H.R.F. Keating: "Inspector Ghote zerbricht ein Ei"

Der Auftakt zur Inspector-Ghote-Serie

Mit "Inspector Ghote zerbricht ein Ei" startet der Unionsverlag die Neuausgabe der Inspector-Ghote-Romane von H.R.F. Keating in überarbeiteten Übersetzungen


Erstaunlich: Der britische Schriftsteller und Krimi-Kritiker H. R. F. Keating verfasste seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits eine beachtlich umfangreiche Reihe von Inspector-Ghote-Romanen, ohne dass sich in seiner Biografie irgendein Hinweis auf einen längeren Aufenthalt in Indien finden ließe.
Erstaunlich vor allem deshalb, weil er sich in seinen Werken als differenzierter und detailliert informierter Kenner des Landes, der kulturellen Gepflogenheiten, der sozialen Strukturen und vor allem der einschlägigen Ausdrücke und Begriffe, die in keinem Glossar näher erläutert werden und daher auch dem geneigten Leser essenzielle Kenntnisse zuschreiben, deklariert.
Jochen Schmidt bezeichnet ihn in "Gangster, Opfer, Detektive. Eine Typengeschichte des Kriminalromans" (Frankfurt/Berlin: Ullstein, 1989) sogar als "anderen Fall Karl May".

In seinem spezifischen Arbeitsstil inspiriert vom österreichischen Kriminalisten Hans Gross, dessen Werk "Criminal Investigation" sich bekanntlich im Dienstzimmer des CID-Inspectors findet, geht Ganesh Ghote auch an seinen neuesten Fall, in dem er sich zum wiederholten Mal mit einem mächtigen Angehörigen der obersten politischen Spitze einer indischen Stadt anlegt, heran. Auch diesmal ereilt ihn ein politischer Auftrag, den er, wie gefordert, unverzüglich in Angriff nimmt.

Kaum am Ort des Geschehens angekommen, erkennt der Polizeibeamte schnell die scheinbare Aussichtslosigkeit der Arbeitssituation: der Todesfall, den er lückenlos aufklären soll, liegt bereits fünfzehn Jahre zurück und die aktuellen Umstände der örtlichen Sozialstruktur machen rasch klar, dass seine Ermittlungen hochgradig unerwünscht sind. Der amtierende Bürgermeister Vasant Savarkar, dessen erste Ehefrau damals unter mysteriösen Umständen zu Tode kam, zeigt Ghote in beeindruckender Weise, wie unbeschränkt sein Machtterritorium ist. Selbst die ungeliebte Tarnung des Inspectors als harmloser Hühnerfuttervertreter ist ihm von Anfang an bekannt. Ghote stößt rasch an ermittlerische Grenzen, in diesem korrupten Sumpf kann es sich offenbar niemand leisten, sich mit dem örtlichen Machthaber anzulegen, zu weit reicht der Arm seiner Einflussmöglichkeiten.

Unerfreulicherweise tritt zusätzlich Swami Gandharva, ein im Ort hoch angesehener heiliger Mann, in unbefristeten Hungerstreik, um die polizeilichen Ermittlungen zu stoppen. Da er bereit ist, bis zum eigenen Hungertod zu fasten, gerät Ghote auch noch unter starken Zeitdruck, will er eine Entladung geballten Volkszornes vermeiden.

Alles scheint sich gegen ihn verschworen zu haben, schließlich gerät er zwischen sämtliche Fronten, die Lage droht zu eskalieren und die spärlichen Hinweise und Spuren lassen sich nur schwer verfolgen.

Mit zäher Geduld und Hartnäckigkeit fügt Ghote ein ums andere Puzzlesteinchen zu einem immer klarere Umrisse bekommenden Gesamtbild zusammen.

Ob er den ungewöhnlichen Fall tatsächlich lösen kann oder ob er zu guter Letzt doch noch aufgeben muss, lässt sich in "Inspector Ghote zerbricht ein Ei" auf unterhaltsame Weise nachlesen ...

(Gabriele Klinger; 08/2004)


H.R.F. Keating: "Inspector Ghote zerbricht ein Ei"
(Originaltitel "Inspector Ghote Breaks an Egg")
Aus dem Englischen von Marianne Lipcowitz.
Unionsverlag, 2004. 192 Seiten.
ISBN 3-293-20299-3.
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H(enry) R(eymond) F(itzwater) Keating, geboren am 31. Oktober 1926, gelernter Rundfunktechniker, wurde dann Journalist und schließlich freier Schriftsteller. Fünfzehn Jahre lang war er der Krimi-Kritiker der "London Times" - ergo eine der Autoritäten auf diesem Gebiet. Für seine Romane um den bescheidenen Inspector Ghote aus Bombay, der sich mit den Reichen und Mächtigen anlegt, wurde Keating mehrmals ausgezeichnet; für sein Gesamtwerk erhielt er 1996 den Cartier Diamond Dagger. "Inspector Ghote zerbricht ein Ei" erschien erstmals anno 1970.

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