Evan S. Connell: "Francisco Goya"

Ein Leben. Biografie


Goya - ein Künstlerleben während bewegter Zeiten

Kaum bekannt unter seinem eigentlichen Namen Francisco José de Goya y Lucientes, gilt der in dem kleinen Ort Fuendetodos bei Saragossa geborene Maler, Radierer und Lithograph Francisco Goya (1746-1828) heutzutage als einer der größten Künstler Spaniens. Anfangs noch beeinflusst durch den Spanier Diego Velazquez, den Venezianer Giovanni Battista Tiepolo und den Deutschen Anton Raphael Mengs wuchs Goyas Bekanntheit in dem Maße, in dem er sich eigenwillig von dem bisherigen Standard bei der Porträtmalerei entfernte. Sehr zum Verdruss so mancher Kunden aus dem Bereich Kirche, Adel und Königshaus lag ihm nicht an bloßer beschönigender Darstellung menschlicher Eitelkeit. Goya fühlte sich in zunehmendem Maße der realistischen Wiedergabe auch hässlicher Momente des Lebens verpflichtet. Dies brachte ihm neben einiger Kritik, weil etwa die Heiligenfiguren innerhalb einer Kirchenfreske wieder einmal nach dem Vorbild örtlicher Huren gemalt schienen, ein Untersuchungsverfahren der gefürchteten Inquisition ein. Goya stellte in der damaligen konservativen Zeit für viele Zeitgenossen eine Provokation dar.

Der 1924 in Kansas City geborene Autor Connell, von dem es heißt, er habe seine zahlreichen Buchprojekte nicht nach dem jeweiligen Markttrend, sondern nach seinem eigenen Geschmack ausgewählt, bringt uns in der vorliegenden Romanbiografie den Menschen und Künstler Goya näher. Vordergründig orientiert sich das 269-seitige Buch am Werdegang des Künstlers, der sich noch kaum 20jährig selbstbewusst, wenngleich erfolglos an Wettbewerben der Academia de San Fernando in Madrid beteiligte, später nach einem Aufenthalt in Italien, ersten Freskenaufträgen und der Heirat von Josefa Bayeu, der Schwester eines der Akademie-Juroren, mit Glück eine längerjährige Beschäftigung bei der königlichen Teppichmanufaktur ergatterte, bevor er in einer beispiellosen Karriere bis Ende des 19. Jahrhunderts zum Ersten Hofmaler Karls IV. aufrückte. Ohne seine ausgeprägte Beziehung zum spanischen Königshaus wäre der Werdegang dieses in vielerlei Hinsicht revolutionären Malers also völlig unvorstellbar gewesen.

Connells erzählende Biografie bringt dem Leser daneben zahlreiche Bilder des Künstlers näher, von denen allein neun in einem achtseitigen Farbfototeil in der Mitte des Buches abgebildet sind. Hierzu gehören das gefällige Porträt der Herzogin von Alba, der man ein Verhältnis mit Goya nachsagt, was wiederum der Vermutung Nahrung gibt, dass Goya bei den durch das Velazquez-Aktbild "Venus und Cupido" inspirierten Werken "Die Nackte Maja" und "Die Bekleidete Maja" ebenfalls die Herzogin abbilden wollte und er erst später der Verfremdung wegen das Gesicht übermalte. Die Darstellungen "Hexensabbath", "Der Koloss", "Der dritte Mai 1808", "Die Beerdigung der Sardine" oder "Saturn verschlingt seinen Sohn" wiederum lassen den Einfluss der sog. Alcalophiles, einer Gruppe von Künstlern, die sich nicht vor der Abbildung des Hässlichen in der Welt scheuten, erahnen. Aus Connells Biografie wird deutlich, dass kein Maler vor Goya das Abstoßende und das Grauen mit solch drastischer Wucht und Ausdrucksstärke thematisiert hat.

