Christian Nürnberger: "Die Bibel"

Was man wirklich wissen muss


Die wesentlichen Aussagen des Alten und Neuen Testaments - vom historischen und ethnisch-mythologischen Überbau sowie opportunistischen Interpretationen befreit

Zu den Säulen der europäisch-westlichen Kultur gehört zweifellos die Bibel. Diese Ursprünge verschwinden jedoch zunehmend aus dem Bewusstsein der Bevölkerung.
Christian Nürnberger, Autor beziehungsweise Co-Autor eines kirchenkritischen Buchs und zweier Bücher über Erziehung, begründet im Vorwort in kompakter und schlichter Form die Bedeutung der Bibel für unseren Kulturkreis, weist aber auch darauf hin, dass dieses Schriftwerk vor rund zweitausend Jahren (und zum Teil sogar erheblich früher) entstand. Daher bedarf es einer Deutung, die den heutigen Lebensverhältnissen gerecht wird. Nürnberger bietet in seinem Buch eine zeitgemäße oder vielmehr zeitlose Interpretation an und den Brückenschlag zu den Hintergründen unserer Kultur.

Tatsächlich stellen das Aufkommen des jüdischen Monotheismus und die damit verbundene "Entrümpelung des Himmels" vor 2.500 Jahren einen "Donnerschlag der Weltgeschichte" dar. Die zahllosen unberechenbaren Götter der Antike, deren Machenschaften der heutigen Boulevardpresse entsprungen sein könnten, wurden durch einen allmächtigen Gott ersetzt, der sich im Gegensatz zu den egozentrischen Angehörigen des alten Pantheons liebevoll und engagiert um sein Volk kümmert.
Es war und ist nicht leicht, Gottes auserwähltes Volk zu sein. Gott schenkte seinem Volk die Freiheit und somit Eigenverantwortung, und die Scheu vor dieser Eigenverantwortung und die Unfähigkeit, mit ihr umzugehen, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Berichte des Alten Testaments. Diese allzu menschlichen Schwierigkeiten beginnen bereits mit Adams und Evas Sündenfall und zeigen sich besonders deutlich, als Moses das Volk ins Gelobte Land führen soll.
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen Gott und seinem erwählten Volk meistens zerrüttet. Doch Gott findet immer wieder einzelne Menschen, meistens unauffällige Außenseiter, die über sich selbst hinauswachsen und das Volk und Gott einander wieder annähern.
Die größte Annäherung hat dem christlichen Glauben zufolge Jesus Christus bewirkt. Rund dreihundert Jahre lang lebten die Christen so, wie die Bibel es vorsah. Als das Christentum zur Staatsreligion wurde, setzte der Verfall ein. Heute sehen sich die Kirchen einer starken Konkurrenz durch andere religiöse und esoterische Bewegungen ausgesetzt. Sie reagieren, indem sie sich ausgefeilter Marketingstrategien bedienen, zum Fundamentalismus zurückschreiten oder Mischformen aus beidem anhängen.

Nürnberger, der sich selbst als Agnostiker bezeichnet, hat kein Patentrezept für die Rückkehr zu der Art von Christentum parat, die von der Bibel gefordert wird. Aber es gelingt ihm, die wesentlichen und kulturbestimmenden Bestandteile der Religion aus dem antiken Buch namens Bibel herauszufiltern und ihnen die Bedeutung zu geben, die ihnen zukommt. Der Autor scheut überdies nicht davor zurück, jene Geschichten wie etwa die von Hiob fassbar zu machen, die von jeher auch von überzeugten Christen schwer oder überhaupt nicht nachvollzogen werden konnten. Indem er den historischen Kontext erläutert und die mythologisch-mystische Verbrämung abstreift, legt er zeitlose Hilfen für das Zusammenleben einer Gesellschaft offen, die tatsächlich als Volk Gottes wirkt.

Nürnbergers Stil ist bei aller Sachlichkeit unkompliziert und durchaus fesselnd, sodass trotz der Thematik keine Langeweile aufkommt. Daher eignet es sich hervorragend für die engere Zielgruppe, ältere Jugendliche und deren Eltern. Aber auch Erwachsene, die sich dem Christentum und somit der Bibel (wieder) annähern möchten, können ihm wertvolle Impulse entnehmen. Es enthält zwar wie jede Interpretation subjektive Elemente - über kaum etwas lässt sich so trefflich streiten wie über Religion -, doch diese können sich für eine sachliche Auseinandersetzung als ausgesprochen fruchtbar erweisen. Und wenn manchem auch die Auslegung der einen oder anderen biblischen Geschichte fehlen mag, so ist dem Buch doch das Rüstzeug für eine individuelle Betrachtung der Bibel zu entnehmen.

