Caroline Alexander: "Die Bounty"

Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty


"Er war ein sehr fortschrittlicher Kapitän." (Caroline Alexander über William Bligh)

Zugegeben: Die Geschichte der Seefahrt hat beliebtere Helden zu bieten als jenen Kapitän, auf dessen Schiff sich am 28. April 1789 die wohl berühmteste Meuterei, ein gerechter Aufstand übel Geknechteter - so die (bislang) überwiegende Ansicht -  zugetragen hat.
In "Die Bounty" unternimmt Caroline Alexander abseits der üblichen Schwarzweißmalerei (Meuterer: gut, Bligh: böse) den interessanten Versuch einer Kurskorrektur, um das Bild des Vielgeschmähten im öffentlichen Bewusstsein zurechtzurücken. Sie zieht die von Hollywood-Verfilmungen des Stoffes herrührenden Schleier beiseite und lässt die Fakten für sich sprechen. 

Nachdem die bekannte Autorin, deren voriges Buch "Die Endurance" über Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis international auf großes Interesse stieß, ihre Studien umfangreicher Originalunterlagen (Logbücher, Briefe, Prozessakten, Briefe, ...) abgeschlossen hatte, kam sie zum Ergebnis, Leutnant Bligh sei kein grausamer Despot und Tyrann, sondern ein verantwortungsbewusster Pflichtmensch und als solcher das Opfer einer perfiden Rufmordkampagne, ein Bauernopfer im Dienste des Machterhalts der herrschenden Klasse, quasi ein Leidtragender der Entmodung traditioneller Werte, gewesen, was allerdings wiederum die Gefahr einer Stilisierung birgt.

Caroline Alexander fand heraus, dass Intrigen der einflussreichen Familien einiger Meuterer, die ihre Beziehungen in höchste Kreise spielen ließen, letztlich zur Diskreditierung von Bligh führten, der den Ränkeschmieden machtlos ausgeliefert war.
Es war eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, ein Wertewandel war im Gange. Alexander: "Es war das Pech von Leutnant Bligh, dass sein großes Abenteuer zeitlich genau mit dem Anbruch einer neuen Ära zusammenfiel, welche die Hingabe an einen Ehrenkodex und eine etablierte Autorität als nicht so ehrenvoll betrachtete wie die Verherrlichung der individuellen Leidenschaften und Freiheiten."
Zwar standen einige Meuterer Jahre später vor dem Kriegsgericht, nachdem sie im Zuge einer eigens zu diesem Zweck ausgerüsteten Expedition dingfest gemacht worden waren, an der öffentlichen Meinung über William Bligh vermochten die Prozesse nichts zu ändern.

Die "Bounty" war in See gestochen, um Brotbaumschösslinge aus Tahiti als kostengünstige Nahrungsquelle für die Sklaven zu den britischen Kolonien auf den Westindischen Inseln zu transportieren. Caroline Alexander folgt der Chronologie der Ereignisse anhand historischer Dokumente vom Auslaufen des Schiffes, über die Meuterei, die Prozesse, bis zum Tod William Blighs am 7. Dezember 1817 in London.

Wie kam es dazu, dass die Offiziere und Seeleute der "Bounty" in einem Akt größter Auflehnung das Kommando an sich rissen und den missliebigen Kapitän William Bligh zusammen mit einigen ihm treuen Männern in einer Barkasse mit spärlichem Proviant auf offenem Meer einem ungewissen Schicksal überließen? Laut Caroline Alexander war ein vorhergehendes gemeinsames Besäufnis Ursache allen Übels, dazu kam ein Diebstahl, und zudem waren die Männer, nach der langen Überfahrt entnervt und triebgesteuert, während des wetterbedingten Aufenthaltes dem Zauber der feenhaften Tahitianerinnen erlegen, was Bligh, der von jähzornigem Gemüt und kompromisslos in der Einhaltung der Seegesetze war, freilich nicht goutierte. Doch mit seinem Ruf nach Disziplin stand er nach der Abfahrt vom "Paradies" auf verlorenem Posten, und die jeglicher Pflicht entwöhnten Meuterer folgten Fletcher Christian: "Schlaflos und betrunken, gelang ihm seine Meuterei wohl vor allem deshalb, weil er der beliebteste Mann an Bord war."