Der dritte rote Faden, der sich durch die 20 Kapitel des Buches hindurch zieht, ist die Leidenschaft des Autors für die Personen und die Geschichte Spaniens von 1746 bis 1828. Diese Begeisterung Connells führt mitunter zur Erwähnung so zahlreicher Namen im Umfeld des Künstlers, dass der Leser sich nach einer Lesepause manchmal erst wieder in Erinnerung rufen muss, wessen Biografie er eigentlich gerade liest. Auch wenn die Schilderung des Lebens porträtierter Aristokraten, mittelmäßiger Malerkollegen und sonstiger Zeitgenossen eine Vorstellung der damaligen Gesellschaft vermittelt, hätte doch die eine oder andere Straffung dem Gesamteindruck gedient. So drängt sich der Eindruck auf, der amerikanische Autor habe Goyas Leben nur als Vorwand genommen, um über ein Spanien am Ausgang des 18. Jahrhunderts, regiert durch ein dekadentes mittelmäßiges Königtum, geprägt durch Inquisition, Französische Revolution und Napoleonische Kriege schreiben zu können. Trotzdem vermag neben der einen oder anderen Anekdote aus dem Gesellschaftsleben des spanischen Adels etwa die instruktive Schilderung von Joseph Bonapartes spanischen Herrschaftsjahren durchaus zu begeistern.

Fazit: Connells anspruchsvolle, mehr erzählende, denn analysierende Biografie eines der größten Maler Spaniens gefällt. Sie ist anspruchsvoll, verlangt vom Leser angesichts der Vielfalt der erwähnten Namen und Personen ein gutes Gedächtnis. Andernfalls kann der rote Faden beim Einordnen dieser Personen in Goyas Umfeld schon einmal verloren gehen. Auch wenn Goyas Leben und Werk bündiger darstellbar gewesen wäre, bleibt das von Angelika Beck aus dem Englischen gut übersetzte, informative und detailreiche Buch lesenswert. Dafür bürgen bereits die historisch überaus interessanten Zeitepochen rund um Goya und das spanische Königshaus. Ein treffenderer Titel des Buches wäre wohl "Goya und seine Zeit" gewesen. Das Buch mit seinem geschmackvollen Schutzumschlag ist ein empfehlenswertes Bildungserlebnis, das den Wunsch erweckt, noch mehr über die Thematik zu erfahren. Anregungen dazu bietet die dreiseitige Auswahlbibliografie am Ende des Buches. Doch letztlich führt am Besuch des Prado in Madrid kein Weg vorbei.

(Dr. Matthias Korner; 06/2005)


Evan S. Connell: "Francisco Goya"
(Originaltitel "Francisco Goya")
Übersetzt von Angelika Beck.
Artemis & Winkler, 2005. 269 Seiten, 16 Farbtafeln.
ISBN 3-538-07207-8.
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Weitere Buchtipps:

Wilfried Seipel, Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): "Goya. Prophet der Moderne"

Goyas Werk beinhaltet Arbeiten wie die Entwürfe für die Bildteppiche der königlichen Tapisserie-Manufaktur, die in ihrer Lebensfreude dem ausgehenden Barock verpflichtet sind, aber auch Werke, die auf kommende Zeiten voraus weisen. 1789 zum spanischen Hofmaler ernannt, porträtiert Goya die königliche Familie Karls III., Adelige und Damen der vornehmen Gesellschaft, meisterhaft, aber zuweilen auch mit schonungsloser Offenheit. Nach persönlichen Schicksalsschlägen und schwerer Krankheit erfahren seine Bilder in den Jahren der Französischen Revolution und während der napoleonischen Schreckensherrschaft in Spanien eine neue Tiefe. Goya prangert in seinen Bildern Krieg und Terror an. Als beginnendes Alter und Verfolgung der wiedereingesetzten bourbonischen Monarchie ihn in die Isolation treiben, malt Goya seine größten Werke. In albtraumhaften Visionen ironisiert er die groteske Absurdität der Welt, in der der Mensch sein Leben durchmisst. In seinem "Welttheater" zeigt er janusköpfig die Mischung von Vernunft und Torheit, aus der sich das Leben zusammensetzt  rätselhafte Vorboten einer modernen Kunst. (Ausstellungskatalog; DuMont)
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Robert Hughes: "Goya. Der Künstler und seine Zeit"