Aufmachung, Lektorat und Korrektorat lassen nichts zu wünschen übrig, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt; somit verdient dieses Buch in jeder Hinsicht Aufmerksamkeit.

(Regina Károlyi; 10/2005)


Christian Nürnberger: "Die Bibel. Was man wirklich wissen muss"
Rowohlt Berlin, 2005. 222 Seiten.
ISBN 3-87134-534-2.
Buch bei buch24.de bestellen
Buch bei amazon.de bestellen

Zu einem Interview mit Christian Nürnberger ...

Weitere Bücher des Autors:

Petra Gerster, Christian Nürnberger: "Der Erziehungsnotstand. Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten"

Mit dieser provokanten These hat Petra Gerster einen wahren Sturm in der Diskussion über die Bildungspolitik ausgelöst. Gemeinsam mit Christian Nürnberger fordert sie: Persönlichkeit geht vor Know-how! Bildungspolitik darf nicht nur den Interessen der Wirtschaft dienen. Denn die eigentlichen Probleme in den Schulen werden durch Internet-Anschlüsse nicht gelöst: Unterrichtsausfall, fehlende Bildung, Verhaltensstörungen, Mobbing und Drogen. Viele Eltern können oder wollen ihre Kinder nicht erziehen, und die Schulen sind nicht in der Lage, das Versäumte nachzuholen. Es herrscht Erziehungsnotstand. (Rowohlt)
Buch bei amazon.de bestellen

Petra Gerster, Christian Nürnberger: "Stark für das Leben. Wege aus dem Erziehungsnotstand"
Seit dem PISA-Schock herrscht Panik unter Deutschlands Bildungsexperten. Hektisch werden Lehrpläne entstaubt und Ganztagsschulen versprochen. Der "Erziehungsnotstand" ist endlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Doch was genau soll geschehen? Überall lautet die Antwort: Deutsche Schüler müssen mehr leisten, ihre "Lesekompetenz" erweitern und ihr "Weltwissen" vervollständigen. Die Forderung nach mehr Leistung und Wissen darf aber nicht die einzige Reaktion auf den Notstand sein - genauso wichtig ist eine Erziehung, die Persönlichkeit und Charakter in den Mittelpunkt stellt. (Rowohlt)
Buch bei amazon.de bestellen

Christian Nürnberger: "Kirche, wo bist du?"
Warum läuft die Kirche dem Zeitgeist hinterher, statt ihm wesentliche Impulse zu vermitteln? Warum behauptet sie sich nicht lauter und deutlicher angesichts des Epochenwechsels zur Informations- und Wissensgesellschaft? Christian Nürnberger fragt nach Standort und Wirken der beiden großen Kirchen Deutschlands heute.
2000 Jahre ist die "alte Dame" jung, immerhin jung genug, um alle zwei Jahre eine fetzige Party zu schmeißen. Wie ein Chamäleon nimmt sie dann die Couleur des jeweiligen Zeitgeistes an, als wollte sie sagen: "Seht her, wie jung ich bin, seht her, wie modern ich bin!" Von der alten Dame Kirche ist hier die Rede und vom Kirchentag als einzigem Event, bei dem Kirche mal so richtig auftrumpft - wenn auch nur alle zwei Jahre. In der Zeit dazwischen ist es so still um sie, dass sie sich kürzlich bei geschniegelten McKinsey-Managern zur Nachhilfe in Sachen Marketing einfand, um den Anschluss an den Markt der Möglichkeiten nicht zu verlieren.
"Hat Kirche das nötig?", fragt der unbequeme Protestant Christian Nürnberger. Warum läuft sie dem Zeitgeist hinterher, statt ihm wesentliche Impulse zu geben? Warum ist sie keine spürbare gesellschaftliche Kraft, besonders angesichts des Epochenwechsels zur Informations- und Wissensgesellschaft? Ein provokantes Meinungsbuch zur Rolle der Kirche im dritten Jahrtausend. (dtv)
Buch bei amazon.de bestellen

Christian Nürnberger: "Das Christentum" zur Rezension ...
Geschichte und Botschaft einer im Kern erstaunlich aktuellen Weltreligion