Michael Hardt, Antonio Negri: "Empire"

Die neue Weltordnung

"Das Empire materialisiert sich geradewegs vor unseren Augen. Über mehrere Jahrzehnte, in deren Verlauf Kolonialregimes gestürzt wurden, und schließlich unvermittelt, als die sowjetischen Grenzen des kapitalistischen Weltmarkts endgültig zusammenbrachen, waren wir Zeugen einer unaufhaltsamen und unumkehrbaren Globalisierung des ökonomischen und kulturellen Austauschs. Zusammen mit dem globalen Markt und mit globalen Produktionsabläufen entstand eine globale Ordnung, eine neue Logik und Struktur der Herrschaft - kurz, eine neue Form der Souveränität. Empire ist das politische Subjekt, das diesen globalen Austausch tatsächlich reguliert, die souveräne Macht, welche die Welt regiert." (Aus dem Vorwort)


Jenseits nationaler Grenzen haben sich wirtschaftliche Verflechtungen weltumspannend immer stärker formiert und gefestigt. Die Welt ist globalisiert, durch umfassende Kommunikationsnetze erfasst und vereinheitlicht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten im europäischen Osten expandierte der Kapitalismus frohlockend und siegessicher. Eine neue Weltordnung war im Entstehen. Sollte die kapitalistische Konsumgesellschaft des Westens im allgemeinen und die USA als ihre Speerspitze im besonderen die führende Rolle in einem neu geordneten System darstellen?

Mitnichten, meinen die Autoren Michael Hardt und Antonio Negri. Alte Modelle der imperialistischen Vorherrschaft mächtiger Nationen haben ausgedient. Die neue Weltordnung - als "Empire" begriffen - sei so hybrid, dezentriert und expansiv wie die sich derzeit abspielenden Globalisierungsprozesse. Eine neue, örtlich nicht festmachbare, Souveränität entsteht, während nationalstaatliche Souveränität zunehmend fragiler wird. In ihrer umfassenden und komplexen Analyse zeichnen sie den Hergang der gegenwärtigen Entwicklungen nach, die letztendlich den Kapitalismus seinem Ende zuführen sollen.

Das profunde Theoriewerk der renommierten Autoren ist in vier große Abschnitte derart eingeteilt, dass der/dem LeserIn ein Querlesen jederzeit möglich ist, wozu sie/er von den Autoren auch ausdrücklich ermuntert wird. Nach anspruchsvoller Erörterung der neuen, souveränen Macht erfolgt im letzten Kapitel ein Ausblick auf Alternativen, die eine Überwindung des Empire ermöglichen sollen. Eine "konkrete, politische Alternative zum Empire" bestünde noch nicht und werde auch nicht aus "theoretischen Ausführungen" wie den ihrigen erwachsen. Dass sie aus der Praxis entstehen werde, scheint für Negri und Hardt allerdings gewiss.

Michael Hardt, 1960 geboren, ist Professor für Literaturwissenschaft an der Duke University Durham, NC, in den USA. Seine Schwerpunkte sind literarische Moderne und literarischer Realismus im 20. Jahrhundert. 
Antonio Negri war in den 1970er Jahren Professor für Politikwissenschaft in Padua und einer der führenden Theoretiker der italienischen Linken. In dieser Eigenschaft soll er einer der Köpfe hinter den Anschlägen der Roten Brigaden gewesen sein. In einem umstrittenen Prozess wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt. 1983 ins Europäische Parlament gewählt, konnte er nach Frankreich fliehen. Dort erhielt er Asyl als politischer Flüchtling und lehrte als Professor für Philosophie an der Sorbonne. 1997 kehrte er nach Italien zurück und wurde erneut inhaftiert. Heute ist er mit Meldeauflagen aus der Haft entlassen und lebt in Rom.

(ama; 05/2003)


Michael Hardt, Antonio Negri: "Empire"
Aus dem Englischen von Thomas Atzert und Andreas Wirthensohn.
Gebundene Ausgabe:
Campus, 2002. 461 Seiten. 
ISBN 3-5933-6994-X.
ca. EUR 34,90.
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Taschenbuch:
Campus, 2003. 461 Seiten. 
ISBN
3-593-37230-4.
ca. EUR 19,90.
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