Ulrich von Liechtenstein: "Frauendienst"


Ulrich von Liechtenstein (Lichtenstein) wurde um 1200 geboren, er starb zwischen 1275 und 1277 (sein Grab befindet sich in der Pfarrkirche von Frauenburg, Steiermark). In die Literaturgeschichte ging er als Minnesänger und Epiker ein. Er entstammte dem steirischen Dienstadel, war 1241 als Truchsess und 1245 als Landesrichter und Landeshauptmann ein führender Adeliger der Steiermark, unternahm als Minneritter große Turnierfahrten (1227 "Venusfahrt", 1240 "Artusfahrt"), von denen er - als Woody Allen des Mittelalters? - im "Frauendienst" (1255), einer nach literarischen Mustern gestalteten, jedoch von gewisser Selbstironie durchwehten Pseudo-Autobiografie, berichtet. Zur Veranschaulichung möge die folgende Szene dienen: Ulrich bittet einen edlen Mann, ihm den verwundeten Finger abzuschlagen, weil der von ihm verehrten Dame berichtet wurde, er hätte ihn (den Finger!) im hochlöblichen Kampfe für ebendiese Frouwe verloren und schickt ihn als Beweis seiner aufrichtigen, reinen Treue in einer eigens gefertigten, kostbaren Schatulle der Frau seines Herzens: "Die schöne, edle, liebe Frau, / die Herrin aller Freuden mein, / sie möge mir doch gnädig sein! / Den Finger, den ich ihr gesandt / von meiner dienenden rechten Hand, / der war zum Dienste ihr gebor´n, / nun ging er in dem Dienst verlor´n. / Sie kann ihn wohl bedauern, / denn er hat ihr in Treue / gedient bis an sein Ende."

Weiters sind 57 Minnelieder und das "Frauenbuch", eine Minnelehre (1257), überliefert. In seinen Dichtungen, die beachtliches formales Können und ein gehörig Maß Lebensnähe aufweisen, beklagt Ulrich von Liechtenstein den Verfall der höfisch verfeinerten Kultur.

Der Roman Frauendienst ist weiters bemerkenswert, weil Ulrich selbst als Minneritter, also in der Ich-Form, auftritt. Dennoch wäre es töricht, den Roman mit Autobiografien im heutigen Sinn in einen Topf zu werfen, mischt er doch historische Wirklichkeit und Romandarstellung, sodass sich ein außergewöhnlich unterhaltsames, wenngleich bisweilen ermüdend detailfreudiges Gemisch aus Heldenmär und Tölpelgeschichte (ein echtes Menschenleben eben!) dreifingerhoch auftürmt.

Und so klang es wohl vor langer, langer Zeit, das Lied
Süeze doene

In dem walde süeze doene
singent kleiniu vogelîn.
an der heide bluomen schoene
blüejent gen des meien schîn.
alsô blüet mîn hôher muot
mit gedanken gen ir güete,
diu mir rîchet mîn gemüete
sam der troum den armen tuot.

Ez ist ein vil hôch gedinge
den ich gen ir tugenden trage,
daz mir noch an ir gelinge,
daz ich sælde an ir bejage.
des gelingen bin ich frô.
got geb daz ichz wol verende,
daz si mir den wân iht wende
der mich fröit sô rehte hô.

Sie vil süeze, valsches âne,
frî vor allem wandel gar,
lâze mich in liebem wâne
die wîl ez niht baz envar;
daz diu fröide lange wer,
daz ich wænens iht erwache.
daz ich gen dem trôste lache
des ich von ir hulden ger.

Wünschen unde wol gedenken
dest diu meiste fröide mîn.
des sol mir ir trôst niht wenken,
sie enlâze mich ir sîn
mit den beiden nâhen bî,
sô daz si mit willen gunne
mir von ir sô werder wunne,
daz si sælic iemer sî.

(Felix; 6/2001)


Ulrich von Liechtenstein: "Frauendienst"
Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche übertragen von Franz Viktor Spechtler.
Wieser Verlag 2000. 666 Seiten. ISBN 3-85129-309-6.
ca. EUR 25,90.
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