Jürg Halter: "Ich habe die Welt berührt"

Gedichte


Der Dichter und "Performance Poet" Jürg Halter wurde 1980 in Bern geboren. Er studierte an der Hochschule der Künste in Bern und ist infolge zahlreicher Auftritte bei Literaturfestivals und "Spoken-Words-Nights" in Europa, Afrika und den USA bekannt.

"Vergessen Sie Dada, vergessen Sie Pop, weg mit all dem neoromantischen Gesäusel und den schaurigen Realismusverschnitten, fort mit der einsilbigen Germanistenpoesie und Jim Morrison-Epigonen, jetzt kommt Jürg Halter, und der Mann hat ein Programm: 'Ich kaufe mir in Japan einen Sack mit Kohle/und schreibe mir mit einem Stück Kohle einen Oberlippenbart/wie ein Haiku unter die Nase. (...)'
- bewirbt der Verlag Jürg Halters erste Buchpublikation.

Bei Gedichtbänden müssen Verlage leider davon ausgehen, dass diese wohl nicht in großen Stückzahlen Absatz finden werden. Dies erklärt, warum auch relativ dünne Gedichtbände einen vergleichsweise hohen Verkaufspreis haben. Trotzdem wagen sich verschiedene Verlage immer mal wieder an Veröffentlichungen neuer Autoren im Bereich der Lyrik - und das ist für sich genommen bereits ein ganz löbliches Unterfangen.

Jürg Halters lyrisches Programm für diese Gedichtsammlung ist mit dem Titel genau umrissen, auch wenn man als Leser gelegentlich zunächst den Anknüpfungspunkt finden muss. In den sehr unterschiedlich gestalteten Gedichten gibt es mal längere und mal kürzere Verbindungen des lyrischen Ich mit der Welt und allem, was daran ist.

Hierbei kann das lyrische Ich ein Beobachter der Welt im Allgemeinen sein - oder aber auch ein eigentlich unbelebter Teil dieser Welt, der aus einer einzigartigen Perspektive auf die Welt zurückblickt. 
Der Autor bedient sich eher traditioneller Gedichtformen, die durch Verdichtung der Sprache - und weniger durch in modernen Formen übliche Verstümmelung - Bilder schaffen und zum Nachdenken anregen.
Eine überaus angenehme lyrische Erfahrung, die neue Eindrücke des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts in eine Form verpackt, wie sie in der modernen Lyrik seit dem 18. Jahrhundert den Menschen erfreut und zum Nachdenken gebracht hat.

Ex oriente lux

Im Wintergarten, im Kimono
aus meinen Hausschuhen entstehe ich.
Die Sonne gibt Wärme ab:
Morgentränen sind aus dem Auge fliehende Körper

An den Himmel aus meinem Bauchnabel steigt der Mond
sein Staub sind die Sterne, der Raum wird durch sie fixiert
jede Nacht: die große Bestäubung schafft den großen Bären
der große Bär ist eine Zeichnung, die Schicksale provoziert

Der Exodus der Träume läßt ein Vakuum zurück
eine unbestimmte Sehnsucht erknallt darin. -
Ex oriente lux heißt aus dem Osten kommt das Licht
heißt, daß der Luxus aus dem Osten kommen kann

Ich sitze gebeugt im Korbstuhl, in der einen Hand
meine Stirn, in der anderen eine Lieblingstasse
das Pulver darin in Erwartung von - ich warte mit
auf was unter erwachenden Augen einen Kaffee ergibt

(Aus "Ich habe die Welt berührt")

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2005)


Jürg Halter: "Ich habe die Welt berührt"
Ammann, 2005. ca. 100 Seiten.
ISBN 3250104809.
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Lien zur Netzseite von Jürg Halter:
http://www.art-21.ch/halter/.