Jürg Amann, A.T. Schaefer: "Kafka. Wort- Bild- Essay."

"Ich bin einsam - wie Franz Kafka." (Franz Kafka)


Interpretationsversuchen hinsichtlich der Werke und der Person Franz Kafkas sind keine Grenzen gesetzt. Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine schon ältere Abhandlung, die wieder neu aufgelegt wurde.
Franz Kafka introspektiv erklären oder erhellen zu wollen ist eine Angelegenheit, die sehr viel Fingerspitzengefühl erfordert. Der Autor hat sich die Mühe gemacht, das Phänomen Kafka in ein Verhältnis zu stellen, das ihn mit sich selbst in Verbindung bringt. Viele Details aus seinem Leben sind nicht neu; erhalten jedoch eine andere Priorität zugesprochen, da der Mythos auf sich selbst reduziert wird. In dieser Hinsicht wird Kafka demaskiert, wobei es nicht klar ist, ob hinter seiner Maske tatsächlich jene Person hervorschaut, die mit Einfühlungsvermögen verstanden zu werden versucht. Kann Kafka überhaupt je erklärt werden? Die Beschäftigung mit diesem Dichter hat schon mehrere Generationen von Literaturwissenschaftern in ihren Bann gezogen, und doch sind nach wie vor zahlreiche Fragen offen.

Immerhin gibt es einen sehr wichtigen Aspekt, den Amann als Herzstück seiner Versuchung, Kafka durch sein Schreiben introspektiv decodieren zu wollen, darstellt: Es handelt sich um den fünf Jahre andauernden Briefwechsel zwischen Franz und Felice Bauer. Kafka konnte durch die zahlreichen Briefe, die er an Felice schrieb, jene Nähe schaffen, die ihm Schreiben ermöglichte; andererseits suchte er die Distanz zu wahren, sodass er in seiner Schaffenskraft nicht eingeschränkt werden mochte. Er hatte nie vor, ein intimes Verhältnis mit seiner Muse, um es ganz unspektakulär auszudrücken, zu erreichen. So lässt es sich auch erklären, dass die Verlobungen mit Felice, die er einging, unmöglich konserviert werden konnten.
Kafka musste allein bleiben; er durfte keinen Menschen näher an sich herantreten lassen, da er nur auf sich selbst zurückgeworfen schreiben konnte und Angst hatte, durch ein nahes Verhältnis zu einer Frau jeglichen Bezug zum Schreiben zu verlieren. Die Briefe richteten ihn innerlich auf, da er auf diese Weise seine Einsamkeit bestätigt fand und gleichzeitig einen Bezug zur Welt aufbaute, die einzig und allein in Felice manifestiert war.
So heißt es auch in einem seiner vielen Briefe, dass Felice die Welt für ihn sei, was jenen Schatten auf die Wand werfe, den er brauchte. Die Konturen reichten ihm; er verzichtete bewusst auf ein erfülltes Leben, um sein Schreiben zu nähren. Jener Verbindungsstrang dieses Briefwechsels mit Kafkas Roman "Der Prozess" wird von Amann gekonnt aufgelöst.

Das Buch wird als Wort-Bild-Essay bezeichnet, wobei jedoch einem sehr ausgeprägten Text nur wenige Fotos beigemengt sind. Der Reiz besteht wohl darin, dennoch einen Kontext ausmachen zu wollen, der freilich von der Perspektive des Lesers abhängig ist und somit von mir nicht illustriert wird. Insgesamt ist dieser Interpretationsversuch Kafkas durch Kafkas Schreiben, das wiederum er selbst ist, eine gelungene Annäherung an die Abgründe seiner Persönlichkeit; jedoch erweist es sich einmal mehr, dass Kafka nicht wirklich beizukommen ist. Mit jedem Schritt auf Kafka zu wird umso klarer, dass sein unausgesprochenes Geheimnis erhalten bleibt. Und das ist gut so.

(Jürgen Heimlich)


Jürg Amann, A.T. Schaefer: "Kafka. Wort- Bild- Essay."
Haymon Verlag, 2000. 158 Seiten.
ISBN 3-8521-8319-7.
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