Joachim Fernau: "Halleluja"

Die Geschichte der USA


Das bis Karl Heinz Deschner wohl USA-feindlichste Buch in deutscher Sprache hat - obwohl vor über 20 Jahren geschrieben und im Schlusskapitel geschichtlich überholt - nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Mit betont leichter Feder wird der Aufstieg der USA von den Indianerausrottungen bis zum Kalten Krieg als große Menschheitstragödie dargestellt. Trotz aller im Vergleich zu Deschner betont preußischen Zurückhaltung (die erst im vorletzten Kapitel aufgegeben wird), trotz vornehm-ironischen Konversationstones verleugnet der Autor schon von der ersten Textseite - ja sogar schon vom dieser vorangestellten biblischen Motto - an seine negative Parteilichkeit gegen den beschriebenen Staat nicht.

Gerade in diesem ausgesprochen pointierten Stil, der den Leser überaus zu fesseln versteht, also in eher literarischen Qualitäten liegt ebenso eine der großen Stärken des Buches wie in der Veranschaulichung von großen Zusammenhängen. Dass Fernau die von den USA ausgehende Niedertracht ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Kapitalismus zurückführt, ist für einen konservativen Autor zwar bemerkenswert, jedoch in erkenntnistheoretischer Hinsicht keine allzugroße Leistung. Trotzdem - gerade darin, dass die USA-Kritik von konservativer, von "rechter" Seite erfolgt, liegt es, dass sich für den zumeist linkslastigen amerikakritischen Leser wohl einige neue Blickwinkel, einige erfrischende neue Zugänge auftun. Umsomehr wird der konservative Leser profitieren. Die gnadenlose Aufzählung von Zahlen, Daten, Fakten hingegen ist so Fernaus Sache nicht, diesbezüglich - auch hinsichtlich mancher Einschätzungen, die bei Fernau mitunter sogar zu positiv ausfallen, wie etwa bei der Würdigung der US-Verfassung oder z.B. des Präsidenten Teddy Roosevelt, den er offenbar als isolationistischer als Wilson einschätzt und dessen massive antideutsche Kriegshetze er übersieht - ist Deschner zuverlässiger. Diese Mängel sind jedoch in einem Zeitalter, in welchem Information ohnehin auf Knopfdruck abrufbar ist, umso verzeihlicher und schmälern sohin keineswegs den Wert des Buches. Was nun das bereits erwähnte vorletzte Kapitel betrifft, lassen wir den Autor selbst zu Wort kommen. Er bezeichnet es selbst als seinen Schwanengesang, einen Begriff, den er erklärt und beschreibt und setzt fort:

"Was ist in unseren Händen geblieben? Was können wir unseren Vätern antworten, wenn sie fragen, was wir mit dem Erbe des 19. Jahrhunderts, des perikleischen Zeitalters getan haben? Was halten wir in Händen?
Wir haben alles vertan, was uns ein guter Gott, oder wie immer sein Name sein mag, gegeben hat. Heute haben wir nicht einmal mehr den Frieden der ärmsten Kreatur. Es ist alles kaputt in unserem Herzen. Es schlägt wie rasend, aber es ist leer. Die Sehnsucht nach Heimkehr an das Herz der Großen Mutter ist erloschen. Wir sind einsamer als der Schwan. Unsere Kehle ist zugeschnürt.
Es ist alles kaputt. Verzeiht uns! Wer? Wer soll uns verzeihen? Der Glaube ist kaputt, niemand hat mehr die Inbrunst, die zu einem verzeihenden Gott, irgendeinem Gott will, und nirgends mehr ist ein Gott, der zu uns will. (...)
Darum verliert kein Mitleid! Ich sage: Hasst! Hasst, was da über uns kommt! Wenn ich das sage, mache ich in Wahrheit nicht Platz für die Liebe?
Kann nicht auch Gott nur annehmen, indem er zugleich verwirft? Verdammt er nicht um der Liebe willen? Ja, wer liebt, muss zugleich auch verwerfen.
Deshalb aus Liebe zudem, wonach wir hungern und was man kaputtgemacht hat, deshalb sage ich: Hasst! Die Liebe ist machtlos geworden.
Dort drüben, jenseits des Ozeans, steht der Schuldige."


Anstelle von (zugegebenermaßen nicht allzu objektiver) Geschichtsbetrachtung ist ein ergreifendes document humain getreten. Was für ein Text! Hier legt Fernau alle Zurückhaltung, alle Ironie ab, und steigert sich von einem melancholischen Schwanengesang ausgehend in einen verzweifelten Ausbruch hinein, in eine riesige Anklage gegen das, "was da über uns kommt!".

Im eigentlichen (kurzen) Schlusskapitel hofft Fernau (1970er-Jahre!) auf einen Sieg des Kommunismus, denn:
"Gewinnt der Amerikanismus, so wird er in 150 Jahren die Menschheit zugrunderichten, und die Erde wird als erstorbener Mars im Weltall weiterkreisen."

Lasset uns beten.

(Franz Lechner; 04/2002)


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