Robert Anson Heinlein: "Utopia 2300"

Dieser Roman entstand im Jahr 1942 und ist in dieser Hinsicht schon ein Stück Zeitgeschichte.


Die Menschheit lebt in einer Welt, in der die meisten als genetisch sortierte Idealmenschen aufgewachsen sind und in der neues Leben meist gewissermaßen am Reißbrett entsteht. (Ein wenig so, wie bei "Gattaca", für diejenigen, die gerne einen aktuellen Bezugspunkt hätten). Die Wirtschaft der Erde ist weitestgehend zentral gesteuert und Hunger, erbliche Krankheiten und ähnliche unangenehme Dinge sind beinahe gänzlich ausgerottet.

Das Musterbild der genetischen Optimierung ist Felix Hamilton, der sich in seiner "schönen neuen Welt" - an die einige der Beschreibungen wirklich erinnern (Huxleys Werk datiert aus dem Jahr 1932) - zu langweilen beginnt . Er ist das, was im Erscheinungsjahr des Romans in Deutschland als "Übermensch" gegolten hätte - und auch das Ergebnis einiger ausgeräumter Irrwege, die zu zwei genetischen Kriegen geführt hatten, wobei in einem Fall so genannte Khane als hochgezüchtete Diktatoren tätig waren (was eine Idee davon vermittelt, woher Khan Noonien Singh in "Space Seed" und in "Der Zorn des Khan“ bei "Star Trek" herkam).
Felix Hamilton sucht dringend nach einem seinen Talenten entsprechenden Betätigungsfeld.

Eines der ihm angebotenen Betätigungsfelder ist die Vaterschaft, was er aber zunächst ablehnt. Dafür lässt er sich in eine Art Mantel-und-Degen-Abenteuer hineinziehen, mit dem einige Leute die Regierung stürzen wollen. Eines ihrer Ziele ist dabei, die Herrschaft zu übernehmen - natürlich - und dann alle "genetisch Minderwertigen" auszulöschen. Unter Felix' tätiger Mithilfe geht dieser Plan vollständig den Bach runter, und alle Verschwörer können ausgeschaltet werden. Doch im Laufe der Kämpfe, die sich dabei ergeben, fängt Felix an, ernsthaft über den Sinn des Lebens nachzudenken. Und als sich der Staub gelegt hat, beginnt er mit einigen Anderen dieser und weiteren philosophischen Fragen mit rein wissenschaftlichen Methoden nachzugehen. Da er sieht, dass die Antworten auf sich warten lassen müssen, beginnt er sich doch aktiv mit der Vaterschaft auseinander zu setzen.

Diese Vaterschaft holt ihn von den großen Gesellschaftsentwürfen ein wenig weg und lässt ihn sein Glück wesentlich näher an sich wieder finden, als er es jemals erwartet hat.

Wie immer sind Heinleins Helden auffallend altmodisch höflich, was in dieser Post-Utopie zu einigen sehr interessanten - wenn auch nicht für jedermann immer nachvollziehbaren - Problemen führt. Insgesamt wird der Autor hier wieder seinem Ruf eines konservativen Anarchisten problemlos gerecht.

Viele der wissenschaftlichen Beschreibungen in "Utopia 2300" mögen uns heute zu ausgiebig vorkommen, aber Robert Anson Heinlein hat hier, genau wie Huxley, für ein genetisch eigentlich eher "analphabetisches" Publikum geschrieben. Und es ist immer wieder nett, betagten Computern zu begegnen, die noch mit Lochkarten gefüttert werden ...

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2005)


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(Originaltitel "Beyond this Horizon")
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Noch ein Buchtipp:

Thomas Morus: "Utopia"
Europa und besonders England scheinen unrettbar von sozialen Missständen und Kriminalität beherrscht - wäre da nicht der hoffnungsvoll stimmende Bericht des Weltreisenden Raphael Hythlodeus: Nahe dem Äquator hat der seefahrende Philosoph auf seiner letzten Entdeckungsfahrt die Insel Utopia entdeckt, einen Hort wahrer Harmonie. Keine Sorgen bedrücken seine Einwohner, ihr Leben verläuft in ruhigen Bahnen, ohne Neid und Streit. Dass diese blumige Reiseschilderung nicht an allen Stellen ernst zu nehmen ist, vielmehr immer wieder ins allzu Fantastische, ja Satirische kippt, macht Morus’ Buch auf so sympathische Weise überzeugend. Thomas Morus weiß, dass vor den Schwächen der Menschen kein noch so ausgeklügeltes Staatssystem gefeit ist. Und so heißt "Utopia" nicht umsonst "Nichtland".
Wohlstand und leichte Arbeit für alle, ein Liebesleben ohne Konflikte und Kultur von Kindesbeinen an - so muss sie aussehen, die beste aller möglichen Welten. Diese Satire war auf der Suche nach ihr wegweisend, denn mit "Utopia" schrieb Thomas Morus 1516 den ersten Staatsroman der Neuzeit.
Nachfolger hat Morus in den düsteren Visionen eines George Orwell ("1984") oder Aldous Huxley ("Schöne neue Welt") ebenso gefunden wie im technischen Optimismus eines Francis Bacon ("Das neue Atlantis"). Nie wieder wurde das Thema jedoch mit ähnlich menschenfreundlicher Fantasie formuliert wie hier.
Thomas Morus (1478-1535) gelang in London eine beispiellose politische Karriere, die ihn als ersten Laien ins Amt des britischen Großkanzlers führte. Sie fand ein jähes Ende, als er aus religiösen Gründen sein Einverständnis zur Scheidung Heinrichs VIII. verweigerte. Der König ließ Morus gefangennehmen und enthaupten.
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