auktion, nachdem es im Nachlass einer Jugendfreundin Kinskis entdeckt worden war.

Im Gedicht "ICH - GEGENSATZ - GEGEN MICH SELBST" schrieb Klaus Kinski:

"Ich weiß nicht, wer ich bin und wer ich war -
ein Fremder vor mir selbst - und neu für mich -
und alt, wenn ich im Spiegel sehe -
Ich glaubte, dass ich überall zu Hause sei - und
war schon heimatlos, bevor ich noch ganz dort war.

Ich bin durchaus sehr zart - und fühle mich doch
kräftiger als alle - so stark manchmal - so schwach - so oft
(ich war verbuht und zäh - und schwach und ohne Willen - ohne Mut)
..."

(Felix; 06/2001)


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Und hier ein interessantes Buch über den exzentrischen Schauspieler