Roddy Doyle: "Rory und Ita"

Eine irische Geschichte


Bei "Rory und Ita" handelt es sich wieder einmal um eine irische Geschichte von Roddy Doyle, doch diesmal ist sie nicht so fiktiv, wie man es von diesem Autor gewohnt ist, obwohl er seinem biografischen Schreiben der vorherigen Romane treu bleibt; wenn auch aus einer anderen Bezugsrichtung.

Rory und Ita sind Roddy Doyles Eltern, mittlerweile beide im Ruhestand, die einen mehr oder minder ruhigen und gelassenen Lebensabend verbringen. Dabei ist dieses Buch kein Bericht Doyles über das Leben seiner Eltern, sondern die Aufzeichnung von Gesprächen mit seinen Eltern über deren Leben - in ihren eigenen Worten. Die beiden "Oldtimer" wechseln sich dabei in ihren Erzählungen ab und berichten von ihrer Kindheit und Jugend während der 1920er und 30er Jahre in Irland sowie darüber, wie sie die beiden Weltkriege miterlebt haben. Hierbei ist das abwechselnde Erzählen bestimmter Ereignisse, die beide Personen betreffen, gelegentlich ein wenig irritierend, weil man solcherart bisweilen zweimal hintereinander die gleiche Geschichte liest - und dazu Kommentare des einen Erzählenden zu Äußerungen des anderen an verschiedenen Stellen immer wieder als Fußnoten eingefügt wurden.

Ausgehend von einer Ausbildung als Schriftsetzer und Drucker auf Rorys und einer beginnenden Beamtinnenlaufbahn auf Itas Seite, entwickeln sich die Lebensläufe nach ihrer Heirat relativ einfach, weil zum Beispiel eine verheiratete Frau oft ihren Beruf aufgeben musste, was Ita auch tat, und Rory im Bereich der gewerkschaftlich-politischen Arbeit beständig aktiv blieb, auch als er sich zum Berufsschullehrer und später zu einer Art bezirksübergreifendem Ausbildungskoordinator mauserte.

Neben Informationen über die rein beruflichen Entwicklungen bekommt man sehr viele über die weitreichenden familiären Zusammenhänge, in denen sich bestimmte irische Familie bewegen und darüber, wie sich diese im Verlauf des Leben der beiden verändert haben. Dabei zeigen sie auch die Unterschiede der Lebensumstände zwischen damals und heute auf und scheinen enorm froh darüber zu sein, dass die technologischen und sonstigen Entwicklungen bis heute dahin gekommen sind, wo sie nun sind, obzwar sie bedauern, dass man heutzutage seine Türen abschließen muss. Hierbei wird anschaulich präsentiert, wie sich die Entwicklungen der letzten 80 Jahre in einer Gegend der Welt ausgewirkt haben, die kaum direkten Einfluss auf den Lauf der Ereignisse genommen hat und den meisten Entwicklungen einige Zeit hinterher zu hinken schien.

Wer schon einmal mit seinen betagteren Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern über deren Vergangenheit gesprochen hat, kennt die Atmosphäre, die dieses Buch erzeugt, wohl ziemlich genau. Besonders, wenn diese Vergangenheit im Großen und Ganzen eher unspektakulär verlief und ständig Personen auftauchen, die nur an einem einzigen Punkt eine marginale Rolle spielen, aber jedes Mal durch zusätzliche Äußerungen erläutert werden. Dies geschieht teils im Text, teils in den umfänglichen Fußnoten - die man besser als Endnoten an die Enden der Kapitel gesetzt hätte, weil sie auch oft andere, meist irrelevante Zusatzinformationen enthalten - teils in Anfügungen in der Wiederholung der Ereignisbeschreibung durch den anderen Erzählenden.

Erinnerungsbücher dieser Art sind nicht jedermanns Sache, und die Fußnoten sowie sonstigen Dopplungen des Texts wie auch die ständigen einmaligen Bezüge auf Nebenfiguren machen "Rory und Ita" nicht unbedingt leicht lesbar und auch nur in einzelnen Punkten für fremde, nicht in Dublin und Umgebung lebende Leser interessant. Obwohl die gezeigten Veränderungen der allgemeinen Lebensumstände durchaus nicht uninteressant zu nennen sind.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2007)


Roddy Doyle: "Rory und Ita. Eine irische Geschichte"
Übersetzt von Renate Orth-Guttmann.
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