Wolfgang Bergmann: "Die Kunst der Elternliebe"


Der Titel ist Programm

Wolfgang Bergmann ist Kinderpsychologe mit Praxis in Hannover. Nach einigen anderen Büchern (u.a. "Gute Autorität") und einer Reihe von Veröffentlichungen in verschiedensten Zeitschriften und Zeitungen ist nun sein neuestes Buch erschienen. Hierin versucht er darzulegen, dass letztlich der wertvollste Erziehungsberater die mütterliche Intuition ist, sofern diese nicht durch zu viel unterschiedlichste Literatur im wahrsten Sinn des Wortes verbildet wurde.

Dies ist ein sehr guter und wichtiger Ansatz, jedoch ist die Darstellung im Buch nicht immer optimal gelungen. So ist z.B. die Struktur nicht überzeugend gewählt, viel zu oft springt Bergmann zwischen Themen hin und her. Dies ist zwar eine lässliche Sünde, da der Lesefluss dadurch nicht wesentlich gestört wird, dennoch ist es erwähnenswert. Viel schwerer wiegt in meinen Augen jedoch die Tatsache, dass der Autor sehr häufig darauf hinweist, welche Katastrophen ein Fehlverhalten auslöst. Damit wird er vielen Müttern mehr Angst machen, als er ihnen Beruhigung und hilfreiche Hinweise geben wird. Leider erst sehr spät im Buch deutet er zart an, dass Kinder solche Katastrophen durchaus verarbeiten können; das Damoklesschwert des psychologisch zerstörten Kindes bleibt allerdings immer über dem Leser hängen.

Bergmann vertritt in dem Buch die These, dass einem Kind mehr Liebe und weniger erzieherische Konsequenz zugemutet werden sollte - das soll nicht heißen, dass er Konsequenz per se verurteilt, sondern einfach, dass er für mehr Gelassenheit plädiert. Er richtet sich also an genau jene Verhaltensweise, die instinktiv von den Eltern angewandt würde, hätten sie nicht Tausende "gute" Tipps erhalten. Weiters legt der Autor seine Ansicht dar, dass Kinder sehr wohl beide der tradierten Geschlechterrollen brauchen und kritisiert massiv die "Vermütterlichung" der Väter - eine durch und durch wertkonservative Darstellung, die viele Kritiker in den liberalen Reihen finden wird.

Trotz der geäußerten Kritik habe ich das Buch gerne und beinahe in einem Rutsch gelesen, da es sehr locker und leicht zu lesen ist und in den Kernthesen eine große Wahrheit vertritt. Ein Buch, das man also lesen sollte; allerdings nur, wenn man es mit dem nötigen Abstand zu begreifen sucht. Jemand, der sich jede Aussage Bergmanns tief zu Herzen nimmt, wird sich als schlechter Elternteil fühlen und das Schlimmste für die Zukunft seines Kindes befürchten.

(Reinhold Stansich; 08/2005)


Wolfgang Bergmann: "Die Kunst der Elternliebe"
Beltz, 2005. 248 Seiten.
ISBN 3-407-85775-6.
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Einige weitere Bücher des Autors:

"Erziehen im Informationszeitalter"

Unkonzentriert und oft aggressiv, in sich gekehrt oder schnell gelangweilt - irgendwie sind sie anders, unsere Kinder, "schwieriger". Mit Fernsehen und Video, Computer und Internet ist Kindheit heute eine völlig andere als noch die der Elterngeneration. Und auch die Erlebniswelten von Eltern und Kindern scheinen häufig nicht mehr "kompatibel". Tiefer als bisher angenommen prägt die Medienwelt die kindliche Seele, meint Wolfgang Bergmann, und dies ist nicht selten die Ursache für Verhaltensauffälligkeiten oder Lernprobleme.
So hat er eine Pädagogik entwickelt, die dem Aufwachsen in einer multimedialen Welt erstmals grundlegend Rechnung trägt. Anhand von vielen Fallgeschichten und Übungen zeigt er, wie Erziehung im Informationszeitalter gelingen kann.
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"Wie Eltern wirklich helfen können"
Lernprobleme, Ängste, Konzentrationsschwächen.
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