Nach der Meuterei kehrten die Männer auf der "Bounty" nach Tahiti zurück. Einige ließen sich dort nieder, Fletcher Christian schiffte sich mit den Übrigen und einer Anzahl einheimischer Frauen und Männer abermals ein. Die "Flüchtlinge" machten die Insel Pitcairn zu ihrer neuen Heimat.

William Bligh, der einst mit James Cook zur See gefahren war, und seine Schar Getreuer erreichten unter unbeschreiblichen Strapazen aufgrund vortrefflicher Navigationskenntnisse trotz widriger Umstände nach 48 Tagen Timor - eine nicht nur nach damaligen Maßstäben meisterliche nautische Leistung!
Das vermeintliche Paradies verwandelten die Meuterer bald in eine Hölle auf Erden: Sie gebärdeten sich gegenüber den Einheimischen wie "Herrenmenschen". Der Mythos von den "edlen Helden" ist als Ausgeburt der Fantasie romantischer Geister zu betrachten. Ungeklärt ist der Verbleib des Anführers der Meuterer, Fletcher Christian auf Pitcairn - vermutlich wurde er erschlagen.

Caroline Alexander liefert spannende Anekdoten, eine Fülle an historischen Fakten und erstaunlichen Einzelheiten - den ultimativen Lesestoff zum Thema!

(Anja; 01/2005)


Caroline Alexander: "Die Bounty"
(Originaltitel "The Bounty. The True Story of the Mutiny on the Bounty")
Aus dem Englischen von Friedrich Griese.
Gebundene Ausgabe:
Berlin Verlag, 2004. 624 Seiten.
ISBN 3-8270-0163-3.
ca. EUR 30,70. Buch bei Libri.de bestellen
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Hörbuch:
Jumbo Neue Medien, 2004. 6 CDs.
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Die Ereignisse auf der "Bounty" wurden mehrfach verfilmt; hier finden Sie jene Streifen, die derzeit erhältlich sind:
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Ein weiteres Buch der Autorin:
"Die Endurance"
Im August 1914 liefen Sir Ernest Shackleton und eine Mannschaft von siebenundzwanzig Männern auf der Endurance aus, um ihre Expedition in den Südatlantik zu unternehmen. Ihr Ziel war es, als erste Menschen die Antarktis zu durchqueren. Auf ihrem schwierigen Kurs durch die Weddell-See waren sie ihrem Ziel bis auf etwa 140 Kilometer nahegekommen, als die Endurance vom Packeis eingeschlossen wurde. Zehn Monate warteten die Männer darauf, dass das Eis ihr Schiff freigab, aber das sollte nie geschehen. Statt dessen zerdrückten die Eismassen die Endurance, Shackleton und seine Männer mussten sie aufgeben. Caroline Alexander schildert die spannende Geschichte der Shackleton-Expedition und präsentiert zum ersten Mal die bisher völlig unbekannten Aufnahmen des australischen Fotografen Frank Hurley, der sich der Mannschaft angeschlossen hatte, um ihre Abenteuer zu dokumentieren. Die Bilder zeigen die schreckliche Schönheit der Antarktis, die Zerstörung der Endurance und den verzweifelten Kampf der Männer um das Überleben. (Berlin Verlag)
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Buchtipps:

Captain William Bligh / Dr. George Hamilton: "Meuterei auf der Bounty und Die Piratenjagd der Pandora 1787-1792"

Die "Bounty" sollte Brotfruchtpflanzen von Tahiti zu den Westindischen Inseln bringen: zur Ernährung der Arbeiter auf den englischen Plantagen. Doch in der Südsee bricht eine Meuterei los: Der Kapitän wird mit neunzehn Mann in einem kleinen Boot ausgesetzt - viertausend Meilen vor Batavia. (Edition Erdmann)
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Charles B. Nordhoff / James N. Hall: "Die Meuterei auf der Bounty. Band 1. Schiff ohne Hafen"
und "Die Meuterei auf der Bounty. Band 2. Meer ohne Grenzen"

