Paul Auster: "Stadt aus Glas"


Der erste Teil der "New York-Trilogie". Daniel Quinn, Krimiautor und Zweifler aus Passion, wird von einem Wildfremden zu Hilfe gerufen und gerät in den Sog einer unglaublichen Geschichte.

Die Hauptfigur dieses Buchs ist ein Schriftsteller namens Quinn, der sich nach dem Tod seiner Frau und seines Sohnes Peter von seinen Freunden und Bekannten zurück gezogen hat und nun unter dem Namen William Wilson erfolgreich Kriminalromane schreibt. Nach einer Reihe ungewöhnlicher Anrufe, bei denen jemand nach einem Privatdetektiv namens Paul Auster sucht, lässt er sich auf diese Anrufe ein und vereinbart, sich mit dem Anrufer zu treffen.

Unter dem Namen Paul Auster trifft er nun Virginia und Peter Stillmann. Peter Stillmann ist offensichtlich sehr gestört in seiner Entwicklung und Wahrnehmung, weil sein Vater ihn lange Jahre völlig isoliert in ein Zimmer eingesperrt hatte. Diese Tat und seine Reaktionen, nachdem er erwischt wurde, haben ihm 13 Jahre in einer psychiatrischen Anstalt eingebracht. Da bei einer bereits zuvor angestrebten Entlassung kurz zuvor ein Drohbrief gegen Peter eingetroffen ist, vermutet Virginia nun, dass der Vater nur gelernt hat, keine Briefe mehr zu schreiben und nach seiner bevorstehenden Entlassung kommen wird, um seinen Sohn umzubringen. Detektiv Auster soll ihn nun verfolgen und notfalls eingreifen, um den Sohn zu retten.

Im Zuge der Vorbereitung seiner Beschattungsarbeit setzt sich Quinn nun mit sprachlos aufgewachsenen Menschen und der Sprachentwicklung im mythischen Sinne auseinander, da dies auch das Leib- und Magenthema des verhafteten Stillmann war, dessen Verbrechen ein Experiment in diesem Zusammenhang gewesen sein soll, ähnlich jenem, das Friedrich der Große einst durchgeführt haben soll.

Sobald Quinn - als Paul Auster - beginnt, die Verfolgung von Peter Stillmann dem Älteren aufzunehmen, stellt er zunächst fest, dass es von diesem zwei Versionen zu geben scheint, die sich in unterschiedliche Richtungen bewegen, so dass Quinn sich entscheiden muss, wem er folgt. Die Person, der er folgt, geht dann in seltsamen Mustern durch einen klar abgegrenzten Bereich von New York, wobei sie ständig irgendwelchen Unrat aufhebt.

Zeitgleich nimmt Quinn unter Zuhilfenahme des Telefonbuchs Kontakt mit einem anderen Schriftsteller namens Paul Auster auf, um eventuell auf die Erfahrung dieser Person zurück zu greifen, hinter der er zu Beginn ja noch einen Detektiv vermutet. Aber hier wird er enttäuscht.

Bei der weiteren Verfolgung von Peter Stillmann dem Älteren wird Quinn immer weiter aus seiner eigenen Identität gezogen, immer mehr in die des Detektivs Paul Auster, und durch die Notizen zu Peter Stillmann dem Älteren dann weiter in dessen Identität, bis seine Veränderungen eine wahrhaft kafkaeske Wendung nehmen, zu deren abschließender Darstellung ein weiterer nicht näher definierter Erzähler auftaucht, der ihm zusammen mit dem Schriftsteller Paul Auster folgt.

Insgesamt ein Buch, bei dem es in erster Linie um Identität und Probleme der Identitätsfindung und -wahrung geht, die hier in einer Art dargestellt werden, welche den Leser der Verwirrung des Hauptprotagonisten annähern dürfte.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2005)


Paul Auster: "Stadt aus Glas"
(Originaltitel "City of Glass")
Übersetzer: Joachim A. Frank.
Süddeutsche Zeitung/Bibliothek, 2004. 174 Seiten.
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Hörspiel:
Der Hörverlag, 1997. 2 Kassetten.
Sprecher: Christian Brückner, Gerd Wameling, Nina Hoger, u.a.
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Noch ein Buchtipp:

Paul Auster: "Die New York-Trilogie. Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen"

Jeder der drei Romane der "New York-Trilogie" wirkt zunächst wie eine klassische, spannungsgeladene Kriminalgeschichte, die den Leser mit raffiniert ausgelegten "Ködern" in den Bann zieht. Aber bald scheinen die vordergründig logischen Zusammenhänge nicht mehr zu stimmen. Die Rollen der Täter und der Opfer, der Verfolger und der Verfolgten verschieben sich auf rätselhafte Weise. Schritt für Schritt wird der Beobachter - der Detektiv, Autor, Leser - aus seiner sicheren Distanz gelockt und in ein Spiel mit seinen eigenen Erwartungen verstrickt. (Rowohlt)
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