Ernst Jünger / Stefan Andres: "Briefwechsel 1937-1972"

Herausgegeben von Günther Nicolin


Dokumente einer Autorenfreundschaft

Der junge deutsche Schriftsteller Stefan Andres sieht sich im Jahre 1937 in einer prekären Lage. Er ringt um Anerkennung, seine Werke verkaufen sich nur schleppend, und Andres hat eine Familie zu ernähren. Zu seinen finanziellen Schwierigkeiten gesellt sich zudem eine tiefe Abneigung gegen das in Deutschland herrschende nationalsozialistische Regime, woraus Andres auch gar keinen Hehl macht, was aber wiederum Unannehmlichkeiten und sogar Gefahren für Andres heraufbeschwören könnte, zumal seine Frau jüdischer Abstammung ist. In dieser für ihn zutiefst deprimierenden Situation liest Stefan Andres einige Werke des etwa zehn Jahre älteren und damals schon recht bekannten Ernst Jünger. Werke, die ihn stark beeindrucken, was er dann zum Anlass nimmt, seinem verehrten Kollegen einen Brief zu schreiben.

Und so begann nicht nur der Briefwechsel, der in diesem Buch dokumentiert ist, sondern auch eine persönliche Freundschaft zwischen den beiden Autoren, die bis zu Andres' Tod im Jahre 1970 währte. Ernst Jünger überlebte Stefan Andres um beinahe drei Jahrzehnte und wurde über hundert Jahre alt. In drei Phasen lässt sich - grob gesehen - der briefliche Kontakt zwischen Jünger und Andres gliedern, wobei sich die erste Phase nur über einen kurzen Zeitraum erstreckt, denn nach wenigen Briefen bricht der Kontakt bereits Ende 1938 wieder ab, um während der Kriegsjahre gänzlich zu ruhen. Im März 1947 knüpft Stefan Andres den Kontakt dann wieder neu, es kommt auch zu einer persönlichen Begegnung zwischen den beiden. Von 1950 bis 1960 aber herrscht dann wieder "Funkstille". Die letzte Phase des Briefwechsels erstreckt sich schließlich von 1960 bis zu Stefan Andres' Tod. Seine Witwe, Dorothee Andres, hält danach noch eine lose Verbindung zu Ernst Jünger aufrecht und gratuliert ihm auch zu seinem hundertsten Geburtstag im Jahre 1995. Drei Jahre später stirbt Ernst Jünger.

Leider beinhaltet die Korrespondenz der beiden Autoren nichts Wesentliches oder für die Allgemeinheit Wissenswertes. Weltanschauliche, philosophische Themen werden nicht diskutiert, literarische oder künstlerische Fragen nur am Rande behandelt. Die Briefe beschränken sich im Wesentlichen auf persönliche oder familiäre Angelegenheiten, häufig werden auch Strategien für die Suche nach geeigneten Veröffentlichungsmöglichkeiten, für die Auswahl des richtigen Verlages und Tipps für Vertragsverhandlungen mit Verlegern ausgetauscht. Die Thematik der Briefe schränkt also den Kreis der potenziell interessierten Leser von vornherein schon einmal recht stark ein. Dem Abdruck der Briefkorrespondenz hat der Herausgeber noch zwei "Verteidigungsschriften" aus der Feder Stefan Andres' hinzugefügt, in welcher er öffentlich Partei für seinen verkannten und wegen angeblicher Assimilation nationalsozialistischen Gedankengutes in Misskredit geratenen Schriftstellerkollegen ergreift. (Ernst Jünger wurde nach dem Krieg von den alliierten Besatzungsbehörden mit einem Publikationsverbot belegt). Des weiteren findet der Leser noch einige Tagebuchnotate Ernst Jüngers, die sich auf Stefan Andres beziehen, zwei Faksimiles sowie zwei Porträtabbildungen der beiden Autoren. Über fünfzig Seiten Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis, ein erläuterndes Nachwort sowie ein Personenregister im Anhang beschließen den sorgfältig edierten Band, der aber kaum eine breitere Leserschaft erreichen dürfte, was vermutlich aber auch gar nicht in der Intention des Herausgebers lag.

(Werner Fletcher; 04/2007)


Ernst Jünger / Stefan Andres: "Briefwechsel 1937-1972"
Herausgegeben von Günther Nicolin.

Klett-Cotta, 2007. 192 Seiten.
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Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren, 1901-1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen. 1914-1918 Kriegsfreiwilliger, 1918 Verleihung des Ordens "Pour le Mérite". 1919-1923 Dienst in der Reichswehr. "In Stahlgewittern". Studium in Leipzig; 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 1936-1938 Reisen nach Brasilien und Marokko. "Afrikanische Spiele" und "Das Abenteuerliche Herz". Übersiedlung nach Überlingen. 1939-1941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 1946-1947 "Der Friede", 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluss der zehnbändigen "Werke" 1966-1981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main. 1988 mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französischen Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998: Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.

Stefan Andres wurde 1906 in Breitwies an der Mosel geboren. Novize bei den Kapuzinern, wollte Priester werden. Studierte dann aber Literatur in Köln, Jena und Berlin. Lebte von 1937 bis 1949 in Positano, dann in Unkel am Rhein, ab 1961 in Rom. Er gehörte zu den meistgelesenen Autoren der 1950er Jahre, am bekanntesten ist seine Novelle "Wir sind Utopia", eine Erzählung aus dem spanischen Bürgerkrieg. Andres starb 1970 in Rom.