Captain William Bligh hatte bereits als Steuermann an James Cooks dritter Weltumseglung teilgenommen, als er das Kommando über die "Bounty" erhielt, ein bewaffnetes Transportschiff, das Brotfruchtpflanzen von Tahiti zu den Westindischen Inseln bringen sollte - zur Ernährung der schwarzen Arbeiter auf den englischen Plantagen. Doch die Reise führte in die Katastrophe: Wegen der brutalen Strenge des Kapitäns bricht während der Rückfahrt auf offener See eine Meuterei unter der Führung Fletcher Christians aus. Bligh wird mit wenigen Getreuen in einem kleinen Boot ausgesetzt - die Meuterer verschlägt es zur Pazifikinsel Pitcairn.
Im Mittelpunkt des zweiten Bandes steht die navigatorische Meisterleistung von William Bligh, denn die neunzehn Männer vollbrachten das Unglaubliche: Fast ohne Nahrung und Trinkwasser, gegen Stürme und später gegen feindliche Eingeborene kämpfend, legten sie über dreitausend Seemeilen zurück und erreichten schließlich nach 48 Tagen Batavia (Djakarta).
Beide Titel sind die Klassiker der "Bounty”-Literatur" Auf dem umfangreich dokumentierten Tatsachenmaterial der Londoner Admiralität beruhend, bereiten sie das Thema als großartige Erzählung auf. Die Protagonisten - hier der vorgebliche Despot Bligh, dort der jugendliche Held Fletcher Christian - stehen dabei im Mittelpunkt.
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Thomas Heffernan: "Meuterei auf der Globe"
Die kleine Insel Nantucket vor der amerikanischen Ostküste war im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Weltmacht in puncto Walfang. Das aus den erlegten Pottwalen gewonnene Öl bedeutete Reichtum und Wohlstand. Die Jahre währenden Fahrten auf hoher See waren gefährlich und immer wieder Schauplatz dramatischer Begebenheiten. Wie Nathaniel Philbricks Verkaufsschlager "Im Herzen der See" widmet sich auch Thomas Heffernan einem solchen Drama, das bis heute nichts von seinem Schrecken und seiner Faszination eingebüßt hat.
Es ist das Jahr 1824. Auf der Fahrt zwischen Hawaii und Tahiti werden der Kapitän und die Offiziere der Globe, eines Nantucketer Walfängers, von Matrosen angegriffen und umgebracht. Anführer der Meuterei ist der erst 21-jährige Samuel Comstock, der wie besessen davon ist, ein eigenes Königreich auf einer Pazifikinsel zu errichten. Nach der Landung auf dem Mili-Atoll wird er selbst Opfer seines Größenwahns und von seinen Mitverschwörern erschossen. Den sechs Matrosen, die sich zurück auf das Schiff flüchten können, gelingt unter abenteuerlichen Umständen die waghalsige Überfahrt bis zur rettenden südamerikanischen Küste. Von den übrigen neun überleben nur zwei den Kampf gegen die Eingeborenen und werden erst nach 22 Monaten von einem Schiff der U. S. Navy gerettet. Packend schildert der Historiker Heffernan nicht nur die Meuterei und die Ereignisse davor und danach, er zeichnet auch ein beeindruckendes Psychogramm Samuel Comstocks, einer der bizarrsten und furchterregendsten Gestalten in der Geschichte der Seefahrt. (Berlin Verlag)
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Thies Völker: "Lexikon berühmter Schiffe. Spektakuläre Abenteuer von der Arche Noah bis zur Titanic"
Wie hieß das Schiff, das 1917 die Oktoberrevolution in Russland auslöste? Was hat es mit der vom Unglück verfolgten "Achille Lauro" auf sich? Welche tragischen Ereignisse spielten sich auf dem Sklavenschiff "Amistad" ab, das Steven Spielberg als Vorlage für seinen Film nahm? Welche dunkle Spionagegeschichte verbirgt sich hinter dem wohlklingenden Schiffsnamen "Dulcibella"? Wie kam es auf der "Bounty" zur berühmtesten Meuterei der Geschichte? Und was geschah mit der Schiffsbesatzung nach dem Sturz des Kapitäns?
Aber auch: Wie sieht ein Theaterschiff aus? Wie groß war die Arche Noah? Warum halten die Basler immer noch an ihren geliebten anachronistischen Beförderungsmitteln, den Rheinfähren, fest?
Diese und mehr Fragen beantwortet diese umfangreiche, spannende Sammlung von Thies Völker: alphabetisch geordnet, werden die berühmtesten Schiffe in der Geschichte der Seefahrt unter die Lupe genommen, gut recherchiert, mit wissenschaftlichen Daten und politischen Hintergrundinformationen. Faszinierend und voller Überraschungen - nicht nur für Liebhaber der Seefahrtsgeschichte. Zu einer Leseprobe ...
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