Wolfgang Will: "Athen oder Sparta"

Eine Geschichte des Peloponnesischen Krieges


Eine detaillierte Erläuterung des Peloponnesischen Krieges, seiner Hintergründe, Ursachen, Ereignisse und Auswirkungen

Der Peloponnesische Krieg gehört zu jenen vieldiskutierten Themen der griechischen Antike, von denen manche Leser vielleicht im Lauf ihres Geschichtsunterrichts gehört haben, die aber heutzutage immer seltener Platz finden. Oft bleibt kaum Zeit, sich diesem wichtigen historischen Ereignis zu widmen, denn es scheint an Aktualität zu verlieren, liegt es doch mehr als 2000 Jahre zurück. Historiker sind sich jedoch darüber einig, dass der Peloponnesische Krieg einer der bedeutendsten Einschnitte in der griechischen Geschichte ist, hatte er doch weitreichende Veränderungen für die griechische Halbinsel und maßgebliche Auswirkungen für das Ansehen der Demokratie zur Folge.

Wolfgang Wills Analyse des Peloponnesischen Krieges zeichnet ein detailliertes Bild der Vorgeschichte, Ursachen, Vorgänge und Aus- sowie Nachwirkungen des Krieges zwischen den Hegemonialmächten Sparta und Athen. Außerdem widmet sich der Autor des Buches vermehrt den Auswirkungen des Krieges auf die bedeutendste Errungenschaft der griechischen Antike, die Demokratie. Die wichtigste Quelle von Wills Analyse ist der attische Stratege und Historiker Thukydides. Schon in seinem Vorwort hält Wolfgang Will über den antiken Autor und seine Berichte über den Peloponnesischen Krieg Folgendes fest: "Thukydides schildert das militärische Geschehen, doch er abstrahiert auch den Krieg und macht ihn zum zeitlosen Lehrmeister. Die Lehren, die Thukydides zieht, ohne sie ex cathedra zu verkünden, bewahren noch nach zweieinhalbtausend Jahren ihre Gültigkeit und verschaffen dem Werk und seinem Schöpfer bleibende Autorität." (S. 7)

Der Peloponnesische Krieg und Thukydides sind untrennbar miteinander verknüpft. Die detaillierten Berichte des Strategen erweisen sich daher als aufschlussreiche Informationsquelle für Will. Wolfgang Will, der selbst Alte Geschichte an der Universität Bonn lehrt, bedient sich selbstverständlich auch anderer antiker Berichte und Autoren wie zum Beispiel Herodot, Platon, Xenophon, Sokrates oder Plutarch, um hier nur einige wenige bekannte Namen zu nennen. Wills Einschätzungen über Sparta und Athen sind daher keineswegs einseitig, sondern beleuchten den Peloponnesischen Krieg samt Vorgeschichte und Folgen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Schnell wird klar, dass der Peloponnesische Krieg auf mehreren Ebenen ausgetragen wird (zumindest in seiner ersten Phase). Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei diesem Krieg um blutige Auseinandersetzungen zwischen den Hegemonialmächten Athen und Sparta. Diese ziehen auf der nächsten Ebene über ihre Bündnisse auch benachbarte Poleis und Inseln in den Krieg mit hinein. Mancher Leser denkt dabei zum Beispiel an die Unterwerfung der Insel Melos durch die Athener und die Ermordung der Melier, die Versklavung von deren Frauen und Kindern. Dieses Massaker ist allerdings nur ein Beispiel von vielen, die uns im Peloponnesischen Krieg immer wieder begegnen, wie Will klarstellt. Auf der dritten Ebene ist der Peloponnesische Krieg ein Krieg zwischen Oligarchen und Demokraten, der innerhalb der Poleis ausgetragen wird und nicht selten in Mord und Totschlag endet. Unweigerlich haben die blutigen Racheakte auch Konsequenzen für die Wahrnehmung und das Ansehen der Demokratie. Der Schrecken des Peloponnesischen Krieges, wie ihn die Bevölkerung wahrnimmt, befindet sich im Inneren und liegt nicht am Angriff von äußeren Feinden.

