Christine Gruber, Elfriede Fröschl (Hg.): 
"Gender-Aspekte in der Sozialen Arbeit"


Diese als Lehr- und Arbeitsbuch konzipierte Publikation macht deutlich, wie wichtig die Reflexion der Geschlechterdifferenz in allen sozialen Bereichen ist. Wichtig um bestehende Missstände zu erkennen, aufzuarbeiten und die Auswirkungen der Geschlechterrollen im alltäglichen Leben zu hinterfragen.

Das Herausarbeiten der Unterschiede zwischen Männern und Frauen darf aber nicht dazu führen, dass die zum Teil beachtlichen Unterschiede zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts übersehen werden. In diesem Sinn liefert dieses Buch wichtige Denkanstöße, gerade die Unterschiede zwischen uns Frauen zu beleuchten. Unterschiede, die abhängig sind von kultureller, sozialer und sexueller Orientierung, der körperlichen Ausstattung, aber auch von der jeweils individuellen Entwicklung. Gerade für die Sozialarbeit ist es sehr wichtig, die Individualität und das Entwicklungspotential des Einzelnen herauszuarbeiten, dabei aber seine sozialen Strukturen und die bestehenden Machtverhältnisse mit einzubeziehen.

Wie kompliziert die Verhältnisse aber wirklich sind und wie untergründig Zuschreibungen aufgrund der geschlechtsspezifischen Beurteilung funktionieren, wird gleich am Beginn dieser Publikation intensiv herausgearbeitet.

Sehr nachhaltig habe ich mich mit dem Kapitel "Globalisierung und Geschlechterverhältnis" auseinandergesetzt und vor allem mit den zwei Seiten des Emanzipationsbegriffes, der gerade zwischen einheimischen und eingewanderten Frauen zu einem zweischneidigen Schwert wird. Es wird zwar einerseits auf die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen gepocht, andererseits wird der Unterschied zwischen den Frauen dadurch oft verschärft. Sehr stark zeigt sich diese Doppeldeutigkeit des Emanzipationsbegriffes in jenen Konzepten, wo Frauen aufgrund von Dienstleistungen anderer Frauen (z. B. Kindermädchen, Putzfrauen) die eigene Emanzipation erreichen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die wachsende Kluft zwischen den ökonomischen Klassen, die auch die Kluft zwischen Frauen innerhalb der hoch industrialisierten Nationen sowie zwischen ihnen und den Frauen der Dritten Welt immer größer werden lässt. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, die eigenen Lebensbedingungen und Widersprüche stärker zu hinterfragen und im Rahmen einer globalen Diskussion Chancengleichheit für alle im Auge zu behalten.

Sehr interessant ist das Kapitel über Armutsrisiken und Armutsbekämpfung. Die Armut wird dabei unterschiedlich und aus verschiedenen Gesichtspunkten definiert, wobei sich die europäische Fachliteratur in erster Linie an dem Konzept der relativen Armut orientiert. Demzufolge gelten als verarmt jene Einzelpersonen, Familien und Personengruppen, die über so geringe Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist. Sehr aufrüttelnd sind aber die geschlechtsspezifischen Aspekte der Armut. Von den weltweit (geschätzt) 1,3 Milliarden in Armut lebenden Menschen sind mehr als 70 Prozent Frauen. Wobei dabei aber anzumerken ist, dass weltweit Frauen zwei Drittel der Arbeit verrichten, aber nur ein Zehntel des Gesamteinkommens verdienen und weniger als ein Hundertstel des Weltvermögens besitzen. Dieses Buch setzt sich ebenso mit den Gründen für Armut von Frauen und Männern auseinander.

Aber auch alle folgenden Kapitel, wie "Gender-Aspekte des Rechts", "Liebe und Sexualität", "Frauen und Gesundheit", "Gewalt an Frauen in Familien", "Frauenhandel" usw., dieses Buches sind lesenswert und als Denkanstoß wichtig. Ich bin davon überzeugt, dass diese Lektüre die Leserinnen und Leser zur Reflexion der Geschlechterrollen, im Speziellen auch der eigenen, motivieren kann und damit bereits einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Chancengleichheit auch innerhalb der Geschlechter leisten kann.

Ich möchte mit einer Stelle dieses Buches enden, die mich sehr berührt und zum Nachdenken angeregt hat. Es geht dabei um die Entschleierung der Frau im arabischen Raum, die von der arabischen Frauenbewegung sehr zwiespältig beurteilt wurde. Es wurde auch die Motivation der Männer, die das Ablegen des Schleiers plötzlich fordern, hinterfragt. Malak Nassef antwortet einer jungen Feministin in einem offenen Brief in einer Kairoer Zeitung auf die Frage, ob sie nun den Schleier ablegen soll oder nicht: "Wir werden durch das Unrecht der Männer unterdrückt. Wenn sie sagen, verschleiere dich, dann verschleiern wir uns, wenn sie sagen, entschleiere dich, dann legen wir den Schleier ab. Ihre Worte müssen sorgfältig abgewogen werden, denn sie sind genauso despotisch, wenn sie uns befreien, wie sie despotisch sind, wenn sie uns unterdrücken" (zit. Nach Ahmed 1992,182).

(margarete; 03/2003)


Christine Gruber, Elfriede Fröschl (Hg.): 
"Gender-Aspekte in der Sozialen Arbeit"

Czernin Verlag, 2001. 352 Seiten. 
ISBN 3-7076-0107-2.
ca. EUR 21,65.
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