Thomas Brussig: "Helden wie wir"


Brussig dürfte den meisten Leserinnen und Lesern durch "Am kürzeren Ende der Sonnenallee" bekannt sein, worin das Gefühlsleben der jungen Menschen in der ehemaligen DDR so plastisch dargestellt wurde.

"Helden wie wir" geht in dieselbe Richtung, wobei hier besonders das Gefühlsleben von Klaus Uhltzscht eine große Rolle spielt, welcher der mit fehlender Bescheidenheit gestrafte Ich-Erzähler dieser Geschichte ist.
Angeblich hat Klaus mit seiner Erektion die Berliner Mauer umgestoßen, und "Helden wie wir" beschreibt den Weg zu diesem unglaublichen historischen Ereignis.

Der Ich-Erzähler hatte eine überaus seltsame Kindheit als Sohn einer "abgebrochenen" Fachärztin und eines angeblichen Außenhandelskaufmanns, der in Wirklichkeit für die Staatssicherheit arbeitete. Durch die seltsamen Ideen zum Leben, zum Verhalten und zur Sprache seiner Mutter stark im Sozialverhalten eingeschränkt und durch seinen Vater eher nicht angeleitet, wird er sexuell restriktiv und isoliert aufgezogen und erlebt seine ideologische Prägung in erster Linie durch den sozialistischen Geografieunterricht und durch die allgemeine Auffassung von Menschen in restriktiven Regimen hinsichtlich Menschenrechte.

Dadurch - und durch die familiäre Vorbelastung - findet der junge Klaus schließlich einen Ausbildungsplatz in einer Stelle der Staatssicherheit, wobei der Arbeitgeber und Klaus' dortige Funktion aber niemals wirklich verbalisiert oder thematisiert wird. Ziel- und zwecklos herumwerkend, und schließlich von den Ereignissen um das Jahr 1989 vollkommen überrascht, holt sich Klaus eine fürchterliche Unterleibsverletzung bei einer Montagsdemonstration, die ein behandelnder Arzt nur noch rüde als Eiersalat bezeichnet, bevor er schließlich aus dem Krankenhaus flüchtet und ... . Na ja, die Mauer ist gefallen.

Fazit:
Anfangs etwas nervig, gegen Ende stark schwanzfixiert, aber an vielen Stellen voller interessanter Einblicke in mögliche Denkweisen eines Ostdeutschen kurz vor dem Ende der DDR. Meines Erachtens ein kurzweiliger Lesegenuss.

(K. G. Beck-Ewerhardy; 04/2004)


Thomas Brussig: "Helden wie wir"
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Thomas Brussig, 1965 in Berlin geboren, wuchs im Ostteil der Stadt auf. Er studierte Soziologie und Dramaturgie und debütierte 1991 mit dem Roman "Wasserfarben". 1995 erschien sein in zahlreiche Sprachen übersetzter und auch als Bühnenfassung erfolgreicher Roman "Helden wie wir". Sein dritter Roman "Am kürzeren Ende der Sonnenallee" wurde 1999 gleichfalls zum Bestseller und der Film "Sonnenallee" zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres. Thomas Brussig lebt in Berlin.

Weitere Bücher des Autors:

"Das gibt's in keinem Russenfilm"

Thomas Brussig erzählt die schillernde Biografie des berühmten Schriftstellers Thomas Brussig - und schreibt nebenbei unsere Gegenwart um.
1991. Ein Abend in Ost-Berlin. Die Wiedervereinigung ist ausgefallen. Die Mauer steht und teilt Deutschland. Der Schriftsteller Thomas Brussig lässt sich vom begeisterten Applaus der Zuhörer mitreißen und gibt ein Versprechen: Solange es nicht alle können, wird auch er keine Reise in den Westen unternehmen. Solange nicht jeder eines haben kann, wird auch er kein Telefon haben. Und, weil erst drei Versprechen magisch binden: Solange es verboten ist, will auch er niemals "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" lesen. Daran wird er sich halten müssen, denn auch die DDR hält sich.
Ein zutiefst komisches und wahnwitzig ernsthaftes Buch. (S. Fischer)
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"Schiedsrichter fertig. Eine Litanei"
Ein Schiedsrichter erklärt, wie er die Welt sieht - bevor er rausgeht und das Finale pfeift. Sein Finale.
Thomas Brussig schlüpft in die Rolle eines Schiedsrichters, um über das Leben zu sinnieren. Wie ist es, von achtzigtausend Menschen ausgepfiffen zu werden? Wie ist es, für neunzig Minuten nur von Lügnern, Tricksern und Betrügern umgeben zu sein, die, je nach Situation, eine Leidens- oder Unschuldsmiene aufsetzen? Wie ist es, nur durch Fehler Aufmerksamkeit zu erlangen, denn schließlich wird nur über Fehlentscheidungen diskutiert? Die Tragödie des Unparteiischen besteht darin, Neutrum sein zu müssen in einer Welt, die Leidenschaften weckt, Amateur zu sein unter hochbezahlten Profis. Und wieso sollen ausgerechnet die Schiedsrichter gerecht sein, wenn niemand auf der Welt noch Gerechtigkeit erwartet? (Residenz)
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"Am kürzeren Ende der Sonnenallee"
Am kürzeren Ende der Sonnenallee, gleich neben der Berliner Mauer, wohnt Micha Kuppisch. Wenn er aus der Haustür tritt, hört er die Rufe westlicher Schulklassen vom Aussichtspodest: "Guck mal, 'n echter Zoni!" Micha aber hat eine andere Sorge: Miriam. Sie ist das schönste Mädchen weit und breit, doch leider schon vergeben. Pointenreich erzählt Thomas Brussig, wie im Schatten der Mauer auch die Sonne schien. Miriam, Micha und seine Freunde lieben und lachen, tricksen und träumen. Sie hören Jimi Hendrix, angeln Liebesbriefe aus dem Todesstreifen und erschaffen sich erfindungsreich ihre eigene Welt. Und erst später wird ihnen klar, dass sie unheimlich komisch waren.
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