Truman Capote: "Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie."

Ein intimes Gespräch mit Lawrence Grobel


2006 ist unter anderem auch Truman Capotes Jahr, weswegen dieser Band mit den gesammelten Interviews von Lawrence Grobel sicherlich einige Interessenten finden wird. Über einen größeren Zeitraum verteilt hat dieser nämlich Capote an unterschiedlichen Orten interviewt, und die Vorbereitungen dieser Interviews, das jeweilige Auftreten Capotes vor Ort und auch die Umstände dazwischen zeigen bereits einige Seiten des Schriftstellers und der Person, die er der Öffentlichkeit zu zeigen pflegte. Inwiefern dies seiner wirklichen Person entsprach, wird jeder Leser selbst entscheiden müssen.

Nach einer Einleitung von James A. Michener, über den Capote in diesem Buch auch das ein oder andere zu sagen hat, beginnt tatsächlich erst einmal die Darstellung der ersten Kontaktaufnahme. Die folgenden Kapitel unterteilen sich dann in unterschiedliche weitere Themenbereiche, wie Ruhm und Genialität, Aufwachsen, Liebe, Sex, Angst, Schreiben an sich, Hollywood, verschiedene Berühmtheiten, Capotes "Unvollendete" und den Umgang mit Drogen. Der Epilog zeigt passender Weise Capotes Beerdigung.

Spätestens ab Seite 144 besteht Capotes Beitrag zu den Gesprächen größtenteils daraus, Namen bekannter Persönlichkeiten aufzuzählen und aus der Feststellung, wen er eigentlich alles nicht leiden kann oder zumindest für nicht besonders schlau hält. Dabei wird er von seinem Gesprächspartner genau zu diesem Vorgehen durch die Frageführung ständig angehalten, denn dieser scheint bemüht zu sein, Capote möglichst viele negative Aussagen zu seinen Zeitgenossen aus der Nase zu ziehen. Und der große Capote - der es nie unterlassen kann, uns zu sagen, wie klug und talentiert er ist, und wie gut er alles durchschaut - lässt sich wie ein Ochse an einem Nasenring genau dahin führen, wo Grobel ihn haben möchte.

Zu Beginn des Buchs ist vorwiegend zu hören, wie großartig Capote ist - auch in seinen eigenen Augen - und wie wenige weitere "richtige" Schriftsteller es in seinen Augen sonst noch auf der Welt gäbe. Bescheidenheit ist dabei genauso wenig sein Problem, wie Rücksichtnahme.
Zwischendurch kommen in anderen Interviews immer wieder auch genau die Leute zu Wort, zu denen sich Capote in dieser sehr negativen Form geäußert hat, was Capote eigentlich noch mehr vorführt, als es die Frageführung des Interviewers bereits zuvor getan hat.

In der Mitte des Buchs finden sich dann noch einige Bilder, und es schließt ab mit einem ellenlangen Register, das durch Wiederaufgreifen von Capotes und Grobels Namensschwemme dem Buch irgendwie noch zusätzliche Seriosität zu verleihen versucht .

Ein Buch über einen pfiffigen Interviewer und einen sehr leicht zu lenkenden Interviewten, ein Buch, das Egozentrik und Megalomanie beispielhaft darstellt und damit sicherlich als solches einen gewissen Wert hat. Wer etwas über Truman Capote erfahren möchte, sollte aber vielleicht eher eine andere Form der biografischen Darstellung wählen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2006)


Truman Capote: "Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie."
(Originaltitel "Conversations with Capote")
Mit einem Vorwort von James A. Michener.
Aus dem Amerikanischen von Thomas Lindquist. Mit 15 Fotos.
Diogenes, 2005. 277 Seiten.
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Truman Caopte wurde am 30. September 1924 in New Orleans geboren. Er starb am 25. August 1984 in Los Angeles. Der Sohn eines Anwalts und einer "Miss Alabama" verlebte eine schwierige Jugend. Nach der Scheidung seiner Eltern wird er in Alabama von drei exzentrischen Tanten aufgezogen. Mit 15 beschließt er, Schriftsteller zu werden, mit 23 kann er bereits einige Erzählungen veröffentlichen. Sein erster Roman erregt einen Skandal, sowohl des Inhalts als auch des Umschlags wegen, auf dem der androgyne Jüngling in lasziver Pose abgebildet ist. Capote, extravagant wie seine Vorbilder Proust und Oscar Wilde, wird als literarisches Wunderkind gefeiert. Er gehört bald zur New Yorker Schickeria und füllt die Klatschspalten mit seinen Schlägereien, Drogenexzessen und seiner Vorliebe für schöne Frauen. Nach dem sensationellen Erfolg seines Reportage-Romans "In cold blood" gibt er im New Yorker "Plaza Hotel" einen legendären Maskenball für 500 intime Freunde. Gerade diese Freunde macht sich Capote ("Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie.") zu Feinden, indem er ihr Privatleben schamlos in seinen Romanen ausschlachtet. In den letzten Jahren seines Lebens, er ist schwer alkohol- und kokainsüchtig, schreibt Capote beinahe nichts mehr.
Ende 2004 wurde in einem alten Pappkarton sein tatsächliches Debüt entdeckt, "Summer Crossing" ("Sommerdiebe"), das er mit gerade einmal neunzehn Jahren geschrieben hatte und von dem man ein halbes Jahrhundert lang glaubte, Capote habe es vernichtet.


