Garry Disher: "Bitter Wash Road"
Ein
Ermittler wirbelt Staub auf
Constable Paul Hirschhausen ist noch nicht übertrieben lange
bei der australischen Polizei, aber er hat schon eine Menge negative
Erfahrungen gemacht. In seiner ersten Dienststelle in Adelaide wurde er
in Ermittlungen der internen Abteilung gegen seine Vorgesetzten und
Kolleginnen und Kollegen verwickelt, und obwohl er selbst eigentlich
schuldlos gewesen zu sein scheint, hat das ganze Verfahren sein Privat-
und Berufsleben auf den Kopf gestellt. Während ihn seine
ehemaligen Kolleginnen und Kollegen als Verräter sehen,
betrachten ihn alle anderen Polizisten mit Misstrauen.
So kommt es, dass der junge und mittlerweile wieder unverheiratete
Constable nach Tiverton versetzt wird, in eine Kleinstadt im
australischen Hinterland, die verwaltungstechnisch dem nicht viel
größeren Redruth untersteht, wo es zumindest drei
mehr oder weniger erfahrene Beamte und eine Polizistin in Ausbildung
gibt. Tiverton ist hingegen eine Ein-Personen-Wache, die gleichzeitig
auch als Wohnbereich für Hirschhausen dient, der sich am
liebsten Hirsch
nennen lässt, für den er auch noch von seinen mageren
Bezügen Miete zahlen muss.
Schnell merkt er, dass ihm sein Ruf als "Verräter" vorauseilt,
als seine jüngeren Kollegen in Redruth ihm überaus
feindselig und aggressiv begegnen, und auch eine Patrone in seinem
Briefkasten gibt ihm gar nicht das Gefühl, in Tiverton und
Umgebung willkommen zu sein. Dass die fortlaufenden Ermittlungen in
Adelaide immer noch über ihm hängen wie eine
Gewitterwolke, macht die Sache nicht unbedingt einfacher.
Aus dieser Situation wird er zur Bitter Wash Road befohlen, einer
Straße im Hinterland des tivertonschen dünn
besiedelten Hinterlands. Als er auf dieser Straße halten
muss, weil ein Ast quer über der Fahrbahn liegt und er auch
noch Schüsse
hört, als er versucht, die Straße frei zu machen,
glaubt er zunächst, dass ihn seine Vergangenheit aus der
vergleichbar großen Stadt eingeholt hätte.
Diese Situation klärt sich überraschend harmlos, doch
dann wird Hirsch zum Fundort der Leiche einer jungen Frau gerufen, die
anscheinend beim Per-Anhalter-Fahren von einem vorbeirasenden Auto
erfasst worden ist - augenscheinlich Fahrerflucht. Der herbeigerufene
Arzt verhält sich ähnlich merkwürdig, wie
der aus Redruth hinzukommende Vorgesetzte Kropp, und bei den weiteren Ermittlungen
in diesem Todesfall stellt Hirsch schnell fest, dass die Menschen in
der Umgebung Polizisten auffallend misstrauisch begegnen, was wohl sehr
mit der Arbeitsweise von Kropp und seinen langjährigen
Untergebenen zu tun hat. Diese scheinen außerdem Hirsch immer
wieder in legale und andere Fallen tappen lassen zu wollen, und auch
von anderer Seite kommt es zu Unterschiebungen von Beweismitteln und
möglichen Bestechungsgeldern, sodass sich Hirsch bald wieder
Mitgliedern der Internen Ermittlungen gegenüber sieht. Und
diese bitten ihn, sich die Arbeit seiner neuen Kollegen im Hinterland
sehr genau anzusehen und eventuelle
Unregelmäßigkeiten zu melden.
So in einen neuerlichen Loyalitätskonflikt geworfen,
während die Sache in Adelaide noch gar nicht beendet ist,
ermittelt Hirsch in der ländlichen Umgebung fleißig
weiter und stößt auf immer neue Abgründe,
die seine Arbeit schließlich zu einem gänzlich
unerwarteten Ziel führen und ihn sich selbst immer wieder in
Frage stellen lassen.
Fazit:
"Bitter Wash Road" ist ein zunächst eher
plätschernder, später stringent erzählter
Roman, was sicherlich die Wahrnehmung Hirschs hinsichtlich der
Konflikte der polizeilichen Arbeit zwischen Land und Stadt, der
Loyalitätskonflikte zwischen Kollegialität und
Legalität und bezüglich der sehr unterschiedlichen
Motivationslagen von Verbrechen und Polizeiarbeit sehr gut
nachvollzieht.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2016)
Garry
Disher: "Bitter Wash Road"
Übersetzt von Peter Torberg.
Unionsverlag, 2016. 344 Seiten.
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Garry Disher, geboren 1949, wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. Seine Bücher sind mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter der wichtigste australische Krimipreis, der "Ned Kelly Award", zweimal der "Deutsche Krimi Preis" sowie eine Nominierung für den "Booker Prize". Garry Disher lebt an der Südküste von Australien in der Nähe von Melbourne.