Er kam aus der Provinz, wurde Hofmaler in Madrid, genoss als erster Maler des Königs hohes Ansehen und blieb doch ein Außenseiter: Francisco Goya y Lucientes (1746-1828) porträtierte nicht nur die Großen seiner Zeit, sondern auch Verbrecher, Bettler und Irre. Alltagsszenen beseelte er mit der gleichen Ausdruckskraft wie Traumbilder seiner bizarren Fantasie. Robert Hughes erzählt in dieser reich bebilderten Biografie, wie Goya die Konflikte seiner Zeit erlebte und wie er in seiner Kunst die Tradition vollendete und die Moderne begründete.
In seinem für die damalige Epoche ungewöhnlich langen Leben schuf Goya ein gewaltiges Werk: siebenhundert Gemälde, dreihundert Drucke und mehrere Freskenzyklen. Vielleicht berühren uns die meisten davon auch heute noch so sehr, weil sie herben Rückschlägen abgerungen wurden: Goyas Liebeswerben um die schöne Herzogin von Alba scheint erfolglos geblieben zu sein; mit Ausnahme von Javier überlebte keines seiner vielen Kinder, und er selbst wurde 1792 nach einer schweren Krankheit taub. Fortan suchte seine Fantasie nach ganz neuen Ausdrucksformen. So entstanden die "Caprichos", die schnell wieder vom Markt verschwanden, weil die Karikaturen von Kupplerinnen, Stutzern und Aristokraten verstörend wirkten. Die 1810 begonnen "Desastres de la Guerra" wiederum stellten die Schrecken des spanischen Partisanenkrieges gegen die napoleonischen Besatzer so ungeschönt dar, dass sie erst ein halbes Jahrhundert später der Öffentlichkeit gezeigt wurden.
Robert Hughes verehrt diesen Künstler, seit er als junger Mann eine Kopie von Goyas Radierung "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" erwarb. Schon damals reifte in ihm der Entschluss, eine Biografie über Goya zu schreiben. Aber erst nach jahrzehntelanger Annäherung an den großen Spanier legte er dieses bewegende Buch vor, in dem - ein absolutes Novum - auch die frühen Wandgemälde Goyas in dem Aula-Dei-Kloster analysiert werden. Es ist einfühlsam und mit leichter Hand erzählt, tief schürfend in der Analyse und reich an faszinierenden Einblicken in die Epoche zwischen Aufklärung und Restauration. (Blessing)
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Werner Hofmann: "Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle"

