Eugen Drewermann: "Der Froschkönig.
Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet"

Über menschliche Wandlung und Reifung


Warum überhaupt verlieben sich Prinzessinnen in Frösche?
Mit dieser Frage beginnt die tiefenpsychologische Deutung des Märchens "Der Froschkönig". Doch wird erst einmal eine Frage aufgeworfen, folgen viele weitere wie "Wer ist der Frosch? Wer die Prinzessin? Wofür stehen diese Sinnbilder?"

Im Abschnitt über die psychologische Froschkunde erfährt der Leser eine Menge über den Leumund von Fröschen, der zunächst ganz passabel war. Doch bei Ovid erscheinen die Frösche als abweisend, egozentrisch und vor allem als frech, keifend und höhnisch. Auch Goethe schreibt den Fröschen unbelehrbares dumpfes Gehabe zu. Doch dieses Märchen wirft die Frage auf "Wie wird ein geborener König zum Frosch" bzw. "Wie darf ein Frosch sich einbilden, ein König zu sein?" Diesen beiden Fragen wird ausführlich und schlüssig auf den Grund gegangen, wobei die Hexe, eventuell ein Sinnbild für die Mutter des Frosches, und deren Wirkung ins Spiel kommt.

Des weiteren stellt sich die Frage "Wie müsste eine Frau beschaffen sein, um einen Frosch zu erlösen?" Sollte es eine Kindfrau sein, wie im Märchen durch die goldene Kugel angedeutet, oder doch lieber eine selbstbewusste Frau? Viel brennender erscheint aber die Frage: welche Möglichkeiten hat ein Froschkönig, überhaupt Kontakte zu knüpfen? Im Märchen passiert es durch eine Hilfeleistung seitens des Frosches, die in weiterer Folge eine Verpflichtung für die Prinzessin bedeutet; also eine Art Vertrag oder vielleicht auch ein Erpressungsversuch. Doch gleichzeitig kann man auch der Prinzessin unlautere Absichten unterstellen, da sie die Hilfeleistung mitsamt den gestellten Bedingungen annimmt und nicht im Traum daran denkt, diese zu erfüllen. Interessant auch die Tatsache, dass der Vater der Prinzessin darauf pocht, das Versprochene einzuhalten und die Prinzessin sich daran gebunden fühlt. Vorerst macht sie gute Miene und erfüllt die Forderungen des Frosches. Als es jedoch darum geht, ihn in ihrem Bett schlafen zu lassen, ist es der Prinzessin zu viel. Dieser Wunsch, der eigentlich einer der Bedingungen des Frosches für die Hilfeleistung war, bringt das Fass zum Überlaufen, und die Prinzessin wirft den Frosch gegen die Wand. Bedeutet das das Ende der Fremdbestimmung?

Ein faszinierender und spannender Deutungsversuch dieses Märchens, der viele Interpretationsmöglichkeiten und deren Hintergründe schlüssig erklärt und dadurch die Geschichte in einem ganz neuen Licht darstellt. Ein Beziehungskonflikt zwischen einem jungen Mann, dessen Verhältnis zur Mutter ihn zum Frosch werden ließ, und einer Frau, die sich nur langsam von ihrem Vater abnabelt. Anhand eines Märchens lassen sich Probleme und Lösungsvorschläge gut erarbeiten, es werden Bilder und Szenen geboten, die Ansichten über uns selber zu ändern vermögen. Aber durch diese Geschichten kann es uns auch gelingen, mehr Verständnis für die Handlungsweise anderer zu gewinnen und diese in ihren Eigenarten leichter zu akzeptieren.

Ein sehr empfehlenswertes Buch, das einigen Beziehungsmustern auf den Grund geht, unseren Blickwinkel erweitert und uns motiviert, in Hinkunft bei allen Märchen hinter die Kulissen zu blicken.

Eugen Drewermann wurde 1940 geboren und ist der bekannteste Theologe der Gegenwart. Nach Entzug seiner Lehrererlaubnis und Suspension vom Priesteramt arbeitet er als Therapeut und Schriftsteller.

 (margarete; 03/2003)


Eugen Drewermann: "Der Froschkönig -
Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet"
Walter, 2003. 96 Seiten, 4 Seiten-Bildteil.
ISBN 3-530-16953-6.
ca. EUR 16,-
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