Robert Gernhardt: "Im Glück und anderswo" 


"Süße des Alleinseins. Niemand
Da, der dir versalzen könnte
Deine Freude beim Beschauen
Beim Bedenken, beim Beschweigen
Schaut und denkt und schweigt am besten
Wer sich sicher weiß: Hier, nimmt mir
Niemand des Alleinseins Süße"

Gedichte über das Leben, über Freude, Glück, Ruhm und Verzweiflung. Die Aufzählung könnte endlos fortgesetzt werden, da Robert Gernhardt in dem Band "Im Glück und anderswo" nahezu alle Bereiche des Lebens berührt. Seine vielseitigen Themen ermöglichen interessante und vielschichtige Blickwinkel.

So entstehen alltägliche Geschichten in Form von Sonetten und Balladen. Einerseits voller Gefühl, humorvoll mit leiser Ironie, dann wieder zynisch, abstoßend, verletzend. Gedichte, die auch vor dem Verfall des Menschen und den damit verbundenen Unpässlichkeiten nicht Halt machen.

Robert Gernhardts Lyrik kann man keinesfalls als etwas Ausgefallenes bezeichnen, sondern sie spiegelt vielmehr die Alltagswelt in all ihren Facetten wider. Sie beleuchtet Alltäglichkeiten, Menschen und ihre vielfältigen Beziehungen, Unbequemlichkeiten, Animositäten und die Götzen der heutigen Zeit. Einige seiner Gedichte triefen vor beißendem Spott, manche bringen den Leser zum Schmunzeln, viele regen zum Nachdenken an, rufen einen gewissen Aha-Effekt hervor, schockieren - man fühlt sich ertappt, entblößt - vor allem aber rütteln sie den Leser wach, machen hellhörig. Abschließend möchte ich hervorheben, dass beim Lesen von Robert Gernhardts Gedichten Spuren zurückbleiben. Das Gedicht "Die Gedanken sind roh" hat bei mir tiefe Spuren, Gänsehaut und Beklemmung hinterlassen:
"Sehend das zugeschwollene Auge des Penners,
des einsamen, stets mit sich selbst redenden Mannes,
dachte er bei sich: Na bitte! Dann hat der ja doch
noch
Kontakte mit Menschen."

(margarete; 09/2002)


Robert Gernhardt: "Im Glück und anderswo"
Gedichte.
S. Fischer, 2002. 288 Seiten.
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Robert Gernhardt, am 13. Dezember 1937 in Reval/Estland geboren, studierte Malerei und Germanistik in Stuttgart und Berlin. Er lebte als Schriftsteller, Maler, Zeichner und Karikaturist in Frankfurt am Main. Für sein Werk wurde Robert Gernhardt mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Seine größten Erfolge feierte er mit seinen satirischen Bildgeschichten in Zeitschriften wie "PARDON" und "TITANIC"; außerdem sind mehrere Bände mit satirischen Texten von ihm erschienen, z.B. "Die Toscana-Therapie" und "Kippfigur". Einem breiteren Publikum wurde er als Drehbuchautor der
"Otto"-Filme bekannt.
Robert Gernhardt erlag am 30. Juni 2006 einem Krebsleiden.