Die zweite Phase des Peloponnesischen Krieges ist zu Anfang fatal für die Institution der Demokratie in Athen sowie Athens Vorherrschaft in Griechenland. Mit der Seeblockade an den Dardanellen bleibt Athen keine andere Wahl, als zu kapitulieren. Denn die Belagerer Sparta mitsamt Verbündeten haben Athen erfolgreich von jeglicher Getreideversorgung abgeschnitten. Athen muss die Niederlage im Peloponnesischen Krieg mit der Auflösung seiner Bündnisse, dem Abriss der Stadtmauer, dem Beitritt zum Peloponnesischen Bund und der Unterwerfung durch die Spartaner büßen. Die Kapitulation Athens führt schließlich zur oligarchischen Mehrheit im Rat und zur daraus resultierenden Herrschaft der 30 Tyrannen. Auch wenn man sich heute so an sie erinnert, war es doch eine Herrschaft von 30 wenig auserwählten Oligarchen und nicht Tyrannen im eigentlichen Sinn, die gemeinsam unzählige Verfechter der Demokratie hinrichten lassen, Athener zur Flucht aus der Stadt zwingen und der Demokratie letztendlich mit ihrer blutigen Schreckensherrschaft zu neuer Anerkennung verhelfen.

Dies führt dazu, dass die Demokratie in Athen ins neue Licht gerückt und konkretisiert wird. Gesetze sowie Beschlüsse werden nicht nur veröffentlicht, sondern auch überprüft. Die Volksversammlung ist größer als zu Zeiten des Perikles, weil nun die Teilnahme an der Ekklesia bezahlt wird. Obwohl das restliche Griechenland im 4. Jahrhundert von Bürgerkriegen und Auseinandersetzungen geplagt wird, und sich Sparta ohne Persische Hilfe nicht in seiner Vormachtstellung behaupten kann, vermag sich im griechischen Mutterland Attikas die Demokratie wieder einigermaßen zu festigen. Erst 322 v. Chr. endet die Demokratie in Athen mit der Machtübernahme der Diadochen nach dem Tod Alexanders von Makedonien. Trotz der blutigen Morde und wirtschaftlichen Konsequenzen bleibt Athen im Griechenland des 4. Jahrhunderts vor Christus die lebenswerteste Stadt der Antike. Zumindest ist Will davon überzeugt, dass "in keiner (anderen) griechischen Stadt (...) eine so hohe Zahl von Bewohnern (sicherlich bei Weitem nicht alle) ein menschenwürdiges Dasein führen wie in Athen" (S. 290).

Will versteht den Zeitgeist der griechischen Antike wie kein Anderer. Der Peloponnesische Krieg verliert an Abstraktheit, weil Will sich auch der griechischen Literatur widmet und erklärt, inwiefern das Geschehene von Literaten wie zum Beispiel Aristophanes aufgegriffen, in seinen Werken verarbeitet wird und schließlich eine Kritik am Kriegsgeschehen selbst darstellt. Geschickt erläutert Will nicht nur militärische Ereignisse und politische Entscheidungen der Strategen, sondern beachtet auch die Stellung der Hopliten, der schwerbewaffneten Fußsoldaten, und gibt kurze Einblicke in ihre Situation. Der Autor ermöglicht es dem Leser, die Befragungen der Orakel und die abstrakte polytheistische Götterwelt der Griechen und deren Auswirkungen auf die griechische Bevölkerung besser zu verstehen und nachzuvollziehen, woraus wiederum Rückschlüsse für die damalige Zeit gezogen werden können, in die auch der Philosoph Sokrates einzuordnen ist.

Fazit: Wolfgang Wills Analyse ist besonders jenen Lesern zu empfehlen, die ihre Kenntnisse der Antike und des Peloponnesischen Krieges vertiefen wollen. Für Leser, die nur über wenige Kenntnisse über die griechische Antike verfügen, können die Chronologie sowie Begriffserklärungen und die Geschichtskarten zuweilen hilfreich sein. Wolfgang Wills Fachbuch ist nicht zuletzt eine detaillierte und spannende Monografie, die sich vor allem an Historiker richtet und auch für fachliterarische Recherche geeignet sein kann.

(Sabrina Brugner; 11/2019)


Wolfgang Will: "Athen oder Sparta. Eine Geschichte des Peloponnesischen Krieges"
C.H. Beck, 2019. 352 Seiten, mit 9 Abbildungen und 11 Karten.
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