Werner Hofmann bietet in diesem, mit fast 200 weitgehend farbigen Abbildungen großzügig ausgestatteten Band einen umfassenden Überblick über das einzigartige malerische und grafische Werk Francisco Goyas. Darüber hinaus erschließt er dem Leser das Verständnis und den rätselvollen Doppelsinn einer Bildwelt, deren abgründige Chiffren für die "Welt als Tollhaus" bis heute Geltung besitzen.
Die Bahnbrecher des Neuen am Ende des 18. Jahrhunderts, und Francisco Goya y Lucientes ist einer von ihnen, sind bestürzend zweideutig - moralisch wie ästhetisch. So lautet Werner Hofmanns Fazit seines hier vorgelegten Bandes, der in einem brillanten Bogen Leben und Werk des spanischen Malers nachzeichnet.
Der Bilderkosmos Goyas reicht von den frühen Teppichkartons und ihrer delikaten Formenvielfalt des Rokoko bis zu den Schwarzen Gemälden seiner späten Jahre und den grafischen Serien der Caprichos, Desastres und Proverbios, vom Gesellschaftsporträt über die Sittenchronik bis zur "Welt als Tollhaus", in dem diesseitige und jenseitige Hölle sich verschränken. Auch die religiösen Bilder geraten Goya zum Traditionsbruch: "... in der Malerei gibt es keine Regeln."
Folgt man den hellsichtigen Visionen des Malers, so erfüllen Absurdes und Irrationales die Welt. Goya benennt deren Abgründe in ihrer teuflischen Schönheit. Aber er zügelt die barbarischen Schrecknisse nicht, sondern bannt sie und steigert sie formal. In diesem rationalen Gestaltungsakt einer absurden Welt liegt die unerhörte und verstörende, bis heute andauernde Modernität seiner Schöpfungen. (C.H. Beck)
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Julia Blackburn: "Der alte Goya"
Spanien am Ende des 18. Jahrhunderts. Ein berühmter Mann, erster Hofmaler des Königs, hat Angst. Er steht auf der Schwelle des eigenen Hauses und zögert den Eintritt hinaus. Er ist lange fort gewesen. In den vertrauten Zügen seiner Frau erkennt er die Zeichen der Zeit, die auch in seinem Gesicht zu sehen sind. Er schweigt und hat Angst vor ihren ersten Worten, denn er wird sie nicht hören können. Eine schwere Krankheit hat ihn vollständig taub gemacht. 1792, im Alter von 47 Jahren, verliert Francisco José de Goya das Gehör. Julia Blackburn begleitet den großen spanischen Maler durch die folgenden 35, unvermindert produktiven Jahre seines Lebens. Auf unvergleichliche Weise gelingt es ihr, die absolute Stille der Welt des alternden Künstlers Goya begreiflich zu machen, die er in Bildern von rätselhafter, bisweilen geradezu lärmender Expressivität verarbeitet. Eine glänzend geschriebene, ergreifende Studie - näher kann man Goya nicht kommen.
Ein ergreifendes Buch über den großen spanischen Maler Francisco de Goya. Mit unvergleichlicher Sensibilität und empathischer Neugier spürt Julia Blackburn dem Leben eines der erfolgreichsten und zugleich rätselhaft eigenwilligsten Künstler seiner Epoche nach. Sie entlässt den Leser als vertrauten Freund dieses außergewöhnlichen Menschen. (Berlin)
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Bodo Vischer: "Das Auge der Natur - Goyas Stilleben"
Der aufwändig gestaltete Band beleuchtet einen kaum beachteten Aspekt im Werk Goyas, der unter anderem für seine Serie von Radierungen "Los Caprichos", das Gemälde "Die nackte Maja" oder die unter dem Eindruck des napoleonischen Krieges entstandene Radierfolge "Desastres de la guerra" bekannt ist. Zehn Stillleben von der Hand Goyas haben sich erhalten. Sie werden in die Jahre 1808-12 datiert. Gemessen am Gesamtwerk des Künstlers (1870 Positionen) nehmen die Stillleben nur einen geringen Raum ein. Dennoch gehören sie zu den bedeutendsten Repräsentanten ihrer Gattung. (Michael Imhof)
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Dagmar Feghelm: "Ich, Goya"
Goya ist vor allem durch seine großen grafischen Zyklen bekannt, die sich vorwiegend gegen den Schrecken des Krieges und
die Inquisition richten. Die Kühnheit und Kraft der Kompositionen lässt die Blätter noch heute modern erscheinen. In diesem Buch steht der Mensch Goya im Mittelpunkt. Zahlreichen authentischen Äußerungen und herausragenden Detailfotos seiner Hauptwerke folgen ein leicht lesbarer Text zum Künstler, eine umfassende Werkübersicht mit vielen Zitaten von Zeitgenossen sowie eine Zeitleiste, die wichtige Ereignisse in Goyas Leben und der spanischen Geschichte deutlich macht. Der kritische Zeitzeuge und Meister des Abgründigen wird hier in neuer, eindringlicher Weise lebendig. (Prestel)
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Jörg Traeger: "Goya. Die Kunst der Freiheit"
Freiheit ist eine der drei Forderungen der Französischen Revolution. Freiheit auch für die Kunst? Berühmtester Protagonist einer neuen - liberalen - Kunst ist der spanische Hofmaler Francisco Goya, der dem bürgerlichen Welt- und Menschenbild in seinem Werk Ausdruck gibt. Jörg Traeger benennt die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und politischen Bedingungen für Goyas Oeuvre und beleuchtet die zukunftsweisenden Konsequenzen für die "Freiheit" des Künstlers bis hin zu Exil und Entfremdung im 20. Jahrhundert. Im Zentrum des Buches steht der weltgeschichtlich neue Typus des Liberalen, der zwischen Revolution und Reaktion eine mittlere Position vertritt. Künstlerisch überragendster Protagonist dieses liberalen Geistes ist Goya, Hofmaler und Porträtist der aristokratischen Gesellschaft Spaniens im Zeitalter Napoleons. In exemplarischen Analysen bestimmt Jörg Traeger die Pole der "gespaltenen" Kunst Goyas - vom offiziellen Gesellschaftsporträt bis zum inoffiziellen Capriccio. Dass Liberalität aber nur um den Preis des Kompromisses zu gewinnen ist, belegen die Lebensstationen des Künstlers: Hofmaler einer dekadenten Monarchie, Kollaborateur unter Napoleon, schonungsloser Ankläger von Inquisition und Folter während der Bourbonischen Restauration. Von Goya ausgehend erörtert Jörg Traeger die neu entstandene Staatsmalerei, die Modi des Obszönen und der Ironie in der Kunst, das Bild des Krieges und des Nichts in epochen- und länderübergreifendem Zusammenhang. Damit spannt er den Bogen von den theoretischen Voraussetzungen einer Kunst der Freiheit in Antike und Renaissance bis zu Exil und Entfremdung des Künstlers in der Gegenwart. Goyas Freiheit erweist sich zuletzt als unser aller Freiheit. (C.H. Beck)
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