Weitere Buchtipps:

Truman Capote: "Sommerdiebe"

Vor ihr liegt ein Sommer, in dem sie einen ganzen Kontinent zwischen sich und ihrer Familie weiß: Während ihre Eltern nach Europa segeln, bleibt die 17-jährige Grady McNeil allein zurück in einem New York ohne Aircondition, aber vielen Versprechen.
Grady kann tun und lassen, was sie will. Und sie will eine Menge, bloß sich noch nicht in die reiche, feine Gesellschaft einfädeln, die sie nur müde macht. So verliebt sie sich in Clyde, einen jüdischen Jungen aus Brooklyn, der, zurück aus dem Krieg, als Parkplatzwächter arbeitet. Es ist ihr egal, dass sich ihre Mutter, einen anderen Schwiegersohn erträumt - eine standesgemäße, sichere Partie. Doch ein komfortables, risikoloses Leben ist das Letzte, was Grady interessiert. Sie schwirrt durch diese heißen Monate mit Clyde und seinen Kumpeln - erfüllt von einer Sehnsucht nach einer Welt mit lauter Unbekannten, wo nichts festgeschrieben ist und immer noch ein letztes Rätsel zu lösen bleibt. (Kein & Aber)
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"Frühstück bei Tiffany"
Holly Golightly, erwachsene Lolita, bezaubernd verrücktes Mädchen vom Lande, eine Vagabundin mit Spesenkonto, verdreht auf der East Side in Manhattan im Jahr 1943 den Männern den Kopf. Einen bunten Reigen versammelt sie um sich, und jeder Einzelne wird durch Capotes subtile Kunst der Charakterzeichnung zu faszinierender Plastizität erweckt. Unvergessen bleibt Audrey Hephurn als Holly Golightly in der Verfilmung von 1961.
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"Andere Stimmen, andere Räume"
Der vermeintliche Erstling von Truman Capote, mit dem er auch dank einer furiosen Selbstinszenierung einen kleinen Skandal auslöste.
Nach dem Tod seiner Mutter soll der dreizehnjährige Joel Knox zu seinem Vater ziehen, für ihn ein völlig Unbekannter. Als er in Alabama auf dem Land ankommt, findet er auf dem riesigen, verfallenen Anwesen nur seine missmutige, spröde Stiefmutter Miss Amy und seinen verdorbenen Cousin Randolph vor, die wie Gespenster durch das geheimnisvolle Haus geistern - von seinem Vater fehlt weiterhin jede Spur.
Der Roman war, sagte Capote, sein "Versuch, Dämonen auszutreiben", sein eigener Vater blieb Zeit seines Lebens ein Phantom. Mit der Veröffentlichung der halluzinatorisch anmutenden Begegnung eines Jungen mit einer sonderbaren Erwachsenenwelt katapultierte sich der damals 24-jährige Truman Capote 1948 augenblicklich in die erste Schriftstellerliga - die Kritiker rühmten ihn als Ausnahmetalent und machten aus dem Umschlagfoto des mädchenhaft hübschen Debütanten, auf dem er in verführerischer Unschuld in die Kamera schaut, einen kleinen Skandal. (Kein & Aber)
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"Die großen Erzählungen"
Truman Capotes große Erzählungen handeln von den Heimatlosen und Verirrten. Mitfühlend, ohne gefühlsselig, mitleidend, ohne larmoyant zu sein, zeigen sie in ihrer brillanten stilistischen Gestaltung des herausragendsten us-amerikanischen Schriftstellers seiner Generation. Bei Capote ist alles verrückt; es gibt nicht eine Person, die mit dem Leben fertig würde - aber wer tut das auch. Traum und Spiel, Trotz und Grausamkeit, Fantasie und Trauer, alles ist vorhanden, nur nicht der Alltag der Erwachsenenwelt, in der alles seinen Platz hat. Capotes Werke zählen heute zu den Meisterwerken der us-amerikanischen Literatur.
Dieser Band enthält die Erzählungen "Baum der Nacht", "Miriam", "Der silberne Krug", "Wie ich die Dinge sehe", "Eine Weihnachtserinnerung", "Schließ die letzte Tür", "Kindergeburtstag", "Master Misery", "Die Diamanten-Gitarre", "Das Blumenhaus", "Haus auf den Höhen", "Auf all den Wegen nach Eden" und "Lola". (Langen Müller)
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